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Prosa => Phantasy & SciFi


09 Die vergessene Armee der Kinder - von Aabatyron, 18.01.2009
Dieser Text wurde als Rohtext von Aabatyron geschrieben und anschließend von Sunshishi lektoriert.


Die vergessene Armee der Kinder


Kapitel 09 Die Datenbank

Lektorierte Version

Armin wusste, dass die Zeit drängte. Trotz allem durften sie sich nicht verrückt machen lassen. Die unbekannte Gefahr, welche in den Tiefen dieser Raumstation auf sie lauerte, war nicht zu unterschätzen. Sie besaßen zu wenig Informationen, um sich gegen dieses unbekannte Monster wehren zu können.
„Wir müssen noch einmal mit dem Computer Kontakt aufnehmen“, sinnierte Armin laut.
Ein ungewöhnlicher Ernst hatte sich unter den Jugendlichen breit gemacht. Der Schock über den Anblick der getöteten, jungen Frau saß allen in den Gliedern. Wortlos folgten sie Armin, der bis in die oberste Ebene gehen wollte, um dort an der Hauptschaltkonsole des Zentralcomputers Kontakt mit dieser künstlichen Intelligenz aufzunehmen. Nachdenklich blickte er zu Karla.
Wie, wenn sie seine Frage ahnen könnte, überlegte sie laut: „Irgendwie muss dieser Sperrcode für die wichtigen Daten zu knacken sein“.
„Das macht unsere Intelligenzbestie mit Links“, antworte Karl mit verhaltener Stimme. Niemand lachte. Karl hatte den Ernst der Situation überspielen wollen. Es war ihm nicht gelungen.
In einem der Transporterräume angekommen, alle standen in dem beleuchteten Kreis, stellte Armin auf seinem Armband den Zielort ein: oberstes Deck. Keiner der Jugendlichen war mehr überrascht, plötzlich an einem anderen Ort zu stehen. Das Hologramm von Armins Armband zeigte den Standort, an dem sie sich jetzt befanden.
„Wir müssen durch das Biotop gehen. Das Computerhauptterminal liegt in dessen Zentrum“, forderte er die anderen auf, ihm zu folgen.
„Wartet!“, warnte Jennyfer und horchte aufmerksam nach Geräuschen.
Nur Jonny begriff, wonach Jennyfer lauschte. Die anderen machten ein ratloses Gesicht. Sie konnten absolut nichts, außer ihrem eigenen Atmen, hören.
„Was... Was habt ihr entdeckt?“, wollte Karla zaghaft und ängstlich wissen.
Sie besaß von allen sechs die überragendste Intelligenz und wusste, dass es Menschen mit paranormalen Fähigkeiten gab. Ihr war bewusst geworden, dass jeder von ihnen über ein Talent verfügte, das sie von normalen Menschen abhob. Jennyfer und Jonny schienen die Gabe zu besitzen, Gedanken lesen zu können. Vermutlich lauschten sie nicht auf Geräusche, sondern auf Gedanken. Der Blick von Jonny sagte mehr als tausend Worte. Erschrocken, dass Karla seine Fähigkeit entdeckt hatte, war er auch überrascht, dass sie diese Fähigkeit als selbstverständlich akzeptierte. Wenn er zurück dachte, wie er in Panik gefallen war, als er sich das erste mal bewusst mit dieser Fähigkeit konfrontiert sah.
Es war der absolute Albtraum gewesen.
Das war, als wenn man aufwacht und feststellt, dass es in der Realität schlimmer als im Albtraum ist. Es war bei einem seiner ersten, entscheidenden Spiele gewesen. Zuvor hatte er die Spielzüge seiner Gegner unbewusst voraussagen können. In diesem Spiel hatte er zusätzlich gefühlt, dass die gegnerische Mannschaft beschlossen hatte, ihn gnadenlos und mit brutalster Gewalt auszuschalten. Die Schande würde er nie vergessen. Seine eigene Mannschaft hatte das Spiel haushoch verloren, weil er mehr vor einer unbekannten Gefahr davongelaufen war, als sich um den Ballbesitz zu kümmern.
Mit der Zeit hatte er gelernt, diese Ahnungen zu unterdrücken, ein Medikament hatte sehr geholfen.
„Hey, du Schlafmütze. Was ist los mit dir?“, wurde Jonny aufgefordert, den anderen zu folgen, die mittlerweile weit voraus gelaufen waren.
Sofort hörte er wieder diese verworrenen, fremden Gedanken in seinem Kopf.
„Es scheint ungefährlich zu sein“, erklärte ihm Jennyfer zugleich.
Sie hatte die Gedanken auch gespürt und wusste, dass sie nicht aus dem Zentralcomputer kamen.
„Einsamkeit. Ausweglose Situation. Angreifende Monster. Keine anderen Menschen mehr.“
Das hatte Jennyfer noch nie in einem ihrer eigenen Alpträume verspürt. Das fremde Bewusstsein war in diesen Gedanken gefangen.
