Das hier...ist nicht meine Geschichte...
Das hier...ist die, meiner Kinder. Auch, wenn sie nicht meine leiblichen Kinder sind.
Ich arbeite nun schon seit 6 Jahren in der Petaufzuchtstation. Wie viele Mitarbeiter der Pet GmbH habe ich früher mit Tieren gearbeitet, war vor meiner Anstellung auch noch im Zuchtverfahren von ausgestorbenen Tierarten fester Angestellter, doch wurde ich hierher umstationiert. Und nun...bereue ich es.
Anfangs liebte ich meine Arbeit. Ich sah es als eine große Chance. Als Tierpfleger, seien es normale, aussterbende oder ausgestorbene Tiere, zieht man Lebewesen groß, die man nur begrenzt verstehen kann und die einen auch ebenso kaum verstehen. Man gewöhnt sich aneinander, man erkennt das Verhalten, doch man weiß nie, was der Andere denkt. Doch bei dieser neuen Anstellung sah ich meine Chance. Denn Pets können sprechen. Ich kann sie fragen, ob und wo sie Schmerzen haben, wie es ihnen geht, ob ihnen das Essen schmeckt und sie können sich bedanken. Es war für mich einfach mehr Befriedigung in dieser Arbeit. Doch...das ich hier auch mehr Leid erfahren würde... Hätte ich es gewusst, ich hätte abgelehnt. Natürlich ist es schmerzlich, wenn man die kleinen Kinder oder Welpen – je nachdem, wie man sie lieber bezeichnen will – weggeben muss. Und es macht einen auch traurig, wenn man erfährt, dass sie misshandelt wurden. Zumal gerade die seltenen Pets viel Pflege brauchen, da sie nur selten sind, weil sie genetische Fehler wie Albinismus haben, was ihr Immunsystem schwächt. Sie sind öfter krank, brauchen mehr Pflege und sie haben weniger Selbstbewusstsein, brauchen also auch mehr Fürsorge. Und zu wissen, dass all das meistens einfach vom Petbesitzer nicht gegeben wird, weil diese reichen Leute sie wie Halsketten benutzen anstatt wie Menschen oder wenigstens Tiere... Es ist schrecklich, mit diesem Wissen, diesen Gedanken ein Pet abzugeben. Und doch...sollte ich erfahren, was eigentlich das wirklich schreckliche ist.
Es war vor 2 Jahren, da wurde die nächste Generation an Fledermäusen geboren. Sie sind Wesen, die meistens an Schriftsteller, Programmierer und allgemein Leute mit unregelmäßigen Arbeitszeiten verkauft werden. Denn, wie ihre genetischen Verwandten, die wirklichen Fledermäuse, sind sie fast nur nachtaktiv. Sie können auch tagsüber wach sein, da sorgen die menschlichen Gene für, doch ihre Augen sind schwach durch die Fledermausgene und sie laufen bei zu häufigem Tageslicht immer Gefahr, zu erblinden, da sie grelles Licht nicht gewöhnt sind. Die Petshopvermittler geben immer an, dass man sie allerhöchstens eine Woche pro Monat tagsüber wachhalten sollte. Ideal wäre allerdings, sie maximal zwei Tage im Monat wach zu halten, am Allerbesten gar nicht. Auch laute Geräusche sollten vermieden werden, ebenso wie grelles Licht. Auch daher werden sie bevorzugt an Leute in ruhigen Berufen verkauft. Diskoverwalter haben absolutes Halteverbot sämtlicher Pets, da fast alle die empfindlichen Ohren ihrer Tiervorfahren haben. Nun, jedenfalls waren viele der Fledermäuse schon vor ihrer Geburt 'verbucht' bzw 'reserviert'. Allerdings müssen alle Pets mindestens zwei Jahre alt sein, ehe sie verkauft werden. Zum Einen benötigen sie solange Muttermilch und zum Anderen sind sie dann zumindest etwas selbstständig. Allerdings ist vor allem in dieser Zeit absolutes Sexverbot, selbst, wenn sie dafür bestellt wurden. Dazu kommt auch einmal die Woche für über 10 Jahre ein Kontrolleur vorbei. In diesem Zeitraum wird noch strenger geahndet als bei den erwachsenen oder seltenen Pets, denn egal ob Pet oder Mensch, Kind ist Kind. Und da Verbrechen an Pets wie Verbrechen an Menschen gehandelt werden, ist natürlich auch das Vergehen an einem jungen Pet eine Straftat des allerhöchsten Ausmaßes. Oft genug haben wir Petpfleger schon versucht, dass Abgabelter noch zu erhöhen auf 4 Jahre, doch viele Pethalter wollen junge Pets als Spielkameraden für ihre Kinder kaufen und diese sollen dann schon früh im gleichen Alter den Kindern geschenkt werden. Und da ist leider die Mehrheit gegen uns. Allerdings können wir da zumindest auf die Kontrolleure bauen und beten, dass Pethalter diese häufigen Besuche auch abschrecken.
