9
Daved stand auf der Plattform im Glockenturm und beobachtete den Exodus aus dem Dorf Eibenbach. Die Bewohner hatten sich schon lange auf diesen Moment vorbereitet und somit ging es schnell voran. Auch die Späher schienen allesamt eingetroffen zu sein. Die Wächter am Tor würden die Aufgabe haben, die Hereinkommenden zu zählen und sicher zu stellen, dass keine Familie fehlte.
Neben ihm gab die Glocke einen ohrenbetäubenden Lärm von sich, dem Daved aber kaum Beachtung schenkte. Seit er im Besitz des Pak war, war er in der Lage, seine Sinne zu kontrollieren, sich einzeln zu verstärken oder zu schwächen, zumindest ein wenig.
Das Kloster war in guter Position, einer Belagerung stand zu halten. Der einzige Zugang war über den Hügel am großen Südtor zu erreichen, an allen anderen Seiten des Klosters befanden sich steile, nicht begehbare Felsen.
Daved schluckte schwer und blickte nach Osten, woher sich die schier endlose Masse raggarscher Kämpfer näherte. Sie Alle waren nur wegen ihm hier, der bevorstehende Kampf war einzig und allein seine Schuld. Er hätte niemals auf Feldokar hören sollen!
Wie zum Hohn hatte die Sonne an diesem Tag hell und warm am wolkenlosen Himmel gestanden. Nun sank sie langsam herab. Daved hoffte sehr, dass die Raggar nicht in der Nacht angreifen würden. Es war seit jeher ein ehernes Gesetz des Krieges, dass nachts nicht gekämpft werde, doch wer wusste schon, ob sie sich daran halten würden.
Am Tor entstand nun Gerangel, da zu viele Menschen in zu kurzer Zeit hineinwollten und von den Wachen aufgehalten wurden, damit diese den Überblick behalten konnten. Es war lächerlich, das Heer würde erst in einigen Stunden heran sein und schon gerieten Einige in Panik.
Plötzlich registrierte der Mönch, dass das Glockengeläut anscheinend geendet hatte, stattdessen bemerkte er, wie jemand die Leiter zum Turm hinaufstieg. Er wusste bereits, wer es war, schon bevor Feldokars weißer Haarschopf erschien. Der Abt atmete schwer, als er oben angelangt war und sein Gesicht war tiefrot gefärbt.
Daved runzelte die Stirn. Es schien, als wären die Falten im Gesicht des Abtes noch tiefer und zahlreicher als sonst, als wäre er binnen kürzester Zeit um Jahre gealtert. Nun, auch er selbst hatte sich schließlich in den letzten Wochen stark verändert. Zunächst hatte er vermutet, dass die Sorgen, Angst und Aufregung Schuld an dieser Veränderung seien, doch mittlerweile war es sich dessen nicht mehr sicher. Er war immer müde und konnte doch nicht schlafen. Hunger und Durst hatte er nur noch selten, ständig war ihm übel und die Kopfschmerzen raubten ihm fast den Verstand. Und schließlich hatte er seit Kurzem Schwierigkeiten, Warmes und Kaltes zu unterscheiden. Von den Fingerspitzen aufwärts wurde ihm nach und nach Alles taub.
„Solltest du nicht dort unten sein und eine Rede halten oder Befehle erteilen oder Etwas in der Art?“, fragte er den Abt, der noch immer nach Luft schnappte.
„Ich habe die Befehlsgewalt an die jeweiligen Gruppenführer übertragen“, antwortete dieser. „Aber das ist nur eine reine Vorsichtsmaßnahme. Ich bezweifle, dass wir heute noch mit einem Angriff zu rechnen haben.“
„Bist du dir da sicher?“ Daved sah hinüber zu der langen Reihe des raggarschen Heeres, das sich unaufhaltsam über das Land schob.
„Nein, das bin ich nicht. Genau wie du kenne ich diese Primitiven nicht. Aber ein Angriff bei Nacht hätte nur Nachteile für sie und ich vermute, das wissen sie. Du hast hier oben alles, was du brauchst?“
Der Angesprochene antwortete nur mit einem schiefen Blick. Er hatte einige Kerzen dabei und das Pak, mehr würde er nicht benötigen.
„Ich habe den Glöckner fortgeschickt, damit du Ruhe hier oben hast“, fuhr Feldokar fort.
„Gut“, kommentierte Daved und hoffte, dass der Abt bald verschwinden würde. Als dies offensichtlich nicht der Fall war und das Schweigen peinlich wurde, sagte er noch:
„Wir werden sterben, das weißt du doch, oder?“
Feldokar warf ihm einen entsetzten Blick zu.
„Wie kannst du so etwas nur sagen? Die Heiligen…“
„Ach, lass doch die Heiligen aus dem Spiel!“, unterbrach Daved ihn. „Die haben mit diesem Kampf rein gar nichts zu tun. Wir haben ihn verursacht. Und es sind dort draußen hundertmal mehr Raggar als kampffähige Menschen hier drinnen. Wir können nichts gegen sie ausrichten!“
„Aber sie auch nicht gegen uns“, erinnerte Feldokar ihn. „Solange wir im Kloster bleiben, können sie nicht zu uns durchdringen. Sie haben kein Kriegsgerät und auch ihre Masse wird unser Tor nicht brechen können. Wir haben genug Vorräte für mehrere Monate und wir haben Zeit. Und schließlich“, fügte er mit einem bemühten Lächeln hinzu, „haben wir noch dich, mein Freund.“
„Ich bin nicht dein Freund, Feldokar“, entgegnete Daved gereizt. „Ich war es nie und ich werde es nie sein.“
„Daved, wir sind doch noch immer Brüder im Geiste. Ich beschwöre dich, in Zeiten der Not wie diesen müssen wir zusammenhalten. Für das Kloster.“
„Du kannst dir deine Rede sparen. Ich bin doch hier oder nicht?“
„Ja, auch wenn ich es lieber gesehen hätte, wenn du gegangen wärst. Dann hätte ich dich und das Buch in Sicherheit gewusst.“
„Das geht nicht und das habe ich dir bereits gesagt.“
„Ja, aber warum nicht?“
„Frag nicht!“
Daved blickte an den Horizont, wo nur noch ein kleines Stück der Sonnenscheibe zu sehen war. Unten wurden bereits Fackeln entzündet. Die Nacht kam.
Er fragte sich, wie viele von ihnen noch den Morgen sehen würden.
Alef war als einer der Ersten durch das Tor gekommen und schüttelte sich nur wie die Meisten das Öl von den Schuhen, suchte sich einen freien Platz im großen Innenhof und beobachtete das Treiben.
Äbtissin Rebecca persönlich übernahm die Einteilung der Flüchtlinge aus Eibenbach in leer stehende Häuser innerhalb des Klosters. Sie bewältigte diese Aufgabe mit erstaunlicher Ruhe trotz der sich ständig wiederholenden Fragen der verängstigten Bevölkerung.