Das Biotop war eine kuppelförmige Anlage, die sich über die gesamte Oberseite der Raumstation erstreckte. Kaum hatten sie den Eingang erreicht, wurde eine Schiebetüre elektrisch mit leise summendem Geräusch zurückgefahren.
„Wow“, entfuhr es Klaus unbewusst, als er sah, was sich auf der anderen Seite dieser Tür verborgen hatte.
Mit staunenden Gesichtern standen die anderen Fünf am Eingang.
„Das ist wie ein kleines Paradies“, mutmaßte Karla.
Ihre Augen fingen an zu leuchten. In diesem Raum gab es viel zu entdecken. Fast vergaß sie, warum sie hierher gekommen waren. Der gesamte Raum war mit Pflanzen übersät. Kleine Wege dienten zu früheren Zeiten dazu, dass man bequem zwischen den Pflanzanlagen herumlaufen konnte. Jetzt war alles überwuchert und machte einen verwilderten Eindruck. Die Luft war dumpf und feucht. Es roch nach Wald und süßen Blüten. Armin sog die Luft tief ein.
‚Wie früher zuhause’, erinnerte er sich sehnsüchtig.
Die Kuppeldecke bestand aus einer seltsam gelbweiß leuchtenden Substanz und spendete ein gutes Tageslicht. Vermutlich ein Farbspektrum, welches auf die Pflanzenwelt abgestimmt war.
„Ob es hier drinnen Tiere gibt?“, wollte Klaus wissen.
Jennyfer war allerdings überzeugt, dass es in diesem Raum nur ein Lebewesen außer ihnen gab. Vorsichtig, um nicht zu stolpern, gingen sie langsam weiter. Ein paar Meter von der Tür entfernt, schloss sich diese mit einem summenden Geräusch. Während Karla von ihrer Neugier in dem neuen Raum festgehalten wurde, machte Karl sofort ein paar Schritte auf die sich schließenden Tür zu, als wenn er Angst hätte, in diesem Raum gefangen zu sein. Armin deute an, dass er keine unnötige Zeit verlieren wollte und marschierte weiter in Richtung Zentrum dieser Anlage.
„Hier war wohl lange niemand mehr“, stellte er fest, während er über die wuchernden Pflanzenausleger kletterte.
„Das Arche Noah-Projekt“, fiel es Karla ein. „Das muss das Arche Noah-Projekt sein!“
Die fragenden Gesichter der anderen sprachen Bände.
Es dauerte zwei volle Stunden bis sie bei der Computerschaltzentrale angekommen waren. Die Eingangstüren waren von den wuchernden Pflanzen zugewachsen.
„Oh Mann, da braucht man eine Holzfällerausrüstung, um sich durchzukämpfen“, meinte Klaus, als er die armdicken Äste der Kletterpflanzen begutachtete.
„Mal sehen, da gibt es bestimmt noch ein paar andere Eingänge“, vermutete Armin und aktivierte sein Armband.
Das Hologramm zeigte acht Eingänge insgesamt. Die Computerzentrale bestand aus einem kuppelförmigen Raum mit circa 30 Meter Durchmesser und 10 Metern Höhe. Dass diese Kuppel teilweise von den Kletterpflanzen überwachsen worden war, zeugte davon, dass er lange nicht mehr benutzt wurde. Armin lief am Rand des Kuppelraumes entlang, sofern es die Pflanzen zuließen.
„Da kommen wir in die Zentrale hinein“, erkannte er bei der dritten Tür.
„Himmel, Arsch und Zwirn“, schimpfte im nächsten Moment Karl.
Er war aufgrund seiner Körpergröße zwischen den stark verwachsenen Ästen einer Buschgruppe hängen geblieben und das reißende Geräusch seiner Kleidung verhieß nichts gutes.
„Hey! Jetzt wartet mal!“, forderte Karla die anderen auf. „Unser Walross hängt fest.“
„Halt du dein loses Mundwerk und geh aus dem Weg. Gleich gibt’s Kleinholz!“, warnte Karl und sein Kopf lief knallrot an, während er wütend schnaufte.
Plötzlich flogen die Holzsplitter durch die Gegend. Wie Papierschlangen riss Karl die Äste ab und verschaffte sich Luft.
„Was ist los?“, fragte Karl, als ihn alle entsetzt ansahen. „Wenn man nicht so ein dünner Spargel wie Karla ist, die sich wie eine Schlange zwischen den Ästen hindurchzwängen kann, dann muss man das hinderliche Zeug eben wegknicken.“
„Ja... Ja, schon... Da hast du recht... “, stotterte Jonny, der fast eines der Holzstücke am Kopf abbekommen hatte. „Aber erklär mir mal, wie du mit den Händen Bäume ausreißen kannst. Das ist nicht normal.“
