Das Licht
Die Welt ist voller Lichter. Große, kleine.Einige ein intensives Leuchten, andere kaum mehr als ein schwaches Glimmen. Ob in Gruppen oder als einzelnes Licht.
Und sie haben Namen. In allen erdenklichen Sprachen. In gesprochenen, stummen oder gar toten Sprachen. Viele sind unbekannt, während man andere kennt und ein paar Namen sind vergessen.
Diese vielen, vielen Lichter haben auch Stimmen. Hohe und tiefe. Männliche, weibliche, geschlechtslose. Animalische, menschliche, künstliche. Körperlose. Stimmen die hohl klingen; voller Klang. Mansche melodiös, mansche wie eine Kakophonie.Sie sind Laut und leise, nicht zu überhören und ungehört.
Außerdem erstrahlen die Lichter in allen Farben. Rot, Gelb, Grün, Blau, Violett, Pink, Braun, Grau, Weiß, Schwarz, Gold, Silber; einfach in
allen Farben, deren Abstufungen, Mischungen und Schattierungen. Einfach in allen Farben. Und nicht nur einfarbig - oh nein! - sondern auch mit allen Variationen an Mustern. Kunstvoll, verschnörkelt oder ganz schlicht gehalten.
Die Welt ist voll dieser Lichter, die so viele Farben, Formen und Klänge haben und doch undefinierbar sind. Sie haben Bedeutung im Einzelnen, als auch im Großen und Ganzen.
Und sie sind so unzählbar viele. Keine geschätzte Zahl, keine Zählung kann ihre enorme Menge erfassen.
Obwohl die Welt erfüllt ist von eben diesen unzähligen undefinierbaren Lichter, bleiben sie zumeist unbemerkt.
Eines dieser Lichter, ein einsames, mehr ein schwach silbriges Glitzern, ohne besonderen Namen oder Klang, will mehr sein als es ist. Es beneidet die Größe und den Glanz anderer Lichter. Es verachtet seine eigene Existenz .
So verlässt dieses Licht die anderen und begibt sich auf eine lange, beschwerliche Reise.
Es durchstreift Wiesen und Wälder, überquert Berge und Felder. Erkundet Seen, Teiche, Bäche , Flüsse, Meere und Ozeane. Wüsten, Ödland.
Es trifft auf viele Wesen. Menschen, Tiere, Pflanzen.
Wandert bei jedem Wetter. In der prallen Sonne, im stürmischen Gewittern, in Blizzarden und Sandstürmen. Nicht mal Orkane und Tornados Halten das Licht auf.
Es lernt sowohl die Herrlichkeit und Vielfalt der Natur kennen, als auch die Not, die Kriege und die negativen Einflüsse der Menschen.
Und noch etwas lernt das einsame schwach silbrige Glitzern, ohne besonderen Namen oder Klang. Sowohl in der Flora, als auch in der Fauna und auch bei den Menschen. Alle sind Verschieden. Sie sind groß und mächtig. Klein und schwach. Jeder ist ein Individuum.
Das Licht erkennt: Obwohl es so scheinbar bedeutungslos ist, ist es ein Teil dieser Welt. Es gehört zu so unzähligen Lichtern, von denen es einigen bestimmt genauso geht.
So kehrt es zurück zu den anderen Lichtern, erhebt sein leises, klangloses Stimmchen und berichtet von der Welt, die es kennengelernt hat, in allen Einzelheiten.
Und obwohl es weiß, dass es nicht alle Lichter erreicht, berichtet es weiter von der Botschaft, die es erfahren hat.
Es vergisst, dass es sich nicht mochte und andere beneidet hatte.
Das einsame Glitzern, diesen schwach silbrige Licht, es erzählt jeden, der zuhört, was es erlebt hat.
Lichtern denen es genauso ergeht, wie es diesem speziellen Licht ergangen ist, schließen sich ihm an.
So kommt es, dass das einsame Licht, mehr ein schwach silbriges Glitzern, ohne besonderen Namen oder Klang, das andere Lichter um deren Größe und Glanz beneidete, seinen Platz in dieser Welt gefunden hat. Es ist zum Vorbild vieler andere Lichter geworden. Endlich gehört es zu dem Großen und Ganz, zu dem es schon die ganze Zeit gehört hat.
~Keep the words alive~