So mancher holte sich blaue Flecken im Gedrängel vor dem Kloster, aber insgesamt verlief die Einquartierung nach Plan.
Erschöpft setzte sich Alef auf den sandigen Boden und sah zu, wie die letzten Dorfbewohner schließlich das Tor durchquerten. Die Wachen meldeten, dass Alle nun sicher im Kloster seien, doch bevor die Tore geschlossen wurden, eilten noch einige Novizen, die bereits mit Tonkrügen bewaffnet gewartet hatten, hinaus und erneuerten den Feuerteppich.
Der Innenhof lehrte sich langsam, als die Menschen aus dem Dorf sich aufmachten, um ihre Unterkünfte in Augenschein zu nehmen. Allerdings würden sie dafür nicht viel Zeit haben, jeder hatte nun seine Aufgabe zu erfüllen.
Alef schlang die Arme um die Knie.
Das Bild der endlosen Menge von Kriegern ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Nie zuvor hatte er so viele Menschen an einem Ort gesehen.
Der Junge schloss die Augen und hörte, wie die Tore mit einem lauten Knarren zugezogen wurden.
Er hatte Angst, solch Angst.
Ludger stand bei den Bogenschützen auf den Zinnen am Tor und beobachtete das Vorankommen der Armee. Sie waren schnell, sie würden das Dorf kurz nach Einbruch der Dunkelheit erreichen.
Seine Hand schloss sich um das Heft des Schwertes an seiner Seite. Er hatte das Gefühl, als riefe es nach Blut.
Das ist dein eigener Blutdurst. Deine Waffe ist unschuldig, im Gegensatz zu dir.
Ludger ignorierte die Stimme für den Moment. Nicht mehr lange und sie würde für immer schweigen.
Er betrachtete die Schützen, die Daved unter sein Kommando gestellt hatte. Viele von ihnen waren älter als er und standen in der Hierarchie des Klosters über ihm. Es war ihnen anzusehen, dass sie wenig begeistert davon waren, einem Novizen gehorchen zu müssen. Doch er war ein Schwertträger Daveds und Daved handelte in direktem Auftrag des Abtes.
Auch Ludger selbst war über diese Aufgabe nicht sehr glücklich. Er hatte ein Schwert und wollte damit kämpfen, anstatt hier oben zu stehen und den Männern und Frauen zu sagen, wann sie zu schießen hatten. Noch dazu waren die gerade mal zwei dutzend Schützen nur mit kleinen, provisorisch zusammengefertigten Bögen ausgestattet und kaum ausgebildet, da niemand im Kloster etwas von der Bogenschießerei verstand außer einem alten Jäger namens Theobald, der in den nördlichen Wäldern lebte und jagte. Der Greis, dessen fehlende Kopfhaare offenbar ein Stück hinab gewandert waren und nun sein halbes Gesicht mit einem dichten, grauen und verfilzten Vollbart bedeckten, stand neben Ludger und brummelte die ganze Zeit sinn- und zusammenhanglose Wortfetzen vor sich hin.
Der Novize betrachtete den Jäger mit mühsam unterdrückter Abscheu. Der Mann, der Ludger nur bis an die Brust reichte, stank bestialisch und in seinem Bart krabbelten verschiedene Insekten herum.
Theobald hatte den Schützen kaum etwas beibringen können, da er nicht in der Lage war, seine Lektionen in verständliche Worte zu fassen. Ludger begriff nicht, warum dieser Mann überhaupt hier war. Er hatte zwar den einzigen guten Bogen und vermochte auch, damit umzugehen, doch niemand wusste, ob er sich überhaupt am Kampf beteiligen würde. Es war schon schwer genug gewesen, ihn davon zu überzeugen, auf Heuballen zu schießen.
Nun, ihre Aufgabe war denkbar einfach, sie sollten ohnehin nicht den Feind direkt beschießen. Die mit Öllappen umwickelten Pfeile würden in den Kohlebecken entzündet und im rechten Moment auf den Boden vor dem Tor abgeschossen werden. Die Schwierigkeit bestand einzig darin, den richtigen Augenblick abzuwarten. Sie mussten möglichst viele der Barbaren mit einem Mal treffen. Der Feuerteppich war nur ein einziges Mal einsetzbar und wohl ihre wirksamste Waffe gegen die Barbaren. Sie konnten nur hoffen, dass das Tor der immensen Hitze standhalten würde.
Es herrschte Schweigen. Kaum ein Laut war zu hören, nur das ständige Stampfen, mit dem das Barbarenheer immer näher kam.
Die Angst in den Menschen um ihn herum war fast greifbar. Sie war kalt. Trotz der warmen Abendluft fror Ludger plötzlich.
Es gab keinen Grund, sich zu fürchten. Er hatte nichts zu verlieren. Weder Schmerzen noch der Tod konnten ihn schrecken und doch jagte der Anblick dieses gigantischen Heeres ihm Schauer über den Rücken.
Die Barbaren entzündeten keine Fackeln, sie schienen sich allein am Schein der unzähligen Lichter im Kloster zu orientieren. Abgesehen davon war das Gebäude auf dem hohen Fels kaum zu verfehlen. Sie folgten grob der Straße, die von der Klosterkreuzung zum Dorf Eibenbach führte. Nicht mehr lange und sie würden es erreichen.
Ludgers Herz schlug schneller, ob nun in ängstlicher oder freudiger Erwartung konnte er nicht recht sagen, doch die Umstehenden, die sein grimmiges Lächeln sahen, wandten den Blick schnell wieder ab, bevor das Fackellicht sich in seinen Augen spiegeln und so einen Blick auf seine gemarterte Seele preisgeben konnte.
Die Luft brannte in Khalids Lungen wie Feuer, doch er rannte unermüdlich weiter, so dass selbst Hilda Schwierigkeiten hatte, ihm zu folgen.
Und doch war er nicht schnell genug. Langsam aber sicher übernahm das Tyr die Kontrolle, aber Khalid war dies nur Recht. Er konnte seine Hilfe gebrauchen.
Abrupt blieb er stehen, so dass die Raggar fast in ihn hineinlief.
„Hilda“, sagte er, „ich habe keine Wahl, ich muss mich dem Tyr überlassen. Du darfst mir nur so weit folgen wie es für dich sicher ist. Sobald wir das Heer sehen versuche, dich zu verstecken und es zu umgehen. Ich sollte keine Probleme haben, direkt hindurch zu gelangen.“
Hilda gefiel es nicht, dass der Jüngere ihr Befehle erteilen wollte, doch auch sie spürte die Dringlichkeit der Situation.
„Aber wie kann das Tyr…“, begann sie, wurde aber durch Khalid unterbrochen.
„Ich weiß, es schützt nur mich, aber Ludger ist in Gefahr und ich würde den Freitod wählen, wenn ihm etwas zustößt.“ Sein harter, entschlossener Blick erschreckte selbst die Raggar. Sie hatte nicht erwartet, dass die Verbindung zwischen Khalid und seinem Bruder so stark war.