Nachdenklich besah Karl seine Hände, ob er sich dort bei der Aktion einen Holzsplitter eingefangen hatte. Dann ging ihm seine Tat noch einmal durch den Kopf und er runzelte verwundert die Stirn. Zur Probe nahm Karl eines der zuvor abgerissenen Stücke und wog es nachdenklich in der Hand. Es war massives Holz von gut dreißig Zentimetern Durchmesser. Normalerweise konnte es niemand mit reiner Muskelkraft biegen oder auseinander reißen. Karl packte beide Enden und versuchte, es auseinander zu ziehen. Sein Gesicht wurde rot wie eine Tomate, seine Hände fingen an zu schmerzen. Aus Angst, abzurutschen und sich noch einen Holzsplitter in die Haut zu stechen, gab er seinen Versuch resigniert auf.
„An was hast du vorher gedacht, als du in dem Geäst fest hingst?“, fragte Karla.
„Blöde Frage. Dass ich freikommen muss natürlich“, entrüstete sich Karl.
Karla überlegte. Sie waren eine seltsame Gruppe. Konnte es sein, dass Karls besondere Fähigkeit darin bestand, dass er in bestimmten Situationen enorme Körperkräfte entwickeln konnte?
„Probier es noch einmal“, forderte sie ihn auf.
„Das ist Blödsinn“, wehrte er ab, sich vor allen zu blamieren.
„Zier dich nicht. Ich habe da eine Idee“, verlangte Karla in ihrer altbekannten Art von Forscherdrang.
Zaghaft nahm Karl das Holzstück in beide Hände und sah Karla fragend an.
„Jetzt stell dir vor, du kannst das Stück Holz einfach auseinander brechen“, suggerierte sie ihm.
„Quatsch, das funktioniert nicht“, wehrte der sofort ab.
„Aber nur, weil du meinst, es geht nicht“, erklärte sie ihm.
„Du meinst, ich muss nur daran denken, dass ich das Holz auseinander reißen kann“, spottete Karl und machte er mit den Armen eine entsprechende Bewegung, „und schon soll es passieren?“
Das krachende Geräusch, während er sprach, war Erklärung genug. Verdutzt hielt Karl zwei Holzstücke in seinen Händen.
„Ich werd verrückt“, rief er überrascht aus.
Weil es noch nicht glauben konnte, griff er sich das nächste Stück und probierte seine neu entdeckte Fähigkeit nochmals aus.
„Es funktioniert“, verkündete er freudestrahlend.
Und weil ihm Karla das Geheimnis seiner Fähigkeiten verraten hatte, wollte er sich bei ihr sofort bedanken.
„Pass auf. Lass Karla am Leben“, warnte Jennyfer, weil Karl sich mit einer herzhaften Umarmung revanchieren wollte.
„Ich glaube, jeder von uns birgt ein kleines Geheimnis“, stellte Karla ernüchtert fest. „Wir müssen herausfinden, warum man uns auf diese Raumstation verfrachtet hat.“
Sie setzten ihren Weg zur Computerzentrale fort. Der Servomotor der Tür hatte sichtlich zu kämpfen, den Kräften der Pflanzen zu trotzen, die sich auf der Oberfläche mit ihren Saugnäpfen einen Halt gesucht hatten. Das ungleichmäßige laute und wütende Brummen verstummte erst, als sich die Tür vollständig geöffnet hatte. Es war Karl, der die letzten Ausleger der Pflanzen von dem Eingang beseitigte. Offensichtlich machte es ihm Spaß, seine neue Fähigkeit einsetzen zu können.
„Gigantisch“, entfuhr es Armin, als sie durch die Tür traten und sahen, was sich in dieser Zentrale alles an Technik verborgen hatte.
Es war das Gehirn dieser Station.
Doch auch hier hatte eine Zerstörung stattgefunden. Eine Schaltkonsole sah aus, als ob jemand versucht hätte, sie mit einem Hammer zu zertrümmern.
„Oh verdammt“, entfuhr es Armin, als er sah, dass diese Konsole die Aufschrift trug: Automatische Flugsteuerungsreglung.
Es gab einen einzigen Kommunikations-Sessel in der Mitte des Raumes. Die anderen Sitzgelegenheiten waren normale Stühle, bequem, aber ohne die Technik einer Kommunikationseinrichtung. Armin zögerte diesmal nicht, sich in den Kommunikationssessel hineinzusetzen. Er musste wissen, wie man die Station in die richtige Flugbahn lenken konnte. Außerdem wollte er von der künstlichen Intelligenz mehr über die Umstände erfahren, die sie auf diese Station verschlagen hatten.