Jedenfalls waren diese Fledermäuse erst die zweite Generation, die als Pets geboren wurden. Pets und Menschen ergeben Menschen, da die menschlichen Gene sehr dominant sind, doch zwei Pets derselben Rasse ergeben Petkinder. Und solche waren die kleinen Fledermäuse. Die Kleinen sind erstaunlicherweise im jungen Alter eher ihren tierischen Verwandten ähnlicher als den Menschen. Sie sind meist blind und taub und passen auf die Hand. Es war eine riesige Attraktion, als das erste Petkind geboren wurde. Sie wachsen auch in den ersten zwei Jahren sehr schnell. Sie sind im geistigen Alter dann schon fast sechs Jahre alt. Daher wurde das Vermittlungsalter auch auf dieses Alter eingestellt. In den zwei Jahren sind sie zwar auch nur so groß wie ein zweijähriges Kind und haben auch nur ebenso stark ausgeprägte Sprachfertigkeiten. Doch ihre tierischen Instinkte sind voll ausgebildet und sie können meist viel besser und schneller laufen, ausserdem verstehen sie mehr und schneller. Gerade das macht es uns Petzüchtern zu einer herrlichen, abwechslungsreichen Arbeit. Denn jede Petrasse durchläuft im Kindesalter andere Phasen. Katzen haben mit etwa drei Monaten ein großes Interesse am Jagen. Sie rennen mit beeindruckenden Geschwindigkeiten und springen schon sehr weit. Alle fliegenden Rassen dagegen müssen ab dem sechsten Monat in Volieren gehalten werden, da sie da fliegen lernen. Wir stutzen ihnen später leider die Flügel, da meist die Gefahr ist, dass sie Pethaltern wegfliegen. Sie kommen zwar immer wieder zurück, doch es macht die Pethalter wütend und meistens werden die Pets dafür bestraft. Und das wollen wir damit verhindern. Daher sind wir die Einzigen und Letzten, die diese herrlichen Wesen fliegen sehen.
Mittlerweile wurde die Haltung von Petkindern sogar soweit perfektioniert, dass fast alle Pets in Türmen wohnen. Diese 'Zwinger' sind unten breiter als oben und haben einen Weg, der kreisförmig zur Spitze führt. Der Turm ist oben dann mit einem Gitter verschlossen. Ausser den Wasserpets und den puren Bodenpets wie zum Beispiel die trägen Bären und die grabenden Mäuse werden alle Pets in diesen Türmen gehalten. Pets wie die Katzen, Hunde und Geparden springen gerne und klettern den Turm auf ihre eigene Art hoch. Fliegende Pets dagegen mögen es, viel Platz zum Fliegen zu haben und sich immer an den Wegen ausruhen zu können. Die Fledermäuse und Affen lieben vor allem das Gitter an der Spitze, wo sie sich dran hängen können. Je nach Rasse setzten wir das Nest immer nach ganz oben an die Spitze oder nach unten in die Mitte des Turms. Das Nest ist immer eine große Kuhle, gefüllt mit Decken, ein wenig Heu und Gras sowie Futternäpfen, die in etwas Entfernung um das Nest herumstehen. Anfangs, wo die Welpen - wie wir die Petkinder gerne nennen – noch blind und taub sind, verlassen sie das Nest kaum, doch mit dem Altern ist es manchmal eine rechte Arbeit, die Kleinen wiederzufinden und das, obwohl der Turm an sich nicht groß ist. Doch sie erfinden manchmal recht schlaue Verstecke, suchen sich dunkle Nischen und spielen ohne unser Wissen Verstecken mit uns. Und da immer zwei Gruppen á 5 Tiere in einem Turm aufwachsen, ist es anfangs auch nicht recht einfach, zu unterscheiden, ob man nun ein Pet von der eigenen oder der anderen Gruppe gefunden hat. Da arbeiten wir Züchter immer eng miteinander, bis wir die kleinen Wesen auseinanderhalten können. Nun ja, zuviel der Vorrede, es geht mir um eine recht tragische Geschichte. Die, meines Rudels.
