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SEYCOONS (2) - von Aabatyron, 31.12.2009
Seycoons


Kapitel 2: Der Parasit


Frank war unter seinen Kollegen sehr beliebt. Schon seit mehr als 20 Jahren verrichtete er seinen Dienst bei der Polizei. Man schrieb den 20 Dezember 2009 – Vorweihnachtszeit. Es gab in diesen Tagen häufige Anzeigen wegen Taschendiebstählen und kleineren Einbrüchen. Die Diebe nutzten das Gedränge in den Einkaufspassagen aus, um den Leuten geschickt das Geld aus der Tasche zu ziehen. Freilich warnte die Polizei immer davor, die Geldbörse in der offenen Tasche zu tragen – aber viele vergaßen diese Warnung in der Einkaufshektik und merkten erst dann, wenn sie ihre Waren bezahlen wollten, dass sie bestohlen worden waren. Das Schlimme war, dass man häufig die Diebe nicht erwischen konnte – sie verschwanden meist unerkannt in der Menschenmenge.

Es war schon am späten Nachmittag – draußen fing es bereits an zu dunkeln - als wieder ein Notruf einging. Ein Mädchen war im Stadtpark gefunden worden. Frank musste mit seinem Kollegen Thomas zum Einsatzort fahren.

Die Notärzte waren schon anwesend als sie beim Stadtpark ankamen. Laut Auskunft der Ärzte hatte das Mädchen eine Unterkühlung und es waren keine Gewalteinwirkungen an ihrem Körper feststellbar. Sie hatte keinen Alkohol getrunken und anscheinend auch keine Drogen genommen. Das war wirklich eine seltsame Geschichte. Da das Mädchen splitternackt war, vermutete Thomas, dass man die junge Frau vielleicht vergewaltigt, und dann in das Gebüsch gezerrt hatte.

Soweit die Ärzte feststellen konnten, zeigte das Mädchen allerdings keine Anzeichen einer Vergewaltigung.

Frank suchte mit seinem Kollegen die Umgegend auf Spuren ab. Nichts – keine Kleidungsstücke, keine Schleifspuren oder Anzeichen eines Kampfes. Selbst auf dem weichen durchnässten Boden konnten sie außer den Fußabdrücken des jungen Mannes, der das Mädchen gefunden hatte, nichts entdecken.

„Das gibt es doch nicht“, dachte Frank laut nach, „das Mädchen kann doch nicht vom Himmel gefallen sein“.

Ein Anruf bei der Zentrale mit einer genauen Personenbeschreibung brachte auch keine weitere Informationen. Die junge Frau wurde nicht vermisst.

Frank suchte am Liegeplatz noch einmal alles ganz genau nach irgend welchen Spuren ab, während sein Kollege sich mit dem jungen Mann unterhielt und den Krankentransport organisierte.

„Das Mädchen muss doch irgend wie hierher gekommen sein – das gibt es doch gar nicht, dass da keine Spuren zu sehen sind“, murmelte er leise vor sich hin.

Er richtete den Schein seiner Taschenlampe auf das Gestrüpp um den Fundort. „Thomas, das musst du dir unbedingt einmal ansehen“, rief er plötzlich seinen Kollegen.

„Einen Moment noch, ich bin hier gleich fertig“, kam als Antwort während man das Motorgeräusch des wegfahrenden Krankentransportes hörte. „Wenn wir noch Fragen an sie haben, melden wir uns bei ihnen“, hörte Frank seinen Kollegen an den jungen Mann gerichtet sagen. Der Notarztwagen fuhr ebenfalls ab.

Jetzt eilte Thomas zu dem Gebüsch um sich die Entdeckung seines Kollegen zeigen zu lassen. „Das sieht ja wirklich seltsam aus“, entfuhr es Thomas, als auch er den Schein seiner Taschenlampe auf die umliegenden Sträucher richtete.“

„Wie wenn jemand die Sträucher rund um den Liegeplatz fein säuberlich abgeschnitten hätte“, stellte Thomas fest. „Aber wo sind die abgetrennten Zweige?“, wollte Frank wissen.