Nach einem kurzen Moment des Verharrens wandte der Halbraggar ihr den Blick zu.
„Das Tyr weiß das“, sagte er und nun lag in seinem Blick ein wildes Feuer. „Mache dir keine Sorgen um mich, ich bin in Sicherheit. Dir viel Glück, Base!“
Nach diesen Worten schloss er die Augen und entspannte sich. Es war nicht schwer, sich in die Arme des Tyrs zu legen, es saß ohnehin schon bereit wie ein Raubtier auf der Lauer und wartete nur darauf, dass er die Kontrolle über seinen Geist losließ.
Es war ein seltsames Gefühl, sich freiwillig in die hintere Ecke seines Bewusstseins zu begeben, anstatt mit Gewalt dorthin gedrängt zu werden.
Khalid sah und spürte, wie sein Körper sich in Bewegung setzte, wesentlich schneller als zuvor. Die Bäum flogen regelrecht zu beiden Seiten vorbei.
Er wusste nicht, ob Hilda ihm noch folgte, doch das war im Augenblick nicht weiter wichtig. De Zeit wurde knapp, er konnte nur hoffen, dass es dem Tyr noch gelingen würde, ihn rechtzeitig zum Kloster, zu Ludger, zu bringen.
Das Heer hatte Halt gemacht und stand nun in loser Formation kurz vor den ersten Häusern des Dorfes. Im Mondschein war nicht mehr von ihnen zu erkennen als dunkle Schemen.
Atemlos beobachtete Ludger das Schauspiel. Die Menge der Kämpfer verlor sich in der Dunkelheit, ihre Zahl war nicht zu schätzen.
Die Stille war unheimlich. Kein Laut drang in die Nacht, es war, als hielte das Kloster selbst den Atem an.
Die Ruhe vor dem Sturm, ging es Ludger durch den Kopf. Selbst die Stimme schwieg.
Es war fürchterlich, viel schlimmer als das laute Stampfen zuvor.
Ludger biss die Zähne zusammen und wartete.
„Was tun sie? Kannst du etwas erkennen?“ Der Abt strengte seine Augen an, sah aber nicht mehr als einige Schemen in der Finsternis.
„Sei endlich still, Feldokar!“, zischte Daved. Er konnte sie deutlich sehen, die Dunkelheit war für seine geschärften Augen kein Problem. Doch der Anblick machte ihn nicht schlauer, die meisten Raggar standen bewegungslos mit grimmigem Blick da. Offensichtlich warteten sie auf Etwas. Aber was?
Dort hinten, waren das… Druiden? Nein, das war unmöglich, sie konnten doch nicht… was hatten sie vor?
In diesem Moment brach das Chaos aus.
Zwei Dinge geschahen nun gleichzeitig und ließen Alef das Herz stocken.
Zum Einen zerriss das plötzliche Flügelschlagen unzähliger Vögel die Stille der Nacht, zum Anderen erhoben alle Barbaren zugleich ihre Stimmen und ließen ein Kriegsgeschrei hören, dass selbst die Erde davon zu zittern schien.
Alef gefror das Blut in den Adern. Schutz suchend kroch er zu der Kellerluke im Schatten eines Hauses in der Nähe. Tränen der Furchten rannen ihm über die Wangen.
Was passierte hier nur?
Urplötzlich war der Mond verschwunden und der Himmel verfinsterte sich von Hunderten fliegender Schatten. Ludger hielt noch immer der Schock gefangen, es war, als wäre die Nacht selbst lebendig geworden und wollte sich nun auf sie stürzen.
Die Barbaren brüllten und rissen ihre Arme hoch, doch sie bewegten sich nicht vom Fleck. Ludger schien es, als hätten sie selbst Angst vor dieser Fleisch gewordenen Finsternis.
Als er endlich erkannte, was dort auf sie zukam (Raben, das sind unzählige Raben!), war es bereits zu spät.
„Schießt auf die Vögel!“, schrie er, doch seine Stimme übertönte kaum den Lärm.
Die Ersten der schwarzen Brut hatten sie bereits erreicht und ihr Ziel war klar. Jeder seiner Männer und Frauen wurde von oben mit spitzen Schnäbeln und scharfen Krallen attackiert. Auch Ludger musste sein Schwert ziehen, als vier oder fünf Raben ihn zugleich angriffen.
Wild schlug der Novize in die Luft, doch seine Klinge trag auf keinen Widerstand. Stattdessen spürte er ein scharfes Brennen an der linken Schläfe. Eines der Biester hatte ihn erwischt, nur um Haaresbreite an seinem Auge vorbei.
Das Flattern der Vögel war wie ein tosender Sturm, ihr Krächzen eine ohrenbetäubende Kakophonie des Unheils. Aus den Augenwinkeln sah Ludger etwas, das ihn noch mehr erschreckte. Einer der Schützen, ein junger Akoluth mit Namen Devenaer, stolperte wild mit den Armen rudernd gegen eine der Kohlepfannen. Ludger versuchte noch, zu ihm zu gelangen, doch er kam zu spät. Mit einem erschrockenen Aufschrei fiel der junge Mann über die Brüstung und zog die Pfanne mit sich. Wenige Augenblicke später war ein dumpfer Aufprall zu hören, dann nichts mehr.
Ludger biss die Zähne zusammen. Der Kampf hatte sein erstes Opfer gefordert und die Barbaren hatten noch nicht einen Finger gerührt. Mit neuer Inbrunst widmete er sich dem Kampf gegen die Raben, doch er hatte gerade erst wieder den Arm zum Angriff erhoben, als er von einer gewaltigen Kraft vornüber auf den Boden geworfen wurde. Von einem Moment auf den Anderen umgab ihn gewaltige Hitze, die das Amten schwer machte.
Ludger blickte zurück und musste die Augen abschirmen, als er eine immense Feuerwand erblickte, die sich rasend schnell ausbreitete. Gut die Hälfte der Vögel fingen in der Luft Feuer, einige verbrannten binnen weniger Augenblicke zu Asche, der Rest floh in alle Himmelsrichtungen.
Runter!, drang es in den Kopf des Novizen. Die Welt verschwamm vor seinen tränenden Augen, er sah brennende Gestalten über die Mauer stolpern und an der einen oder anderen Seite herunterfallen. Überall waren Schreie, der Geruch von verbranntem Fleisch lag in der Luft. Halb blind tastete er sich zu der Leiter vor und stieg hinunter, mehrere Sprossen auf einmal nehmend. Unten angekommen fiel er in den Sand und fühlte jetzt erst den Schmerz. An den Händen, im Gesicht, er war überall.
„Oh bei den Heiligen, nein! Wir haben uns verrechnet!“, stammelte Feldokar und vergrub das Gesicht in den Händen, um dem Anblick der brennenden Menschen auf der Mauer zu entkommen.