Ich nenne die Welpen, die ich zugeteilt bekomme, immer 'mein Rudel'. Ich habe bemerkt, dass die Kleinen so ein stärkeres Gemeinschaftsgefühl entwickeln und sich auch mehr auf mich fixieren. An sich hatte ich da auch noch kein Problem mit gehabt, es war zwar immer eine kleine Umstellung, wenn sie die Rasse änderte, aber an sich verlief meine Arbeit immer gleich ab. Doch mein letztes Rudel, die Fledermäuse, waren anders. Ich weiß nicht, ob es an meiner Angewohnheit lag, sie Rudel zu nennen, doch sie fühlten sich sehr stark zusammengehörig. Zu stark. Sie weinten immer, wenn das Training anfing, wo sie einzeln ihr Verhalten als Hauspet proben sollten. Sie hassten es, getrennt zu werden. Sie mochten es auch nicht, wenn jemand anders ausser mir irgendwelche Unternehmungen mit ihnen machte. Es war dem berühmten Kartulla-Fall gar nicht unähnlich, nur war nicht ich als Züchter den Pets verfallen... Sie waren die, die zu fixiert waren. Ich merkte es schon sehr früh und versuchte, da gegenzuwirken. Ich sprach die anderen Fledermauszüchter an und sie schlugen vor, dass öfters ein paar Gruppenübungen gemacht würden. So ließen wir die Kleinen manchmal alle in einer großen Voiliere fliegen, damit sie miteinander spielen konnten. Doch meine Gruppe saß zusammengekauert in einer Ecke und beschäftigte mit sich selbst. Auch, als ich sie auforderte, mit den Anderen was zu machen, verweigerten sie sich und wollten stattdessen mit mir spielen. Auch längere Gespräche und sogar Therapien für Tiere wie auch für Menschen schlugen nicht an. Die Kleinen wirkten immer wie eine typische Waisenkinderfamilie, die nur sich selbst hat und auch sonst niemandem vertraut. Und ich ahnte schreckliches, denn der Tag der Trennung würde kommen für die Fünf. Ich sagte ihnen das auch häufig, damit sie verstanden, dass ihr Verhalten sinnlos war, doch dann begannen sie immer zu weinen und zu schreien. In meinen ganzen 6 Jahren war mir sowas noch nie passiert. Als ich eine Nachricht an den Präsidenten schickte, zeigte auch der sich ratlos. Wir mussten die Kleinen einzeln weggeben, es wurden nie mehr als zwei Pets gehalten, es durften auch nicht mehr gehalten werden, es sei denn, man hatte wie wir eine lange Ausbildung dazu gehabt und entsprechende Räume. Doch selbst wenn einer von uns dazu bereit wäre, sie so aufzunehmen, keiner hatte genug Erspartes um fünf Pets und die ganzen Anlagen sowie Futter zu bezahlen. Zudem wäre die Versorgung ein 24h-Job, wir müssten kündigen und dann würde die Versorgung erst Recht abbrechen. Doch die Kleinen waren mehr als widerwillig, verkauft zu werden und je störrischer ein Pet ist, desto größer die Gefahr, dass aus begründeten normalen Bestrafungen eine angewöhnte Misshandlung wird. Zudem will kein Petbesitzer solche Pets haben.