Keine Detektoren wurden aus den Kopfstützen ausgefahren, sondern es senkte sich von der Decke ein großes helmartiges Gebilde, welches sich über seinen Kopf stülpte. Diese halbkugelförmige Glocke hatte außen hunderte von kleinen Antennen. Ein dickes Bündel Leitungen verriet, dass viele Informationen gleichzeitig mit dieser Art Kommunikationsanlage übertragen werden konnten. Armin konnte nicht nur die Gedanken der künstlichen Intelligenz hören, sondern befand sich sofort in einem virtuellen Raum. Alle Information waren direkt an den Ort ihres Geschehens projiziert. Die Flugsteuerungsreglung war vor knapp 7 Tagen zerstört worden, hatte aber zuvor auch nicht richtig funktioniert, weil ihre endgültige Programmierung nicht fertig gestellt worden war. In der Protokollaufzeichnung über die Zerstörung konnte Armin erkennen, dass die Zerstörung von einer jungen Frau durchgeführt worden war. Sie hatte ihr Erkennungsarmband nicht getragen, als sie diese Aktion durchgeführt hatte. Warum sie die Steuerung zerstörte, konnte die künstliche Intelligenz des Rechners nicht beantworten. Viel wichtiger war es für Armin zu erfahren, dass man mit einer entsprechenden Programmierung die Flugsteuerung ohne den zerstörten Modul durchführen konnte.
‚Wenn jetzt Karla hier wäre’, dachte er kurz und schon stand sie im virtuellen Raum neben ihm.
Die vielen Antennen an der Helmglocke hatten die Funktion, andere Gehirne mit demjenigen koppeln zu können, welcher gerade unter dem Helm saß. Bei der Programmierung war Karla in ihrem Element. Das unfertige Programm der Flugsteuerung kannte sie auf Anhieb. Es war die Handschrift von Professor Goldheimer. Mit ihrem Geschick konnte man dieses Programm umschrieben und auf die noch intakten Steuerungseinheiten umlenken. Armin sah verblüfft zu, wie sie sich in Gedankenschnelle durch die komplizierten Strukturen des Programms hindurchbewegte und Änderungen vornahm. Die einzelnen Module dieser Station leuchteten nacheinander als aktiviert auf, je weiter Karla mit der Programmierung kam. Es war erstaunlich, dass die künstliche Intelligenz des Computers vergeblich nach Wegen suchte, die Energie von den Generatoren an die Lastrelais zu leiten, und Karla letztendlich die Lösung fand.
Kurz blitze es in den Gedanken von Armin auf: „Das habe ich gehört.“
Er hatte für einen winzigen Augenblick daran gedacht, dass Karla sich viel Mühe gab, weil sie absolut Angst davor hatte, in diese Relaisschaltzentrale gehen zu müssen um alles mühsam manuell zu aktivieren.
Als Karla mit dem Programm fertig war, konnte Armin sehen, dass 98% aller Energischaltkreise aktiv waren.
„Für einen Menschen mit 14 Jahren Funktionserfahrung nicht schlecht“, lobte die künstliche Intelligenz.
Sie hatte zuvor eine maximal erreichbare Funktionstüchtigkeit von 62% ermittelt. Karla konnte sich ein verschmitztes Lachen nicht verkneifen. Funktionserfahrung war eine lustige Bezeichnung für die Mühe, in die Schule gehen zu müssen. Die Sicherungsrelais mussten noch manuell reaktiviert werden. Kaum hatte Karla an Karl gedacht, war er in den virtuellen Raum eingebunden. Er war nicht erfreut darüber, gleich seine neue Fähigkeit an diesem unbekannten Mordmonster ausprobieren zu dürfen. Karl wollte von der künstlichen Intelligenz wissen, was sich dort unten in der Station für eine Kreatur verbarg. Leider waren die gesamten Überwachungskameras und Sensoren in diesem Bereich ausgefallen. Es hatte einen heftigen Kampf gegeben, war in der Protokolldatei vermerkt.
„Protokolldatei abspielen“, befahl Armin.
Ein geistiger Schrei des Entsetzens entfuhr Karla, als sie sah, welche Monster da gegen die Besatzung der Station gekämpft hatten. Armin war nicht minder erschrocken und dachte sofort, dass die anderen vor diesen Monstern gewarnt werden müssten. Für Jennyfer, Jonny und Klaus war es der größte Schock ihres Lebens, sich unvermittelt in einem Raum zu sehen, in dem ein Kampf zwischen der Schiffsbesatzung und wirklichen Horrormonstern stattfand.
Jennyfer wollte zurückspringen, als sie von einem Hieb dieser Schlächter getroffen wurde. Ihr Aufschrei verklang in einem überraschten Ausruf. Das schwertartige Gebilde war durch sie hindurch geglitten, als ob sie aus Wasser bestände. Außerdem nahmen die kämpfenden Personen überhaupt keine Notiz von ihr. Erst jetzt wurde Jennyfer bewusst, dass sie sich lediglich geistig in einem virtuellen Raum mit dem projizierten Geschehen befand.
Nicht nur ihr war es so ergangen. Klaus sah überrascht auf seinen Arm, der gerade von einem Geschoss hätte zerfetzt sein müssen.