Frank betastete eine der Schnittstellen an einem dickeren Zweig. „Glatt wie poliert – das kann unmöglich mit einem Messer abgeschnitten worden sein“, stellte er fest. Zur Sicherheit machte er mit der Kamera Bilder und trennte ein paar Zweige für eine Laboruntersuchung ab. So etwas Seltsames hatte er in 20 Jahren Polizeidienst noch nicht erlebt.

„Da, sieh mal“, meinte plötzlich Thomas und leuchtete auf etwas, das aussah wie ein Stück vom Fell eines Maulwurfs. „Pass auf, das könnte vielleicht dem Mädchen gehört haben, möglicherweise ein Rest ihrer Kleidung“, warnte Frank seinen Kollegen, das Beweisstück zu sichern. Er zog sich Siliconhandschuhe an, damit er den Fund in eine Plastiktüte befördern konnte.

Vorsichtig hob er das „Fellstück“ an. „Das ist bestimmt nicht von der Kleidung des Mädchens“, stellte er zu seinem Kollegen gewandt fest, „Das sind die Überreste von einem toten Tier welches hier verendet ist“. Unter dem Fellstück wimmelte es von Kleintieren die sich vermutlich über den Kadaver hergemacht hatten.

Thomas leuchte auf die Stelle, an der Frank das Fellstück zur Seite gezogen hatte. „Hast du schon so riesige Würmer gesehen?“, staunte er.

„Oh verdammt – jetzt hat mich so ein Vieh auch noch gebissen“, schimpfte Frank und ließ das Fellstück fallen wie eine heiße Kartoffel.

Tatsächlich hatte sich so ein „Wurm“ an seinem Daumen festgebissen – trotz des Siliconhandschuhs. Instinktiv packte Frank mit der anderen Hand den Riesenwurm, riss ihn von seinem Daumen und schleuderte ihn ins Gebüsch. „Die Drecksbiester werden auch immer aggressiver“, schimpfte er und presste seinen Daumen zusammen damit etwas Blut aus der Wunde quoll - und hoffentlich alle Krankheiterreger mit ausspühlte.

„Das musst du gleich versorgen lassen wenn wir im Revier zurück sind“, riet Thomas mit ernster Stimme.

„Die lachen mich ja aus, wenn ich dem Arzt erkläre, dass mich ein Wurm gebissen hat“, wehrte Frank ab. Er richtete den Schein der Taschenlampe auf die Stelle an seinem Daumen wo dieses Vieh zugebissen hatte. „Das ist nicht so schlimm, da kann man gar nichts mehr sehen“, beruhigte er sich selbst.

Zurück im Revier gab allerdings Thomas keine Ruhe, bis sein Kollege sich vom Amtsarzt behandeln ließ.

Der Arzt schaute sich den Daumen von Frank ganz genau an. „Gebissen worden? Von einem Wurm?“, wollte er noch einmal wissen. Frank nickte bestätigend. „Würmer die es bei uns in Deutschland gibt, beißen nicht – und vor allem nicht durch Siliconhandschuhe hindurch“, stellte er fachmännisch fest. „In Afrika gibt es Würmer, die fressen sich von den Füßen durch den ganzen Körper durch – aber diese Biester können in unseren Regionen Gottseidank nicht überleben“, klärte er Frank noch auf. Die Vorstellung, von so einem Vieh gebissen worden zu sein, trieb Frank schlagartig eine blasse Fähle ins Gesicht.

„Immer ruhig bleiben“, besänftigte der Arzt in fast belustigter Form, „das was dich erwischt hat war vermutlich ein großer Tausendfüßler. Diese Tiere sind Fleischfresser und können schon mal ganz schön kräftig mit ihren Zangen zupacken. Die Wunde ist jetzt desinfiziert und eine vorsorgliche Spritze verhindert, dass es zu einer Infektion kommen wird“. Frank entspannte sich wieder. „Diese Tiere fressen häufig auch Aas – das darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen wenn man von ihnen gezwickt worden ist. Es war richtig, dass du dich gleich behandeln lassen hast“, bestätigte er Frank, dass die Wundversorgung doch notwendig gewesen war.

„Tausendfüßler? Das war nie und nimmer ein Tausendfüßler“, sinnierte Frank, als er das Arztzimmer verließ. Hatte er sich in dem Halbdunkel vielleicht so getäuscht?