Mehr als schnell hatte sich mein Rudel zu einer kleinen Berühmtheit innerhalb der Pet GmbH herumgesprochen. Sämtliche Mitarbeiter - ob junge Neulinge oder ältere Profis – waren ratlos. Der Präsident und sogar Professor Sandstein persönlich hatten keine Ahnung, wie ich die Kleinen handhaben sollte, damit dieses starke Gruppenverhalten stoppte. Sie Rudel zu nennen hatte ich schon längst abgebrochen, doch es wirkte kaum. Sie kamen nicht mehr sofort, wenn ich sie rief, da sie sich an das Wort gewöhnt hatten, doch das war auch schon alles. Und dann hörte ich einmal, wie zwei Praktikanten etwas sagten, dass einfach unverzeihlich war. „Mein Opa meint, als es noch Tiere gab, wurden solche sturen Tiere einfach eingeschläfert.“ Ich hatte dem Jungen für diesen Satz eine gescheuert, dass gab mir zwar eine Strafe, aber ich verachtete allein den Gedanken. Die Welpen waren kerngesund, lebhaft und nur, weil man sie nur schwer verkaufen könnte, dachten einige ernsthaft an eine geplante Tötung. Ich betete, dass sich das Verhalten der Fünf wieder einrenkte, dass sie begriffen, dass ihr stures Verhalten nichts brachte und das es für sie besser wäre, wenn sie sich freiwillig trennen. Aber sie blieben stur. Die ersten Welpen aus den anderen Gruppen wurden bereits abgeholt und meine Gruppe trieb alle Mitarbeiter – mich inklusive – in den Wahnsinn, dass sie immer begannen, laut zu schreien, wenn sie sahen, dass ein Käufer kam. Es verschreckte auch die Kunden ungemein und wir mussten diese bei Laune damit halten, dass meine Gruppe krank war und daher Schmerzen hatte. Es war einfach eine unglaubliche Strapaze, die Kleinen auszuhalten. Sie wurden immer schlimmer, sie begannen sogar, zu beißen und zu kratzen, wenn man auch nur irgendwie die Absicht zu haben schien, sie zu trennen. Sogar die Kinderpsychologen, die wir befragten, sahen keine kurzfristige Abhilfe ausser einer gewaltsamen Trennung. Doch das verschlimmerte alles nur noch. Sie waren sehr aggressiv zu den anderen Welpen, zu denen wir sie brachten und schrien ununterbrochen. Sogar tagsüber waren sie häufig wach und kreischten. Sie waren in dem Zustand unmöglich zu verkaufen, doch die nächste Welpengeneration war bereits auf dem Weg und wir konnten uns nicht mehr für lange um die fünf Kinder kümmern. Es war schon fast eine tragische Komödie. Wenn man uns gesehen hätte, wie wir mit Armschutz immer in die Türme gingen und mit total zerrissenem Hemd und durchwühlten Haaren wieder rauskamen, hätte man wohl eher gedacht, wir hätten uns mit einem leibhaftigem Löwen amüsiert. Es war ein Kampf gegen die Zeit, die nächsten Welpen, Mäuse, könnten jederzeit geboren werden und sie würden viel Arbeit sein, da sie in einem speziellen Gehege mit vielen Möglichkeiten zum Graben wohnen würden und uns Pfleger eine Menge an Durchhaltevermögen abringen werden. Ich weiß nicht, ob der Präsident es aus Mitleid mit uns tat oder ob er keinen anderen Ausweg sah, jedenfalls kam eines Tages bei uns in der Station ein Eilbrief von ihm an. Die Kleinen sollten in einen der Zoos kommen.
Es war eine Neuheit, dass Pets gemeinsam mit den Tieren im Zoo leben. Doch in die Wildnis konnten wir sie nicht aussetzen, ihre menschlichen Gene ließen nicht zu, dass sie sicher jagen könnten. Zudem war die Gefahr da, dass sie irgendwann zu schwer für ihre Flügel werden. Doch sie hatten es bereits erfolgreich geschafft, der Flügelstutzung zu entkommen und waren immer noch flugfähig. Wir wussten zunächst nicht, was wir davon halten sollten, doch es war die einzige Möglichkeit, die Fünf in einer Gruppe zu behalten. Es war möglich, dass sie sich darüber beschweren würden, dass sie keine Menschen an den Fenstern sehen wollen, doch das waren sie dann selbst Schuld. Wir sagten ihnen vor ihrer Verfrachtung, dass sie die Wahl zwischen einem Leben in der Öffentlichkeit und einem Leben ohne die Anderen hatten. Sie wollten den Zoo. Mittlerweile ist das Ganze drei Jahre her. Zwei der Fünf haben ein Leben als Hauspets nachträglich doch gewählt, aber die drei Anderen sind offenbar ganz zufrieden mit ihrem Leben. Anfangs fanden die Zoobesucher es seltsam, dass neuerdings auch Pets hinter den Gittern dort lebten, aber die Tatsache, dass diese immer noch fliegen können, hatte vieles wettgemacht und die Welpen sind zu sowas wie einer kleinen Attraktion geworden. Ich sehe das Ganze dennoch mit Sorge. Viele Pets könnten sich ein schlechtes Beispiel an meinem ehemaligem Rudel nehmen und auch streiken und sich verweigern. Das heißt, dass wir sie umso mehr für das Leben als Hauspet begeistern müssen. Doch wenigstens sind fürs Erste alle glücklich. Fürs Erste...