Es war ein ungleicher Kampf, die Stationsbesatzung hatte nicht den Hauch einer Chance, sich gegen diese Monster behaupten zu können. Armin hatte noch nie solche Wesen gesehen, außer in Horrorfilmen. Die waren allesamt über zwei Meter groß und mit Muskeln bepackt, als ob sie gleich platzen würden. Überall hingen Kabel und Schläuche aus ihren Körpern heraus, geschützt mit Panzerplatten. Einige besaßen keine Augen. Grotesk eingesetzte Kamerasysteme hatten die Funktion der Augen übernommen. Das Schlimme war, dass sie nicht besiegt werden konnten. Verletzungen machten ihnen nichts aus. Da wurde einem dieser Monster der komplette Arm durch ein Geschoss abgetrennt. Während das Monster weiterkämpfte, als ob nichts passiert wäre, entwickelte der Arm ein Eigenleben und betätigte die Waffe so lange, bis das Magazin leer war.
„Was sind dies für Monster“, schrie er die künstliche Intelligenz um Aufklärung an.
„Datenstamm 20090000 Programm 1 wird gezeigt“, erhielt er sofort als Antwort.
Die Kampfszene verschwand aus dem virtuellen Raum, doch nicht aus den Gedanken der sechs Freunde. In der Mitte des Raumes wurde ein überdurchschnittlich gut aussehender Mann abgebildet, mehr als zwei Meter groß, muskulös und sympathisch.
„Wow“, entfuhr es Karla, „mein Traummann!“
Tatsächlich hatte dieser im Hologramm dargestellte Mann Ähnlichkeit mit Karl, Jonny... seltsamerweise mit allen vier Jungs.
„Das ist der Prototyp nach einer speziellen Genbehandlung für die Bildung einer Einsatztruppe zur Bekämpfung des weltweiten Terrorismus“, erklärte der Computer. „Kräftiger, schneller, schmerzunempfindlich, überdurchschnittlich intelligent“, folgte die weitere Erklärung.
„Im Alter von 18 Jahren wird die bionische Modifizierung durchgeführt.“
Jetzt konnte man an der Projektion sehen, was der Computer als bionische Modifizierung verstand: Künstliche Augen, künstliches Gehör, superschnelle Steuerung aller Muskeln mittels eingesetzter künstlicher Nerven und Sensoren. Selbst Teile des Gehirns wurden gegen elektronischen Komponenten getauscht.
„Entsetzlich“, entfuhr es Karla instinktiv, als sie sah, wie man vor ihren Augen diese Monster schuf.
Als man in der Projektion nur noch ahnen konnte, dass es sich zuvor um ein menschliches Wesen gehandelt hatte, beendete der Computer die Vorführung und fragte, ob er Datensatz 20090000 Programm 2 zeigen solle. Armin wollte angewidert abbrechen, aber er musste herausfinden, was sie mit ihnen vorgehabt hatten.
„Datensatz zeigen“, befahl er in Gedanken.
Jetzt sahen sie ihr eigenes bisheriges Schicksal.
Das zweite Programm hatte auf besondere paranormale Fähigkeiten von Menschen gesetzt. Um den Terrorismus zu bekämpfen, wurden überall auf der Welt nach Kindern gesucht, die über latent paranormale Begabungen oder über eine überdurchschnittliche Intelligent verfügten. Dass die Eltern sich nicht freiwillig von ihren Kindern trennten, war sofort jedem klar, als er sah, auf welche Art man diese Kinder rekrutierte. Mit einer speziellen Genbehandlung verstärkte man diese latent vorhandenen Fähigkeiten um ein Vielfaches.
Ein außergewöhnliches Trainingsprogramm und viele Medikamente sollten diese Jugendlichen zu eisernen, emotionslosen und schmerzunempfindlichen Kämpfern machen. Sie waren allen anderen nicht nur körperlich, sondern auch geistig überlegen.
Erfolgsquote beim Einsatz gegen Terrorismus: 100%.
Erfolgsquote der speziellen Konditionierung: 62%
Jetzt wollten alle wissen, was aus denjenigen geworden war, welche die Konditionierung nicht bestanden hatten. Emotionslos gab der Computer bekannt, dass diese Jugendlichen eliminiert worden waren. Karla war die erste, die wissen wollte, in welchem Status sie sich befanden.
„Karla Schulz, Registriernummer 38578: Keine Konditionierung möglich, am 12.03.2015 eliminiert."
Karla erschrak fast zu Tode. In diesem Jahr war sie in die Hochbegabtenschule gekommen. War das Krankenhaus und das Heim zuvor die Konditionierungsstätte gewesen?
„Wo sind die Eltern von Karla Schulz?“, brachte Karla ihre nächste Frage hervor.
„Ohne Administratorrechte kein Zugang zu diesen Daten“, verwehrte die künstliche Intelligenz die Antwort.
„Wer hat Administratorrechte?“, wollte Karla dem Rechner entlocken.
„Professor Goldheimer!“
Karla ließ nicht locker. Sie musste wissen, was mit ihren Eltern passiert war.
„Wo befindet sich Professor Goldheimer?“