„Na, ist der Daumen noch dran?“, wurde er gleich von seinen Kollegen begrüßt. Natürlich hatte es sich schon auf dem Revier herumgesprochen dass Frank mit einem „Lindwurm“ gekämpft hatte. Die grinsenden Gesichter sagten mehr als tausend Worte.

„Der Arzt meint, es sei ein großer Tausendfüßler gewesen und es war richtig, die kleine Wunde behandeln zu lassen“, verteidigte sich Frank. Der Spott war ihm allerdings trotzdem vermutlich für die nächsten Tage sicher.


Mitten in der Nacht wurde Frank geweckt. Er wusste zuerst nicht, ob es der pochende Schmerz in seinem Daumen war, der ihn hatte wach werden lassen, oder die Geräusche draußen auf der Straße vor seinem Haus.

„Was um alles in der Welt....“, murmelte er und versuchte den Schlaf aus seinen Augen zu reiben. „Was ist denn da draußen los?“, wollte auch seine jetzt ebenfalls durch den Krawall wach gewordene Frau wissen.

Da waren sie auch schon an seiner Wohnungstür. „Sofort öffen!“, erklang eine energische Stimme im Befehlston.

Frank kannte solche Einsätze. Die Männer da draußen waren alle mit Schutzanzügen bekleidet und die Fahrzeuge dienten dem Transport von Personen, die sich mit hoch ansteckenden Vieren infiziert hatten.

Frank öffnete die Türe und wollte den Grund für diesen Einsatz wissen. „Sie und ihre Familie müssen sofort mitkommen“, wurde er statt einer Antwort aufgefordert. Da standen sogar vom Millitär Wachen mit Gewehren.

„Mit wem haben sie in den letzten zehn Stunden privat Kontakt gehabt“, wurde Frank als nächstes gefragt. Er war gleich nach seiner Schicht nach hause gegangen und hatte deshalb nur mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter Kontakt gehabt.

„Sie waren doch dabei, als man die junge Frau vom Stadtpark gefunden hat“, erklärte jetzt der Einsatzleiter als Frank und seine Familie in dem hermetisch abgeschlossenen Raum in dem Containerwagen saßen. Frank nickte bestätigend, wußte aber trotzdem nicht, was dies alles zu bedeuten hatte. Der Einsatzleiter erklärte weiter: „Diese junge Frau ist vermutlich mit einem hoch ansteckenden gefährlichen Virus infiziert. Jeder der mit ihr Kontakt gehabt hat, muss sich einer Untersuchung unterziehen“. Frank wurde blass. Er fühlte das Pochen in seinem Daumen und dachte sofort, dass er sich vermutlich bei dem Biss auch infiziert hatte.

Im Containerwagen konnte man nur das Geräusch des Motors hören, und fühlen, wann die Straße etwas uneben war. Wohin man sie fuhr konnte keiner erkennen – es gab keine Fenster.


Es war ein Militärgelände auf dem man normalerweise Versuche für die biologische Kriegsführung durchführte. Die Labors dort waren mit den besten Schutzeinrichtungen ausgerüstet und hatten den höchsten Sicherheitslevel den es derzeit gab, um das Entweichen von Vieren zu verhindern und sie unschädlich zu machen.

Frank fand in dem Quarantäneraum all seine Kollegen wieder, die am gestrigen Tag zusammen mit ihm Dienst gehabt hatten. Jeder war in einer kleinen Zelle aus durchsichtiger Kunststofffolie untergebracht. „Damit nicht die Infizierten die anderen anstecken“, wurde ihm erklärt. Allerdings konnten alle miteinander kommunizieren.

Den Jungen, welcher das Mädchen im Park gefunden hatte, und seine Familie hatte man ebenfalls in diese Quarantänestation gebracht.

„Bitte bewahren sie Ruhe. Wir werden jeden untersuchen um festzustellen, ob er mit dem unbekannten Virus infiziert ist“, kam plötzlich eine Durchsage.