„Offensichtlich“, kommentierte Daved. Er hätte es wissen müssen, dass der Abt mit der Aufgabe, den Feuerteppich umzusetzen, überfordert war. Das Öl hatte sich viel zu nah am Kloster befunden. Er hatte das nicht gewusst und dennoch, diese Falle war seine Idee gewesen.
„Sie haben unsere bester Waffe gegen uns gerichtet!“, schrie der Abt. „Tu doch Etwas! Lass es regnen oder so!“
„Das ist brennendes Öl, du Narr! Regen nützt uns rein gar nichts!“
„Dann greif die Barbaren endlich mit deiner Magie an!“
„Ich kann sie nicht sehen, das Feuer nimmt mir die Sicht.“
Feldokar rang nervös mit den Händen. „Du weißt doch, wo sie sich befinden. Na los!“
„Nun gut.“ Daved seufzte, legte eine Hand auf die Seiten des Buches und schloss die Augen.
Khalid hatte die Stichflamme in der Ferne gesehen und geriet in Panik.
Hitze und der Geruch von Verbranntem drangen mit dem Wind heran. Tränen liefen ihm über die Wangen, als er verzweifelt versuchte, das Tyr und sich selbst anzutreiben.
Ludger!
Auch Alef weinte und die Tränen vermischten sich mit dem Ruß, der auf seinem Gesicht und überall in der Luft lag.
Ich will nicht sterben!
Überall liefen Menschen panisch umher, schreiend, sich gegenseitig im Weg stehend. Sie alle wollten nur noch weg. Nur wenige Schritt vor ihm lagen die verkohlten Überreste von Etwas, das wohl mal ein Mensch gewesen war.
Ich will nach Hause!
Doch er konnte nicht weg, die Angst hielt ihn gefangen.
Dann plötzlich sah er ein Gesicht vor sich auftauchen, alt und doch schön, beruhigend wie eine Mutter.
„Komm mein Kleiner“, sagte Rebecca und schien zu versuchen, das Zittern von ihrer Stimmte fern zu halten. „Wir müssen fort von hier.“
Alef nickte und nahm die dargebotene Hand.
Sie hatte ihn aus den Augen verloren.
„Verdammt!“, murmelte Hilda und trieb sich weiter an. Dann sah auch sie den roten Schimmer am Himmel.
Feuer? Diese Narren, wie konnten sie nur Feuer legen? Das Pak war in Gefahr!
Binnen weniger Minuten hatten sich die Flammen aus Mangel an Nahrung selbst aufgezehrt. Ludger erhob sich schwankend. Auf seiner Haut brannte es weiter wie Feuer, doch er musste sich zusammenreißen. Der Kampf lag noch immer vor ihnen.
Ein Blick zeigte ihm, dass das Tor noch stand, gut. Doch außer ihm befand sich nur noch eine Handvoll Menschen im vorderen Innenhof, der Rest war verschreckt in die hinteren Bereiche des Klosters geflohen.
Jetzt heißt es dann wohl sterben. Nun gut, aber ich gehe nicht alleine.
Er zuckte zusammen, als er das Schwert ergriff, das neben ihm auf dem Boden lag.
Kein Schmerz, Ludger. Ignoriere ihn. Es ist bald vorbei.
Daved spürte das berauschende Gefühl der Kraft, die durch seine Adern floss. Er war nun eins mit der Erde, eins mit dem Wind.
„Blut des Körpers, Blut des Geistes, Blut der Erde“, flüsterte er und seine Stimme, so leise sie auch sprach, drang zu allen Wesen innerhalb und außerhalb des Klosters. „Kommt, ihr Geister der Erde und helft uns treuen Dienern des…Autsch, verdammt!“ Mit einer blitzschnellen Bewegung packte er den Raben, der aus dem Nichts auftauchend seine Finger angegriffen hatte, und warf ihn mit gewaltiger Wucht auf den Boden, so dass das Tier reglos liegen blieb.
Die Macht kehrte sich um, floss nun nicht mehr in ihn hinein, sondern aus ihm heraus.
Daved sank in die Knie.
„Nein, nein, bitte nicht!“, murmelte er.
„Was ist los? Was passiert hier?“, rief Feldokar, als plötzlich ein Rumoren unter ihrer Füßen begann.
„Ich weiß es nicht“, flüsterte Daved. „Doch was auch immer es ist, ich habe keine Kontrolle darüber.“
Ludger kauerte sich zu Boden, als das Beben begann. Er hatte Daveds Stimme gehört und nun plötzlich…
Das Zittern in der Erde wurde immer stärker und auch die anderen Menschen sanken in die Knie. Ludger sah die Furcht in ihren Augen und auch ihn hatte die Angst erfasst. Die Mauern des Klosters schwankten, er hörte hinter sich Dächer krachend einstürzen. Was hatten die Barbaren getan?
Im nächsten Augenblick tat sich die Erde vor ihm auf und Ludger schrie und fiel auf den Rücken, als eine dicke braune Wurzel daraus hervor geschossen kam und sich um sein Bein wickelte. Erschrocken versuchte Ludger, es wegzuziehen, doch die Pflanze hielt ihn unerbittlich fest.
Im selben Moment kamen sie überall hervor. Dutzende, Hunderte, Tausende der hässlichen Wurzeln krochen über den Boden und umschlossen alles, was ihnen im Weg stand. Die Männer schrieen in Panik auf, zerrten an ihren gefesselten Gliedmaßen und konnten sich doch nicht mehr bewegen.
Ludger hörte Holz krachen und sah, wie das Haupttor von unzähligen Wurzeln durchbrochen und aus den Angeln gerissen wurde. Durch das so entstandene Loch konnte er sehen, dass die Barbaren sich nicht aufhalten ließen. Einige wurden anscheinend selbst von den Pflanzen angegriffen, doch die meisten rannten brüllend vor Wut auf das Kloster zu.
Erst jetzt erinnerte sich Ludger an das Schwert, das er in der Hand hielt. Mit einigen kräftigen Hieben schlug er den Trieb an seinem Bein durch, der sich daraufhin in die Erde zurückschlängelte.
Hastig stand der Novize auf, sich dem Heer entgegen zu stellen. Ein grimmiges Lächeln lag auf seinem Gesicht.
„Das reicht, ich nehme das jetzt in die Hand!“, brüllte Feldokar und nahm das Pak, das verlassen auf dem Fenstersims lag.
Daved kauerte noch immer auf dem Boden. Er fühlte sich schwach, so schwach, doch er durfte das nicht zulassen.
„Nicht, Feldokar!“, flüsterte er, „Bitte, du darfst das nicht tun.“ Mit beinahe letzter Kraft hob Daved sich selbst wieder auf die Beine. Seine Arme waren bis zu den Ellenbogen taub, aber anscheinend konnte er sie noch bewegen. Für einen kurzen Augenblick wurde ihm schwindelig und er hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen, doch da war nicht mehr als ein bitterer Geschmack in seinem Mund.
