Schon lange war mir jeden Tag übel. Essen? – Mir war schon schlecht, wenn beim Kochen die eigentlich leckeren Düfte aufstiegen.
Meine Eltern freuten sich – das erste Enkelkind. Meine Schwiegereltern freuten sich auch – das erste Enkelkind.
Dann ging es los – Ende des dritten Monats. „Unregelmäßigkeiten“ nannte es die Frauenärztin. „Keine Sorge, dass passiert vielen.“ hat sie gesagt. Und mich krankgeschrieben. Viel Ruhe, keine körperliche Belastung. Als die „Unregelmäßigkeiten“ nach einer Woche nicht aufhörten, bekam ich eine Überweisung zum Ultraschall. Wäre ohnehin zwei Wochen später fällig gewesen.
Die ganze Fahrt zur Klinik, zur Ultraschalluntersuchung war ich aufgeregt – voller Vorfreude. Endlich mein Baby sehen!!!! Mein Baby!!!
Warten – Aufgerufen – auf die Pritsche legen – Ultraschall. Ein verschwommenes Bild. Und ein fluchender Arzt: „Schon wieder kaputt. Der Service war doch erst da. Sch…!!!“. Also ein anderes Gerät, na endlich. Das Bild war wieder so undeutlich. Und dann der Arzt, kühl und nüchtern: „Der Fötus ist abgestorben. Das Verschwommene sagt, dass sich der Fötus bereits in der Auflösung befindet und sich Leichengift bildet. Sie müssen hier bleiben und heute noch operiert werden.“
Leere.
Das Gefühl, zu stürzen. Ins Bodenlose zu stürzen. Kein Halt. Ungebremst.
Der Arzt sah mich an und meinte: „Das müssen Sie doch mindestens geahnt haben. Hat Ihre Frauenärztin Ihnen nichts gesagt?“
Hilfloses Kopfschütteln. Dann Tränen – ohne Erleichterung. Ein hilfloser Arzt, die Schwester drückt mir etwas in die Hand. Die nüchterne Mitteilung, wo die Anmeldung ist. Wie durch dicke Watte.
Gänge zum Telefon – wie sag ich es Mario – eine nebensächliche Frage. Mein Kind!!!! Eine Frau am Telefon. Sie erzählt jemandem von ihrer Entbindung – endlos mit allen Details. Geh doch endlich- ich will das nicht mit anhören müssen!!!! Warum Du und nicht ich???? Marios Chef am Telefon. Hat mich kaum verstanden vor lauter Schluchzern. Hat es dann endlich doch begriffen. Und wieder endlose Gänge. Kaum erkennbar erst durch einen Tränenschleier. Dann kein Schleier mehr, trockenes Schluchzen, wie ein Krampf. Eine Schwester begleitet mich, ein Krankenhauszimmer, noch mehr Schwestern, ein Krankenhaushemd. Fragen, Antworten – die Leere bleibt. Das Schluchzen bleibt. Tabletten, Spritzen, OP. Ein grelles Licht. Leere….
Irgendwann Erwachen. Lauwarme Milch am Bett, eine Zimmergenossin endlos am Reden. Geht links rein und rechts raus. Die Leere bleibt. Endlose Leere. Fühlt sich ein Tod so an?
Zwei Tage später Entlassung. Eine leere Wohnung, Mario arbeitet. Die Wohnung ist so leer wie ich mich fühle. Die Leere bleibt, kein Essen, keine Gespräche füllen sie. Warum also essen oder reden?
Irgendwann wacht etwas in mir auf. Eine Art „Überlebensinstinkt“? Essen, arbeiten. Später eine Katze. Hat Mario angeschleppt, ganz klein und ziemlich krank. Die Katze aufpäppeln füllt etwas die Leere.
Wieder schwanger. Die Leere ist weg, jetzt kommt die Angst. Nicht noch einmal!!!!!!
DAVID!!!!