Nach einer langen Pause kam die Antwort von der künstlichen Intelligenz: „Wurde am 18. Juni 2022 getötet.“
„Wer hat als nächster Administratorrechte?“, fing Karla an, einen geistigen Kampf mit der künstlichen Intelligenz zu führen.
Sie wusste, dass dieser Computer mit Sicherheit eines der leistungsfähigsten Systeme war. Ihn zu überlisten, würde nicht einfach werden oder sogar unmöglich.
„Jennyfer, ich brauche deine Hilfe“, signalisierte sie und versuchte gleichzeitig, sich aus dem geistigen Verband zu lösen.
„Du kannst die Gedanken dieser künstlichen Intelligenz lesen?“
Jennyfers fragender Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie nicht wusste, auf was Karla hinaus wollte.
„Wir bringen den Computer dazu, dass er sich neu startet, dann muss er alle Routinen neu abfragen, auch das Administratorpasswort. Und wenn wir schnell genug sind, kannst du es in seinen 'Gedanken' lesen“, versuchte sie zu erklären.
Zurück in dem virtuellen Raum, wollte Karla von der künstlichen Intelligenz wissen, ob nicht eine andere Person Zugriff auf die Benutzung des Computers haben würde. Der Computer war bis jetzt seit seinem Start nie abgeschaltet worden. Der Logik folgend wusste er, wenn der Administrator nicht mehr lebte, niemand den Computer richtig nutzen konnte. Ob eine weitere Berechtigung vorhanden war, konnte er nur mit der Restartroutine herausfinden. Allerdings mahnte ihn eben diese Logik, dass bei dem Fehlen eines zweiten Berechtigten die künstliche Intelligenz nie mehr arbeiten konnte. Es war ein Widerspruch in sich. Schaltete er sich nicht ab, war er nutzlos ohne Administrator. Schaltete er sich ab und es gab keinen zweiten Administrator, dann war er ebenfalls nutzlos. Obwohl die Rechneraktivität nach außen mehr abnahm, konnte Karla feststellen, dass der Kern kurz vor der Überlast stand. Sie wusste, dass bei einer Kernüberlastung der Rechner zwangsläufig zur Fehlersuche heruntergefahren wurde.
Die künstliche Intelligenz bäumte sich noch einmal kurz auf, als die Automatik den Strom zum Kern unterbrach und alle Komponenten in den Standby-Modus geschaltet wurden.
„Wenn du jetzt den Rechner kaputt gemacht hast, dann haben wir ein richtiges Problem“, wandte sich Armin an Karla.
„Ruhig bleiben, Jennyfer muss sich konzentrieren“, mahnte Karla mit ungewöhnlichem Ernst und hörbar nervöser Stimme.
Die ersten Leuchtanzeigen fingen an zu blinken, dann erschien auf der Anzeige die Aufforderung: Bitte Passwort eingeben. Jennyfer saß mit äußerster Konzentration vor der Konsole. Wie in Trance tippte sie die Zeichenfolge 'SUPERNOVA=1990#' auf der Tastatur ein.
“Bitte noch einmal Passwort eingeben!“ erfolgte die nächste Aufforderung.
Jennyfer war sich sicher, dass sie es richtig eingegeben hatte. Den winzigen Bruchteil einer Sekunde, als die künstliche Intelligenz sich diese Information von dem Speicher geholt hatte, war diese Zeichenfolge in ihren Gedanken gewesen. Leider tauchte noch ein anderer Begriff auf: 'Eveline=1990#'. Sie gab Karla diese Information. Mit ihrer Entscheidung brauchte sie länger. Sie kannte die Denkweise des Professors gut. Er liebte solche ausgefallenen Spielchen.
„Gib das andere Passwort ein“, drängte Armin seine Freundin.
Sorgfältig tippte sie die Zeichenfolge 'EVELINE=1990#' ein – um nach einem kurzen Moment später die Meldung zu bekommen: „Passwort falsch, bitte richtiges Passwort eingeben!“
Jetzt standen alle sechs ratlos vor der Eingabekonsole. Jeder wusste, dass man bei diesen Rechnersystemen nur drei mal die Möglichkeit besaß, ein Passwort einzugeben. Danach brauchte man den Administrator, um den Rechner nach 24 Stunden Sperrzeit starten zu können.
„Ich versuch es noch einmal“, entschied Karla und gab das erste Passwort ein.
Wie beim ersten mal, kam sofort die Meldung, das Passwort erneut einzugeben.
„Das verdammte Passwort ist falsch“, jammerte Karl. „Was machen wir jetzt, damit das Ding funktioniert?“
„Ruhig bleiben“, beschwichtigte Karla und saß noch ein Weilchen nachdenklich vor der Eingabeeinheit. „Da steht nicht, dass das Passwort falsch ist“, sinnierte sie laut, „nur dass man es noch einmal eingeben soll.“
'SUPERNOVA=1990#' tippte sie wiederholt ein.