„Gib mir das Buch zurück!“, raunte er und ging mit ausgestreckten Armen auf den Abt zu, der ihm mit vor Schrecken geweiteten Augen entgegen blickte. Daved sah den Wahnsinn in ihnen blitzen, Feldokar war nicht mehr Herr seiner selbst.
„Sei vernünftig“, fuhr der hagere Mönch fort. „Sieh doch, was das Pak mit mir gemacht hat. Du hast keine Kontrolle über die Mächte darin, du könntest uns alle umbringen.“
„Das musst du gerade sagen!“, schrie der Abt und seine Stimme überschlug sich. „Ich hätte dir nicht vertrauen sollen, du hattest nie vor, das Kloster zu beschützen. Du willst das Buch alleine für dich haben und damit fliehen, solange wir und die Barbaren von deiner kleinen Falle abgelenkt sind!“
„Nicht, Feldokar.“ Daveds Stimme wurde immer leiser. Er konnte nicht mehr lange reden. Seine Hand näherte sich dem Abt, der zurückweichend das Buch an seine Brust drückte.
Doch der kleine Raum im Glockenturm ließ nicht viel Platz zum Ausweichen zu und so stieß Feldokar schließlich mit dem Fuß gegen die Wand unterhalb des südlichen Fensters, durch das sie den zuvor den Angriff der Raggar beobachtet hatten.
„Gib mir bitte das Buch“, stieß Daved mit flachen Atemzügen hervor. „Ich brauche es.“
Der Abt schüttelte nur wild den Kopf und presste sich gegen die Wand.
„Geh weg, geh weg!“, schrie er. „Du bist…böse! Geh weg!“
Schließlich aber gelang es Daved, die Finger auf das warme Leder des Paks zu legen. Ja, er konnte es tatsächlich fühlen. Die Berührung gab ihm neue Kraft, heiß schoss es durch seine Adern, seine Haltung straffte sich und ein wenig Farbe kehrte in sein Gesicht zurück.
„Ich habe dir gesagt, du sollst mir das Buch geben!“, rief der Mönch uns seine Stimme hallte laut nach allen Seiten, als er mit diesen Worten das Pak aus den Händen des Abtes riss. Dieser stolperte erschrocken zurück, doch da war nichts, wohin er konnte. Daveds triumphierender Blick verschwand, als Feldokar langsam, die Arme wie um Hilfe flehend weit ausgestreckt, rückwärts über den Fenstersims taumelte.
Daved wollte nach vorne stürzen, den Abt festhalten, doch er konnte sich nicht bewegen, der Schreck hatte ihn gelähmt. Und so konnte er nur zusehen, wie Feldokar verzweifelt versuchte, Halt zu finden, keinen fand und schließlich ins Leere fiel. Die Schreie waren nur kurz zu hören, dann gab es einen dumpfen Aufprall und alles war wieder still.
Daved sank zu Boden.
„Nein“, schluchzte er. „Nein nein nein nein nein, das darf nicht sein, nein!“
Er hatte nie jemandem schaden wollen, niemals! Er wollte doch nur helfen, diesen egoistischen Raggar ihren Schatz nehmen und…
Nun waren so viele Menschen gestorben. Er sollte dieses verfluchte Buch einfach fort werfen oder verbrennen und doch…
Sanft strich der Mönch über das warme Leder des Pak.
Noch war es nicht zu spät.
Alef schrie auf, als eine Wurzel direkt vor ihnen aus dem Boden schoss, doch Rebecca zog ihn schnell genug daran vorbei, dass diese sie nicht packen konnte.
Überall war das Chaos. Menschen rannten umher und versuchten, den Pflanzen auszuweichen, doch diese waren überall. Noch immer rannen Tränen über die Wangen des kleinen Jungen, noch immer verstand er nicht, was überhaupt passiert war. Doch er vertraute der großen Frau, die ihn an der Hand hielt. Sie würde wissen, wohin sie zu gehen hatten.
Mittlerweile folgten ihnen einige Menschen, die Äbtissin hatte sie zu sich gerufen. Nur, wohin würden sie gehen? Momentan liefen sie in alle Ecken des Klosters und Rebecca suchte nach Männern und Frauen, die sich versteckt hielten oder von den Pflanzen gefangen waren und nahm diese mit. Doch das Kloster hatte nur einen Ausgang und der war vorne.
Immer wieder krachte Etwas zusammen unter der Last der unzähligen Wurzeln. Kleine und größere Gebäude, selbst Teile der Mauer waren eingestürzt. Nur der Stern mit dem hohen Glockenturm stand noch immer unverrückbar im Zentrum des Klosters, umgeben von unzähligen Ranken, die sich spiralförmig auf seine Mitte zubewegte.
Hätte Alef aufgeblickt, hätte er die Angst in Rebeccas Augen gesehen, die ihre Blicke den Turm hinauf begleitete. Doch er sah nicht auf, hatte die Augen fest auf den Boden vor sich gerichtet, immer in Sorge, er könne sich öffnen und weitere Wurzeln ausspeien.
Sie kamen auf ihn zu wie eine Sturmflut.
Ludger grinste und hob das Schwert, um sie zu erwarten, doch in diesem Moment schloss sich eine Ranke um sein Handgelenk und riss es zurück. Vor Schreck ließ der Novize die Waffe fallen. Weitere Wurzeln kamen hervor und wanden sich um seinen Körper, nahmen ihm jede Möglichkeit, sich zu bewegen.
Immer näher kam die Masse der Kämpfer und er konnte sich nicht einmal mehr verteidigen. Zornig riss Ludger an seinen Fesseln, Verzweiflung wuchs in ihm. Schließlich schloss er die Augen und wartete auf den unvermeidlichen Tod. Das Stampfen der Schritte und die Kriegschreie kamen immer näher, bis sie schließlich direkt vor ihm waren.
Ludger öffnete die Augen und sah sich inmitten einer Horde von Barbaren, die alle an ihm vorbeiliefen.
„Was soll das? Kommt wieder her!“, rief er, doch niemand hörte auf ihn. Die Armee rannte einfach weiter und verteilte sich im Kloster. Keiner von ihnen achtete auf den Novizen, der sie, wenige Handbreit über dem Boden schwebend, mit Flüchen in einer fremden Sprache belegte.
Ludger schrie bis er heiser wurde, doch die unbarmherzige Ranke zog ihn mit durch die Luft und warf ihn schließlich gegen die Mauer des Klosters, an der sein Schädel mit einem dumpfen Geräusch aufprallte.
Das Kloster kam näher, doch die Raggar hatten es bereits gestürmt.
Nur noch ein bisschen schneller, bitte!
Daved lief.
Er wusste, wer hinter ihm her war, doch er wusste auch, wohin er flüchten konnte.