Die beiden Assistenten vom städtischen Krankenhaus hatte man gründlich untersucht und festgestellt, dass der gefährliche Virus sehr kurzlebig sein musste. Sie waren schon wieder auf dem Weg zur Besserung. Die Blutungen waren durch eine Art Membrandurchlässigkeit der Zellen entstanden. Normalerweise können solche Verletzungen nur durch sehr hochfrequente Schallwellen oder eine extreme Blutverdünnung verursacht werden. Die Ärzte standen vor dem Problem, dass sie zwar davon ausgehen konnten, dass der unbekannte Virus wirklich diese extreme Blutverdünnung herbeigeführt hatte, aber jetzt, ein paar Stunden später, praktisch nicht mehr nachweisbar war.

Im Blut des Mädchens hatte man keinerlei Substanzen oder einen Virus gefunden, der so einen Effekt bewirken würde. Es bestand berechtigte Hoffnung, dass die Kurzlebigkeit des Viruses das Problem von alleine lösen würde und keine weitere Ansteckungsgefahr mehr bestand. Warum das Mädchen allerdings als Träger dieses Viruses nicht ebenfalls diese „Blutungen“ gezeigt hatte, war nicht anders erklärbar als dass sie durch die erhöhte Chromosomenzahl resistent gegen solche Viren war.

Falls der Virus länger gewirkt hätte, wären die betroffenen Personen buchstäblich langsam verblutet ohne dass man ihnen hätte helfen können.

Der Vermutung des Professors war man auch schon nachgegangen. Wenn das Mädchen tatsächlich aus einem Genlabor entflohen war, dann hatte der Betreiber die Versuche wirklich gut versteckt und geheim durchgeführt. Vermutlich hatte man ihr so einen gefährlichen Virus verabreicht um ihre Widerstandsfähigkeit zu testen. Offiziell war es noch weltweit keinem Wissenschaftler gelungen, ein Lebewesen mit solch einer Chromosomenzahl zu züchten – und schon gar nicht einen Menschen auf diese Art zu clonen. Dass jemand solche Versuche mit gefährlichen Viren im Geheimen durchführte war mehr als alarmierend.

Das Mädchen wurde in einer speziellen Abteilung untergebracht – man wollte auf jeden Fall ergründen, welche besonderen Eigenschaften ihr Körper besaß und gegen welche „Krankheiten“ sie noch immun war.

Außer Frank konnten alle übrigen „Patienten“ nach ein paar Tagen nach hause entlassen werden – man hatte keinerlei Symptome einer Viruserkrankung feststellen können.


„Ich werde bald auch nach hause kommen“, verabschiedete sich Frank von seiner Familie als diese aus der Quarantäne entlassen wurden. Sein Daumen war geschwollen und schmerzte zunehmend. Außerdem hatte er leichtes Fieber bekommen. Die Ärzte hatten ihn ins städtische Krankenhaus überwiesen – dort würde man die Entzündung behandeln. Ein Anzeichen, dass sich Frank an dem unbekannten Virus angesteckt hatte, gab es nicht.

„Das ist in ein paar Tagen wieder gut“, meinte der Arzt, „das behandeln wir eine Woche mit Antibiotika, dann ist die Enzündung bis zum Wochenende wieder abgeklungen und auch das Fieber wird verschwinden“. Frank bekam auch ein Mittel gegen Schmerzen.

Der Arzt entfernte vorsichtig den Verband. „Das sieht aber böse aus“, entfuhr es ihm unweigerlich, als er den dick geschwollenen Daumen mit seiner blauroten Farbe sah. „So tut es auch weh“, bestätigte Frank und erschrak, weil die Schwellung noch größer geworden war als am Tag zuvor.

„Wenn das Antibiotika nicht hilft, müssen wir den Daumen operieren“, erklärte der Arzt. Ein Kollege von ihm war dazugekommen um sich die Entzündung einmal anzusehen. „Welches Tier hat sie da gebissen?“, wollte er noch einmal von Frank wissen. „Es war ein riesiger Wu... - ein Tausendfüßler“, antworte Frank hastig. Die beiden Ärzte unterhielten sich leise miteinander – Frank konnte praktisch nichts verstehen. „Es wird zwar ein wenig schmerzen, aber es wäre gut, wenn wir eine Gewebeprobe nehmen könnten“, schlugen sie Frank vor. „Hauptsache der Schmerz lässt bald nach“, gab Frank sein Einverständnis.