Jeder wartete gespannt. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
“Bitte Passwort eingeben“, stand als nächstes auf der Anzeige.
Jeder sah den anderen resigniert an. Außer Karla, die wusste, dass ihr Professor diese Anlage schützen wollte und dass man gleich zwei Passwörter abfragen würde.
Mit flinken Fingern tippte sie 'EVELINE=1990#' ein und drückte die Bestätigungstaste.
„Mann, ich kann's nicht glauben. Wer kommt denn auf so eine Passwortprozedur?“, stieß Armin erleichtert aus, als auf der Anzeige zu sehen war, dass sich der Rechner startete und weiter hochgefahren wurde.
„Mein lieber Schwan, das war mal eine Knobelaufgabe“, gestand Karla und wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn.
Damit sie und die anderen jederzeit Zugang zu dem Rechner bekommen konnte, richtete sie gleich ein paar Konten ein. Das oder vielmehr die Passwörter für den Administratorzugang würde sie zwar nicht vergessen, aber sicher ist sicher. Wenn sie nicht konnte, mussten die anderen mit dieser Technik umgehen können. Ungeduldig mussten sie warten, bis die künstliche Intelligenz meldete, dass wieder eine direkte, geistige Kommunikation möglich war.
'Zugang zu allen Datenbänken erlaubt' hörte sich für Karla an wie wenn Weihnachten wäre.
„Wo sind meine Eltern?“, wollte sie als erste Information wissen.
„Im Jahre 2011 bei der Rekrutierung von Versuchsperson 38578 getötet“, kam als stoische Auskunft.
Karla war entsetzt. Man hatte sie wegen ihrer mathematischen Fähigkeiten ihren Eltern weggenommen und diese getötet, damit nichts an die Öffentlichkeit gelangte. Der nächste war Jonny, der einen Schock versetzt bekam. Seine Adoptiveltern hatten wirkliche Elterngefühle zu ihm entwickelt und wurden deshalb ebenfalls eliminiert. Es durfte keine Zeugen geben, die bekunden konnten, welche unerlaubten Versuche man an Kindern vollführte. Die Frage nach leiblichen Eltern wurde noch viel erschütternder beantwortet.
Er war ein Reagenzglasbaby.
In seiner Datei stand seltsamerweise auch, dass man ihn im März 2015 als gescheitertes Versuchsmodell eliminiert hatte.
Jeder konnte Einsicht in seine Lebensgeschichte nehmen. Man hatte sie alle mit Gewalt ihren Eltern oder Adoptiveltern entrissen und jede Person getötet, die Aussagen hätte machen können. Es war makaber, denn trotz allem hatten sie Glück gehabt, nicht tauglich für die Konditionierung gewesen zu sein. Sonst würden sie heute als verunstaltete Monster durch die Gegend laufen und andere Menschen ermorden.
Nein, es war genug. Keiner wollte länger in den Daten nach weiteren Informationen suchen. Was sie erfahren hatten, war so grausig, da brauchte man erst einmal Zeit, um es zu verarbeiten.
„Das... Nein, das kann doch alles nicht wahr sein“, murmelte Jennyfer und konnte sich nur mühsam das Weinen verkneifen.
Karla saß traurig neben ihr. Ihre überragende Intelligenz hatte ihre Eltern das Leben gekostet.
„Wäre ich bloß dumm geboren worden“, flüsterte sie, während eine Träne über ihre Wange kullerte.
„Verdammte Mistkerle. Von diesem Lumpenpack könnte ich jeden einzeln erwürgen“, brauste Karl auf, „das sind Verbrecher!“
„Und doch haben sie uns aus irgendeinem Grund am Leben gelassen“, gab Klaus leise zu bedenken.
„Professor Goldheimer hat uns betreut nach unserem angeblichen Tod. Da sollten wir in den Dateien nachforschen. Vermutlich hat man ihn deshalb umgebracht“, sinnierte Armin laut. „Wenn wir die Lastrelais manuell aktivieren, müssen wir höllisch aufpassen“, erinnerte er an ihre dringendste Aufgabe. „Wer weiß, wie viele von diesen verunstalteten Monstern da unten noch herumrennen.“
„Die können einem fast leid tun. Bestimmt wollten die nicht so enden“, meinte Klaus und atmete tief durch, um seinen Frust zu lindern und sich zu entspannen.
Die sechs waren noch so geschockt, dass sie nicht bemerkten, dass sich eine der acht Zugangstüren geöffnet hatte. Fast war es zu spät, als Jennyfer in ihren Gedanken eine unbändige Wut spürte und im gleichen Moment eines dieser zerlumpten Monster mit einer prügelartigen Waffe in der Hand direkt auf Karl zustürmte.
„Karl, pass auf!“, konnte sie gerade noch warnen, aber es war zu spät.
Die Gestalt schlug unbarmherzig auf Karl ein.