Seine Augen hatten zu weinen versucht, doch sie waren ausgedörrt und so blieb ihm nur das starre Entsetzen über das, was passiert war, was er getan hatte.
Der Wind gab ihm Hilfe, er spürte das. Und die Ranken würden alle aufhalten, nur nicht ihn. Er war wieder im Besitz des Pak, er würde überleben.
Schließlich konnte er es sehen. In der Nordwand des Klosters befand sich eine breite Schneise, freigelegt von den Wurzeln, die er gerufen hatte. Und daneben…
Rebecca stand vor den Trümmern ihres einstigen Zuhauses. Er hörte sie weinen, hörte es ganz deutlich über all den Lärm und die Schreie hinweg, ihr leises Schluchzen, das sie zu unterdrücken versuchte, um stark zu sein für all die Menschen, die zum ihr aufblickten.
Dann sah sie ihn.
„Daved…!“, rief sie und lief auf ihn zu, doch dieser winkte nur ab und zeigte auf das Loch in der Mauer.
„Komm mit, wir haben nicht viel Zeit!“, teilte er ihr eindringlich mit. „Die Barbaren werden jeden Einzelnen von uns töten!“
Die Panik, die nach seinen Worten ausbrach, beachtete der Mönch nicht. Stattdessen lief er selbst voraus zu der Schneise in der Mauer, sprang über den Schutt und wandte sich außen an der Mauer nach Osten.
„Daved, was ist mit meinem Mann?“, fragte die Äbtissin, die zu ihm aufgeschlossen hatte. Unmerklich zuckte der Angesprochene bei dieser Frage zusammen und beschloss, sie lieber nicht zu beantworten.
„Ich zeige dir eine Stelle, an der die Felsen einen kleinen Weg nach unten freigeben. Führe deine Leute dort hinunter, ich muss fliehen. Nur noch ein kleines Stück weiter, warte…hier!“
Daved riss einen kleinen Busch zur Seite und sah grob gehauene Treppen, gut durch die umliegenden Felsen verborgen.
„Viel Glück, Mutter Rebecca,“ sagte er und bevor diese noch einmal das Wort an ihn richten konnte, sprintete der Mönch als Erster den Weg hinunter.
Die Äbtissin sah ihm verwirrt nach und fragte sich, wie er mit dieser Geschwindigkeit hinabsteigen konnte ohne sich zu verletzen. Doch dann besann sie sich auf die Dringlichkeit der Situation und begann, die Leute langsam die versteckte Treppe hinab zu führen.
Ludger!
Schmerz, Licht, Lärm. Nein, das war nicht schön. Da wollte er lieber in dieser sanften Schwärze bleiben.
Ludger, wach auf!
Aufwachen? Warum denn? Es war so schön hier, warm und weich und…
Klatsch
„Wach auf, du Idiot! Bitte, wir haben keine Zeit!“
Benommen hielt sich der Novize mit der Hand die schmerzende Wange. Blinzelnd sah er sich um. Wie lange hatte er geschlafen? Von oben blickte eine Gestalt auf ihn herab, die seltsamerweise seinem Bruder erstaunlich ähnlich sah, nur viel ungepflegter. In der Hand hielt sein Gegenüber das Schwert, das er selbst hatte fallen lassen und überall auf dem Boden waren Pflanzenreste.
Plötzlich kam die Erinnerung zurück und Ludger sprang auf die Beine.
Die Raggar… die Pflanze… Khalid?
„Was…wie kann das sein?“
„Ich weiß, ich sollte noch nicht hier sein, aber das erkläre ich dir später. Komm jetzt bitte mit!“, antwortete Khalid, der Ludgers Verwirrung falsch interpretierte. Er sah nicht das Entsetzen in den gehetzten Augen.
„Nein, nein das ist nicht wahr! Das ist nur ein Trick, du bist tot! Ich habe es gesehen, du bist tot!“
Nein, das ist er nicht. Mach doch deine Augen auf, du Idiot.
Nun war es Khalid, der verwirrt und leicht ängstlich wurde. Was war nur mit seinem Bruder geschehen? Warum benahm er sich so merkwürdig?
Doch sie hatten keine Zeit für diesen Unsinn. Der Halbraggar packte Ludger beim Arm, woraufhin dieser merklich zusammen zuckte.
„Komm jetzt!“, rief er. „Wir können später immer noch darüber reden, ob ich nun tot bin oder nicht.“
Er versuchte, den Größeren hinter sich her zu ziehen, doch das war nicht so einfach. Erst als Ludger schließlich einsah, dass sie tatsächlich sterben würden, wären sie noch lange hier, liefen sie los.
Doch in Ludgers Geist tobte ein Wirbelsturm von Gedanken.
Khalid? Wirklich? Ja, ich spüre es. Welche Grausamkeit ist das nun wieder?
Gemeinsam verließen sie hastig die Ruinen des Klosters durch das Südtor, während hinter ihnen der Glockenturm mit einem gewaltigen Krachen hinunterstürzte und zahllose Raggar unter sich begrub.
Nur wenige Augenblicke später wurde es still. Die Pflanzen, die ihr Zerstörungswerk angerichtet hatten, zogen sich zurück. Den Raggar wurde schließlich nach der Durchsuchung jedes einzelnen Gebäudes klar, dass Daved das Kloster verlassen haben musste. Auch die Druiden spürten zwar die Existenz des Pak in der Luft, doch nicht mehr so stark wie zuvor.
Es entstand Uneinigkeit darüber, ob man Daved verfolgen oder den Feldzug fortsetzen sollte. Die Raggar waren euphorisch nach dem Angriff. Auch sie hatten Männer verloren, doch das war dem Pak zuzuschreiben und dieses befand sich auf dem Weg fort von hier. Den Stimmen, die sich gegen die Verfolgung von Daved und für den Angriff der südlichen Länder ausgesprochen hatten, schlossen sich nun weitere Raggar an und so wurde trotz des Protestes seitens der Druiden für die Nacht Rast vor den Ruinen des Lauranerklosters gemacht.
Niemand bemerkte dabei den kleinen, bärtigen Mann, der leise vor sich hinmurmelnd das Kloster verließ und zu seiner Hütte im Wald zurückkehrte.
Von Nymphadora
Am 19.09.2008 um 23:34 Uhr
Ich fand dein Kapitel auch vorher schon richtig klasse.
Tatsächlich hast du es aber geschafft, durch kleine Veränderungen und Zusätze hier und da, das Ganze noch intensiver zu machen.
Besonders die Szene zwischen Khalid und Ludger gefällt mir jetzt noch besser!
(Ja, ich weiß... noch, noch, noch...)
Nana Nymphadore
Von Paglim
Am 19.09.2008 um 09:07 Uhr
Trotzdem würde ich mich natürlich freuen, wenn du diese Detailkritik auch für den nächsten Teil des Kapitels fortführen würdest, sofern du Zeit hast.