Die Gewebeprobe ging sofort ins Labor zur Untersuchung.

Eine Stunde später:

„Das habe ich wirklich noch nie gesehen“, erklärte der Professor und schaute zum wiederholten Male in das Mikroskop. Deutlich konnte man in der Gewebeprobe des Patienten winzig kleine Fäden sehen die sich bewegten und offensichtlich eine Art Leben besaßen. „Das sieht aus wie winzig kleine Spulwürmer“, rätselte er weiter. Zur Dokumentation wurden Aufnahmen der Vergrößerung gemacht.

Zwei Stunden später:

„Das müssen sie sich selbst ansehen, diese Fadenwürmer - oder um was immer es sich auch handelt – wachsen expotentiell“, versuchte der Professor einem hinzugezogenen Kollegen und Spezialisten für Parasitenbefall zu erklären. Nachdem sein Kollege alle möglichen Vergrößerungen ausprobiert, und in der Bibliothek nach einem vergleichbaren Parasit der Menschen befallen kann, gesucht hatte, war er ratlos. „So einen Fadenparasit gib es in keiner Literatur beschrieben. Das ist etwas völlig neues“. Er deutete mit dem Finger auf eine bestimmte Stelle der Vergrößerung auf dem Bildschirm. „Da, sehen sie, das kann kein Fadenwurm sein“. Der Professor sah jetzt auch was sein Kollege meinte. Die „Würmer“ lagen nicht quer übereinander sondern hatten sich an der Berührungsstelle miteinander verschmolzen. „Das sieht aus wie eine Gittervernetzung welche sich langsam im Gewebe ausbreitet und immer größer wird“, versuchte er eine Erklärung.

„Schnell, sie müssen gleich zu dem Patienten mit dem entzündeten Daumen kommen“, wurde der Professor in seinen Überlegungen durch eine Krankenschwester unterbrochen.

„Er hat fast 40 Grad Fieber und es steigt immer noch“, informierte der Oberarzt. „Die fiebersenkenden Medikamente zeigen keine Wirkung und die Infektion hat sich inzwischen auf den gesamten Arm ausgebreitet“. Der Daumen war dunkelblau geworden – fast wie abgestorben. Die Roten Linien auf dem Arm verrieten, dass sie es hier mit einer schnell fortschreitenden Blutvergiftung zu tun hatten. So traurig wie es auch war, aber der Daumen würde nicht mehr zu retten sein und musste schnellstens amputiert werden.

„Schnell – bringen wir den Patienten auf die Intensivstation“, ordnete der Professor an und beauftragte gleich ein Einsatzteam für eine Notoperation.

Eine viertel Stunde später:

„Schnell, wir müssen uns beeilen sonst stirbt uns der Patient unter dem Messer“, gab der Professor seinem Team Kommando. Die dunkelblaue, fast schwarze Farbe hatte in kürzester Zeit die gesamte Hand eingehüllt und kroch langsam den Arm hoch als ob sich die Pest ausbreiten würde.

Mehrere Stunden nach der Operation:

„Gottseidank, das Fieber geht langsam zurück. Ich glaube wir haben den Patienten über den Berg – das war wirklich in letzter Sekunde“, atmete der Professor erleichtert auf, als er auf den Aufzeichnungsmonitor seines Patienten sah.

„Das war wirklich knapp“, bestätigte der Oberarzt, „so etwas habe ich noch nie erlebt – dass sich eine Entzündung so schnell ausbreitet“.

„Der Patient ist gerettet, nur wie wir seiner Familie beibringen sollen, dass dem Patienten wegen einer angeblich harmlosen Entzündung im Daumen der gesamte Arm amputiert werden musste, das weiß ich auch noch nicht. Er wird seinen Beruf vermutlich nicht mehr ausüben können“, bedauerte der Professor.

„Das ist schon seltsam. Zuerst eine junge Frau die anscheinend einem geheimen Genlabor entsprungen ist – und dann so Entzündung aufgrund eines Parasitenbefalls nur durch einen Biss von einem Tausendfüßler?. Schlimmer kann es nicht mehr kommen“, grübelte der Professor über die Ereignisse der letzten Tage nach.


