Es gibt Menschen, gegen die man aufgrund ihrer Gabe eine regelrechte Phobie entwickelt. Anke ist so ein begnadetes Wesen. Als Gott das Reden verteilte, muss Anke wohl besonders kräftig zugelangt haben.
Nachdem man die wichtigen Dinge des Tages hinter sich gebracht hatte, freut man sich auf einen gemütlichen Abend zu zweit auf dem Sofa. Auf dem Tisch ein Glas Wein, im Arm die Frau und im TV ein guter Film. Das Leben kann so schön sein...oder besser gesagt, könnte so schön sein. Als wäre der Film mit der Telekom verbunden, klingelte genau in dem Moment, als der Film anfing, das Telefon. Da ich von Natur aus ein Telefonmuffel bin, bestimmte ich kurz: "Du gehst.", worauf meine Frau ebenso kurz erwiderte: "War klar."
Sie drückte die Taste am Telefon, meldete sich kurz mit Namen und jauchzte dann: "Hallo Anke. Wie geht es dir?" Nachdem Anke dann wohl kurz ihren Bericht über den allgemeinen Gesundheitszustand abgegeben hatte, kamen die entscheidenden Worte: "Wann? Gleich? Ja super! Dann in 20 Minuten." Noch während meine liebe Frau diese Worte sagte, versuchte ich ihr wild gestikulierend klar zu machen, dass das nun wirklich nicht nötig sei. Aber sie dachte anscheinend, dass ich nur die lästige Fliege vertreiben wollte, die mich schon eine Weile nervte und legte auf.
In meinen Augen stand die Panik und meine Haare richteten sich auf, als hätte ich in eine Starkstromdose gefasst. "Jetzt sag' nicht, Anke kommt." sagte ich mit einem kleinen Funken von Hoffnung in der Stimme. Vielleicht hatte ich da ja auch nur etwas falsch verstanden. Hatte ich nicht! "Ja mein Schatz, stell' dir vor. Anke ist in der Nähe und kommt nachher kurz auf einen Kaffee vorbei." flötete meine bessere Hälfte. Von wegen eine Tasse Kaffee. Und "kurz" schon mal gar nicht! Ich kenne doch Anke.
Jetzt half nur noch eines: FLUCHT!
"Ähm...Schatz, da fällt mir ein...ich muss auch noch mal kurz weg. Dauert aber nicht lange." versuchte ich mich wegzustehlen. Zwei Dinge überzeugten mich davon, dass es besser ist, zu bleiben. Zum einen der böse Blick meiner Frau, der einem Kinnhaken gleich kam und zum anderen zwei kurze Sätze. "Nix da! Du bleibst!" was sich ungefähr genauso anhörte wie "Stehen bleiben! Polizei!". "Außerdem ist es unhöflich, wenn du jetzt verschwindest" legte sie nach. Bevor ich die Sache ausdiskutieren konnte, klingelte es auch schon an der Tür und kurz danach betrat Anke das Wohnzimmer.
Da stand sie nun. Ein fleischgewordenes Schnellfeuergewehr, eine blondgefärbte Uzi. Kaum trafen sich unsere Handflächen zur Begrüßung, legte sie auch schon los. "Wie geht es dir? Wir haben uns ja auch schon ewig nicht gesehen.". Bevor ich überhaupt die Luft zum Antworten einatmen konnte, legte sie schon nach. "Hast du zugenommen? Steht dir aber gut. Ich soll dich von Stefan grüßen. Der macht ja nun viel Sport, damit er fit bleibt...". Anke war keine zehn Minuten da, und schon schwoll mir der Kamm.
Anke setzte sich in den Sessel und beschoss mich mit ihrer oralen Buchstabenschleuder mit Neuigkeiten. Da es mir nicht möglich war, ihren Redeschwall zu unterbrechen, beschloss ich, meine Gegenkommentare auf das Nicken oder Schütteln meines Kopfes zu beschränken. Nachdem meine Frau mit dem Kaffee einschwebte, konnte ich mich wieder dem Film zuwenden...dachte ich.
Ratatata...maschinenpistolenartig feuerte sie mir die Buchstaben um die Ohren. "Gott, wenn es dich gibt, mach mich taub oder sie stumm". Aber nichts geschah. Auch der Versuch, Anke mit der Fernbedienung des Fernsehers zu manipulieren, scheiterte kläglich. Irgendwann stellte ich mir sogar die Frage, ob man für so ein Mundwerk eigentlich einen Waffenschein braucht. Was mich aber noch mehr wunderte war, dass meine Frau dem Wörterkrieg durchaus gewachsen war und im Gegensatz zu mir es mit Leichtigkeit schaffte, sich nahtlos dem Redefluss von Anke anzupassen.
Geschlagene drei Stunden stand ich unter Beschuss, dann beschloss unser Gast, sich auf den Heimweg zu machen. Nicht, dass ihr der Gesprächsstoff ausgegangen wäre. Im Gegenteil. Es gäbe ja noch sooo viel zu erzählen. Alleine dem Umstand, dass Anke am nächsten morgen wieder früh raus musste, verdankte ich meine Erlösung. Als Anke mir mit den Worten "Du hast aber auch schon mal mehr erzählt" die Hand zu Abschied reichte, war ich kurz vorm Platzen.
Die beiden Frauen verabschiedeten sich überschwänglich an der Tür und versprachen sich, recht bald wieder einmal so einen gemütlichen Abend zu verbringen...was mir eine erneute Gänsehaut bescherte. Als Anke dann draußen war, setzte sich meine Frau neben mich und säuselte: "Na siehste Schatz, war doch gar nicht so schlimm". Nicht schlimm? Mein Kopf brummte wie ein Hornissennest und irgendwie schien die größte Hornisse immer noch die Stimme von Anke zu haben.
Auf meine Frage "Wie hältst du das nur aus?" grinste mich mein Engel nur frech an und antwortete: "Du bist keine Frau. Das verstehst du nicht."
Wo sie Recht hat, hat sie Recht.
by Frank Neumann
Von Nicole
Am 26.03.2009 um 11:12 Uhr
Klasse geschrieben.
Gruß
Julchen
zuletzt geändert am 26.03.2009 um 11:13 Uhr.
Von Manori
Am 03.01.2008 um 14:00 Uhr