Nun zu deiner Kritik:
Die Bewohner
>waren (hatten sich) schon lange auf diesen (diese Situation) Moment
>vorbereitet
Ist ja eigentlich nur eine Abänderung von Passiv in Aktiv, aber ok, hab ich gemacht.
Die Wächter am Tor
>würden die Aufgabe haben, die
>Hereinkommenden zu zählen und (um) sicher zu
>stellen, dass keine Familie fehlte.
-Wie wollen sie das sicherstellen?
Nun, indem sie die Familien des Dorfes zählen. So viele Leute wohnen da nicht, da kann man so schon den Überblick haben
Neben ihm gab die Glocke einen
>ohrenbetäubenden Lärm von sich, den
>Daved aber kaum bemerkte.
Bemerken wird er ihn schon, aber keine Beachtung schenken.
ok, geändert
Besitz des Pak war, war er in der Lage,
>seine Sinne zu kontrollieren, zumindest
>ein wenig.
Konnte er das vorher nicht? was verstehst du unter Sinne kontrollieren - sind es höhere Sine oder Sinne abschalten, um sich auf einen bestimmten zu konzentrieren.
ok, ist genauer erläutert[b]
Das Kloster war in guter Position, einer
>Belagerung stand zu halten. Der einzige
>Zugang war über den Hügel am großen
>Südtor zu erreichen, an allen anderen
klingt etwas umständlich formuliert
[b]inwiefern umständlich? kann da nichts dergleichen erkennen?
Es war
>seit jeher ein ehernes Gesetz des
>Krieges, dass nachts nicht gekämpft
>werde, doch wer wusste schon, ob diese
>Menschen sich daran halten würden.
Das klingt schon zu sehr nach Germanistikstudent (ich weiß du bist einer) Auch wenn der Konjunktiv 1 hier bestimmt nicht falsch ist, klingt er für den Laien doch sehr merkwürdig.Und Menschen würde ich durch einen anderen Begriff ersetzen (Barbaren vielleicht, oder sieht er sie nicht als Feinde?)ansonsten hast eine unschöne Wortwiederholung im folgenden Satz.
ich habe das jetzt einfach durch "sie" ersetzt. Daved bezeichnet sie nicht als Barbaren, weil er selbst zur Hälfte Raggar ist
Plötzlich registrierte der Mönch, dass
>das Glockengeläut offensichtlich geendet
>hatte, stattdessen bemerkte er, wie
>jemand die Leiter zum Turm hinaufstieg.
Hier sind gleich mehrere Sachen. Zum einen wenn er es vorher kaum wahrnahm, wie hat er es dann bemerken können und warum offensichtlich, es ist doch klar! Und dann verstehe ich auch da sstattdessen nicht. wirkt insgesamt zu abgehackt und nicht kausal.
Ich habe offensichtlich durch anscheinend ersetzt. Ist vielleicht nicht ganz leicht verständlich, ist halt so gemeint, dass er etwas verspätet(da sein Hörsinn "abgestumpft" war) bemerkt, dass die Glocken gar nicht mehr läuten (ist hier perspektivisch beschrieben im Sinne von "Oh, anscheinend läuten die Glocken schon länger nicht mehr und ich habe es nicht bemerkt."). Das stattdessen ist auf das Läuten bezogen. Er bemerkt also ein anderes Geräusch statt des Läutens. Vermutlich etwas umständlich, aber mir gefällts halt so
zahlreicher als sonst,
>als wäre er in den vergangen Wochen um
>Jahre gealtert
Warum Wochen, er hat ihn doch erst vor kurzem gesehen und da ist ihm das nicht aufgefallen. nimm kurzer Zeit stattdessen.
ja, ist ok, hab ich gemacht
Nun, auch er selbst
>hatte sich schließlich seit einiger Zeit
>stark verändert
Bezieht sich das dann auch auf sein Aussehen? und statt einiger Zeit - in den letzten Tagen... Wochen oder seit dem Tod seines Bruders.
das bezieht sich auf Aussehen, Gesundheit, Charackter, wird ja alles so nebenher beschrieben. Musste jetzt notwendigerweise das einiger Zeit wegnehmen, weil ich es ja im Satz zuvor untergebracht habe. Und warum seit dem Tod seines Bruders? Es geht um Daved, nicht um Ludger
Er war immer
>müde und konnte doch nicht schlafen.
>Hunger und Durst hatte er nur noch
>selten, ständig war ihm übel und die
Durch das doch klingt es wie eine Rechtfertigung
du musst die Betonung anders setzen. Er ist müde, also sollte er an sich schlafen können. das doch fungiert hier wie ein trotzdem oder ein dennoch
hinaus und erneuerten den Feuerteppich
ist es schon ein Feuerteppich oder ein Ölteppich ( ich meine mich zu erinnern, das die Pfeile ihn entzünden)
Sie nennen das Feuerteppich, auch wenn es ein Ölteppich ist. Der Name wird mehrmals erwähnt
Ich möchte die Szene nur sehr ungern kürzen, weil es mir wichtig erscheint, dass die Gefühle aller Charaktere während der Vorbereitungen und direkt vor dem Angriff klar werden. Außerdem nutze ich das ganze als retardierendes Moment.
Von Jason-Potter
Am 18.09.2008 um 20:50 Uhr
Nimm dir daraus was du brauchst, und wie gesagt es ist sehr pingelig und nur als Anregung gedacht.
Die Bewohner
>waren (hatten sich) schon lange auf diesen (diese Situation) Moment
>vorbereitet
Die Wächter am Tor
>würden die Aufgabe haben, die
>Hereinkommenden zu zählen und (um) sicher zu
>stellen, dass keine Familie fehlte.
-Wie wollen sie das sicherstellen?
Neben ihm gab die Glocke einen
>ohrenbetäubenden Lärm von sich, den
>Daved aber kaum bemerkte.
Bemerken wird er ihn schon, aber keine Beachtung schenken.
Besitz des Pak war, war er in der Lage,
>seine Sinne zu kontrollieren, zumindest
>ein wenig.
Konnte er das vorher nicht? was verstehst du unter Sinne kontrollieren - sind es höhere Sine oder Sinne abschalten, um sich auf einen bestimmten zu konzentrieren.
Das Kloster war in guter Position, einer
>Belagerung stand zu halten. Der einzige
>Zugang war über den Hügel am großen
>Südtor zu erreichen, an allen anderen
klingt etwas umständlich formuliert
Es war
>seit jeher ein ehernes Gesetz des
>Krieges, dass nachts nicht gekämpft
>werde, doch wer wusste schon, ob diese
>Menschen sich daran halten würden.
Das klingt schon zu sehr nach Germanistikstudent (ich weiß du bist einer) Auch wenn der Konjunktiv 1 hier bestimmt nicht falsch ist, klingt er für den Laien doch sehr merkwürdig.Und Menschen würde ich durch einen anderen Begriff ersetzen (Barbaren vielleicht, oder sieht er sie nicht als Feinde?)ansonsten hast eine unschöne Wortwiederholung im folgenden Satz.