Anderorts inzwischen in der militärischen Versuchsanlage:

Das im Stadtpark gefundene Mädchen war noch immer in einem der Quaratäneräume „zur Beobachtung“ untergebracht. Langsam kam ihr Gedächtnis zurück. Sie wußte, dass ihr Name Syna war. Ihr Volk, die Seycoonen, war bis auf ein paar hundert Personen vernichtet worden. Sie war der letzte Nachkomme aus dem einst so stolzen Geschlecht der Herrscherfamilie. Die letzten Überlebenden hatten sich im besonders geschützten Palast der Königsfamilie verbarrikadiert.

Sie wusste nicht mehr genau, wann die Dracanuswürmer auf ihre Welt gekommen waren. Jedenfalls benötigten die Dracanuswürmer lebende Wirte, in dessen Körper sie sich einnisteten um dann dem Wirt ihren Willen aufzuzwingen. Vormals friedliche Tiere wurden zu wilden Bestien. War ein Familienmitglied von solchen Dracanuswürmern befallen, tötete er ohne eine Regung seine ganze Familie oder sah dabei zu wie sich die Würmer unter seiner Familie einen neuen Wirt suchten.

Nur wenige Jahre waren vergangen bis fast die gesamte Kultur der Seycoons durch diese Parasiten vernichtet worden war. Die Mitglieder der Königsfamilie waren praktisch die einzigsten, die sich gegen den Parasitenbefall wehren konnten. Die besondere Begabung der Biotransformation und Teleportation konnte sie davor bewahren, von den Dracanuswürmern als Wirt ausgesucht zu werden.

Die weiblichen Familienangehörigen besaßen zudem die Fähigkeit, sich mittels Telepatie verständigen zu können. Syna war eine der begabtesten Telepatinen ihrer Familie. Sie konnte nicht nur Gedanken lesen, sie konnte auch die Gedanken anderer Personen beeinflussen oder ihre paranormale Fähigkeiten für kurze Zeit auf andere Personen übertragen.

Es war eine Qual, die verzweifelten stummen Hilferufe der Seycoonen telepatisch empfangen zu können, wenn sich so ein Parasit im Körper seines Opfers einnistete.

Irgend wann hatte Syna herausgefunden, dass sie nicht nur die Gedanken anderer Personen beeinflussen, sondern auch den Willen der in die Wirtskörper eingenisteten Dracanuswürmer brechen und lenken konnte.

Von einem unbändigen Überlebenswillen getrieben hatten die Dracanuswürmer ihr den Kampf angesagt. Sie hatten sich in dem verbotenen Wald der Titanechsen bemächtigt.

Die Titanechsen waren riesige Tiere mit unbändigen Körperkräften. Kräftig genug, die Panzerung der Burg zu durchbrechen und alles was sich innerhalb der Mauern versteckt hielt zu töten.

Alleine konnte Syna niemals mit ihren geistigen Kräften gegen so eine Armee ankommen. Woher sollte sie Hilfe holen – ihr eigens Volk war zu dezimiert um noch kämpfen zu können.

Mehr durch Zufall entdeckte sie dann doch noch einen Planet, auf dem geeignete biologische Wesen wohnten. Wenn sie ihnen ihre Fähigkeiten übertrug und mit ihnen zu ihrem Heimatplaneten zurückteleportierte, konnte sie vielleicht den Kampf gegen die Titanechsen gewinnen.

Den Telportationssprung von ihrer Heimat bis zu dem Heimatplanet dieser biologischen Wesen durfte sie nicht von der Burg aus durchführen. Manchmal gab es unkontrollierbare Strukturverschiebungen. Die Burg konnte beschädigt werden und damit den noch vorhanden Schutz vernichten. So wählte Syna den weit gefährlicheren Weg, weit draußen vor der Burg den Teleportationssprung durchzuführen.