Plötzlich registrierte der Mönch, dass
>das Glockengeläut offensichtlich geendet
>hatte, stattdessen bemerkte er, wie
>jemand die Leiter zum Turm hinaufstieg.
Hier sind gleich mehrere Sachen. Zum einen wenn er es vorher kaum wahrnahm, wie hat er es dann bemerken können und warum offensichtlich, es ist doch klar! Und dann verstehe ich auch da sstattdessen nicht. wirkt insgesamt zu abgehackt und nicht kausal.
zahlreicher als sonst,
>als wäre er in den vergangen Wochen um
>Jahre gealtert
Warum Wochen, er hat ihn doch erst vor kurzem gesehen und da ist ihm das nicht aufgefallen. nimm kurzer Zeit stattdessen.
Nun, auch er selbst
>hatte sich schließlich seit einiger Zeit
>stark verändert
Bezieht sich das dann auch auf sein Aussehen? und statt einiger Zeit - in den letzten Tagen... Wochen oder seit dem Tod seines Bruders.
Er war immer
>müde und konnte doch nicht schlafen.
>Hunger und Durst hatte er nur noch
>selten, ständig war ihm übel und die
Durch das doch klingt es wie eine Rechtfertigung
hinaus und erneuerten den Feuerteppich
ist es schon ein Feuerteppich oder ein Ölteppich ( ich meine mich zu erinnern, das die Pfeile ihn entzünden)
Die Stille war unheimlich. Kein Laut
>drang in die Nacht, es war, als hielte
>das Kloster selbst den Atem an.
sehr schöner Satz
Zwei Dinge geschahen nun gleichzeitig
>und ließen Alef das Herz stocken.
>Zum Einen zerriss das plötzliche
>Flügelschlagen unzähliger Vögel die
>Stille der Nacht, zum Anderen erhoben
>alle Barbaren zugleich ihre Stimmen und
>ließen ein Kriegsgeschrei hören, dass
>selbst die Erde davon zu zittern schien.
>Alef gefror das Blut in den Adern.
sehr schöne Szene auch nachfolgend noch
Nun gut.“ Daved seufzte, legte eine
>Hand auf die Seiten des Buches und
>schloss die Augen.
>
bis hierhin habe ich jetzt gelesen und werde den Rest morgen weiter machen, wenn du das wünschst. Insgesamt kann ich sagen: Den Anfang hast du dieses Mal etwas statisch gestaltet, aber der Rest ist genial wie immer - siehst du ja an der Folge der von mir kritisierten Stellen.
Ist auch eine undankbare Szene, vielleicht solltest du sie soweit kürzen, dass das Feeling der Vorbereitungen zwar noch rüberkommt aber nicht so sehr darin aussschweifen und begründend wirken, der Leser kommt auch so damit zurecht.
Wie gesagt das war jetzt sehr pingelig und eigentlich kritisiere ich dich nicht gerne, weil du viel besser schreibst als ich. Aber andersrum waren es jene Punkte, bei denen ich beim Lesen etwas ins Stocken kam.
LG Ralf
Von Jason-Potter
Am 18.09.2008 um 12:53 Uhr
LG Ralf
Von Paglim
Am 17.09.2008 um 13:26 Uhr
Werde im Endeffekt wohl die Szene, in der Feldokar stirbt und diejenige, in der die Brüder sich treffen, überarbeiten und emotionaler machen.
Von Nymphadora
Am 17.09.2008 um 10:42 Uhr
Ich bin mal deine "Vorwürfe" durchgegangen.
-Keine Schlacht.
Tja, Geschmäcker sind eben verschieden. Gerade das eben keine Schlacht kommt, finde ich psychologisch gesehen so spannend. Beide Seiten erwarten die Schlacht, freuen sich nicht darauf, aber rechnen eben damit.
Ich vermute mal, daß später in deiner Geschichte noch die eine oder andere Schlacht kommt. Einfach sinnlos draufkloppen kann jeder. Geschickte, unerwartete Wendungen einbauen, finde ich persönlich viel interessanter.
-fehlende Emotionen.
Na gut, ein Psychothrillerkapitel ist es nicht, aber ich finde es durchaus emotional. Außerdem hatte ich so ein Bild vor Augen, daß sie viel zu schnell reagieren müssen, als dass sie die ganze Zeit darüber nachdenken könnten, was sie gerade fühlen. Auch das natürlich Geschmackssache.
-Der schnelle Tod des flachen Charakter Feldokars
Tut mir leid für den alten Mann, aber der hatte doch wohl ausgedient. Wenn du eine Figur nicht mehr brauchst, musst du sie halt entsor...!
Du entscheidest, welche Figuren dein Buch braucht, niemand sonst! (Sonst wäre das Ende von Harry Potter wohl auch ganz anders geworden, stimmt´s?)
-Ludger soll begreifen, daß er lebt
Na ja, sooo lange hat er ja nun auch nicht gebraucht. Vor ein paar Tagen war der junge Spund noch ein unbeschwerter Knabe. Da darf er ruhig ein bißchen langsam sein.
Tja, das ist meine Meinung dazu.
Alle angaben sind ohne Gewähr.
Nana Nymphadore
Von Paglim
Am 16.09.2008 um 22:47 Uhr
1. Es wurde ein wenig enttäuscht darauf reagiert, dass es zu keiner epischen Schlacht gekommen ist, sondern stattdessen die Wurzeln auftauchen und alles kaputt machen.
2. Es geschieht alles recht plötzlich und es fehlt stellenweise an Emotionen
3. Feldokar stirbt zu früh, er wirkt als Charakter zu diesem Zeitpunkt recht flach
4. Das Wiedersehen der beiden Brüder wirkt recht klischeehaft. Ludger sollte schneller begreifen, dass er noch nicht tot ist.
Ich möchte einfach nur gern ein paar weitere Meinungen hören. Denn besonders wenn ich den ersten Rat befolge und doch eine Schlacht mit den Raggar stattfinden lasse (wie ich es ursprünglich auch vorhatte), müsste ich so ziemlich alles über den Haufen werfen und neu schreiben.
Von Paglim
Am 16.09.2008 um 19:17 Uhr
Ich habe alle deine Korrekturvorschläge berügtsichtigt, bis auf den letzten, das möchte ich gern so lassen, da es semantisch was verändern würde.
Danke, dass du so genau hingeschaut hast!
Ich weiß auch net richtig, was mich stört...hab recht lang am Wochenende, gestern und heute an dem Kapitel geschrieben und es ging auch recht flüssig. Vielleicht ärger ich mich einfach, dass es einfach ganz anders gelaufen ist als ich geplant habe. Ich wollte eigentlich was ganz anderes schreiben, aber irgendwo kam jetzt halt das heraus und am Ende war ich selbst irgendwie ein bisschen verwundert...^^hat sich verselbständigt das Kapitel