Sie benötigte all ihre Kräfte um diese gewaltige Entfernung zu überwinden. Das letzte was sie sah, waren die heranstürmenden Titanechsen die von den Dracanuswürmern in blinder Wut gelenkt wurden. Eine der Echsen konnte sie vor dem Sprung fast erreichen und versuchte mit dem Schwanz ihr Opfer zu erschlagen. Ein Stück des Schwanzes geriet in das Teleportationsfeld und wurde abgerissen. Der Schwanz einer Titanechse ist zwar mit einem feinen Fell bewachsen, ist aber so kräftig, dass er zehn Seycoonen auf einmal erschlagen kann.

Das letzte was sie nach dem Teleportationssprung fühlte, war eine eisige Kälte. Aus den Gedankenmustern dieser biologischen Wesen kannte sie deren Körperformen. Sie konnte gerade noch ihren eigen Körper in eines dieser Körpermuster transformieren – dann verliesen sie die Kräfte.

Jetzt hatte man sie offensichtlich in einer „Burg“ dieser Wesen eingesperrt und die Gedanken, welche sie erhaschen konnte, verhießen nichts gutes.

Das schlimmste war die Erkenntnis, dass sie offenbar bei ihrer Teleportation einige von den Dracanuswürmern mit auf diese Welt transportiert hatte. Diese Parasiten mussten schnellstens vernichtet werden – sonst würde auch dieses Volk untergehen und sie würde daran schuld sein, anstatt ihrem eigenen Volk Hilfe gebracht zu haben.


Im Vorraum zum Quarantäneraum des Mädchens:

„Da haben wir uns ja ein recht interessantes Forschungobjekt eingefangen“, freute sich der Leiter der Bioforschungabteilung.

Sein Kollege stimmte ihm mit einer Geste des Kopfenickens zu. „Wenn wir jetzt auch noch die geheime Forschungsanlage finden, dann sparen wir uns viel Geld für eigene Versuche“, fügte er noch hinzu.

„Das ist ja fast wie ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk“, bestätigte er. Da hatte das Jahr 2010 doch recht gut angefangen – trotz Wirtschafskrise und zusammengebrochenem Finanzmarkt.


Wie sollten die Spezialisten in diesem Moment wissen, wie sehr sie sich mit all ihren Thesen irrten?



Irgendwo in der großen Stadt:

Sie: „Ich weis nicht, du solltest mit der Hand doch einmal zum Arzt gehen!“.

Er: „Ach was, das ist bestimmt noch von der Silvesterrakete die mir fast in der Hand explodiert ist“.

Sie: „Von wegen Silvesterrakete. Das hast du doch schon seit dem Weihnachseinkauf letztes Jahr, als sie diese junge Frau im Park gefunden haben“.

Er: „Da hast du eigentlich recht. Da war so bitter kalt, bestimmt habe ich mir da eine Erfrierung geholt“.

Sie: „Neugier ist manchmal schmerzhaft. Aber trotzdem, mit einer Erfrierung ist auch nicht zu spaßen. Du siehst doch selbst, dass das von alleine nicht mehr gut wird – und außerdem scheinst du auch Fieber zu haben, du verhältst dich in letzter Zeit so seltsam“.

Er: „Dann gehe ich halt zum Arzt. Ausgerechnet wenn man mal ein paar Tage gemütlich zu hause sein könnte, soll man in einem Wartezimmer herumhocken“. Wie wenn es fremde Gedanken wären, weiß er plötzlich, dass er nicht krank ist und auch kein Fieber hat. Wenn diese dumme Kuh noch ein einziges mal mit dem Thema anfängt, schmeiße ich sie aus dem Fenster.

Meldung in der Zeitung 24 Januar 2010:

Ehemann wirft während Ehestreit seine Frau aus dem sechsten Stockwerk auf die Straße. Sie war auf der Stelle tot. Die Nachbarn sind entsetzt über diese unverständliche Tat. Das junge Ehepaar war beliebt und bekannt für ihr freundliches Wesen. Bei der Verhaftung musste der Ehemann von vier Polizisten überwältigt werden und zeigte eine bis dahin ungewöhnliche Brutalität und Wehrhaftigkeit. Er wurde in eine psychatrische Klinik eingewiesen. Einer der Polizisten wurde bei dem Einsatz leicht verletzt und ist noch in stationärer Behandlung. Er hat sich eine Risswunde zugezogen die sich aufgrund einer unbekannten Substanz von der Wohnung des Täters entzündet hat.



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