Die vergessene Armee der Kinder


Kapitel 09 Die Datenbank

Rohtextversion

Armin wusste, dass die Zeit drängte. Trotz allem durften sie sich nicht verrückt machen lassen. Die unbekannte Gefahr, welche irgendwo da unten in den Tiefen dieser Raumstation auf sie lauerte, war nicht zu unterschätzen. Sie besaßen einfach zu wenig Informationen um sich gegen dieses unbekannte Monster wehren zu können. „Wir müssen unbedingt noch einmal mit dem Computer Kontakt aufnehmen“, sinnierte Armin laut.

Ein ungewöhnlicher Ernst hatte sich unter den Jugendlichen breit gemacht. Der Schock über den Anblick der getöteten jungen Frau saß allen noch in den Gliedern. Fast wortlos folgten sie Armin, der vorhatte, bis in die oberste Ebene zu gehen um dort an der Hauptschaltkonsole des Zentralcomputers Kontakt mit dieser künstlichen Intelligenz aufzunehmen. Nachdenklich blickte er zu Karla. Wie wenn sie seine Frage, die ihm im Kopf herum ging, ahnen könnte, überlegte sie laut: „Irgendwie muss dieser Sperrcode für die wichtigen Daten doch zu knacken sein“.

„Das macht doch unsere Intelligenzbestie mit Links“, antworte Karl mit verhaltener Stimme. Niemand lachte. Karl hatte den Ernst der Situation etwas überspielen wollen – es war ihm nicht gelungen.

In einem der „Transporterräume“ angekommen, alle standen in dem beleuchteten Kreis, stellte Armin auf seinem Armband den Zielort ein: Oberstes Deck.

Keiner der Jugendlichen war mehr überrascht, plötzlich an einem anderen Ort zu stehen. Das Hologramm von Armins Armband zeigte genau den Standort, an dem sie sich jetzt befanden.

„Wir müssen durch das Biotop gehen, das Computerhauptteminal liegt genau in dessen Zentrum“, forderte er die anderen auf, ihm zu folgen.

„Wartet!“, warnte plötzlich Jennyfer und lauschte aufmerksam nach irgend welchen „Geräuschen“. Nur Jonny begriff, wonach Jennyfer lauschte. Die anderen machten ein ratloses Gesicht – sie konnten absolut nichts ausser ihrem eigenen Atmen hören.

„Was.... Was habt ihr denn entdeckt“, wollte Karla zaghaft und ängstlich wissen. Sie besaß vermutlich von allen sechs die überragendste Intelligenz und wusste, dass es Menschen mit paranormalen Fähigkeiten durchaus in der Realität gab. Ihr war inzwischen bewußt geworden, dass jeder von ihnen über eine Fähigkeit verfügte, die sie von normalen Menschen abhob. Jennyfer und Jonny schienen die Gabe zu besitzen, Gedanken lesen zu können. Vermutlich lauschten sie nicht auf Geräusche, sondern auf „Gedanken“.

Der Blick von Jonny sagte mehr wie tausend Worte. Etwas erschrocken, dass Karla seine Fähigkeit entdeckt hatte, mischte sich mit der Überraschung, dass sie diese Fähigkeit fast wie „selbstverständlich“ akzeptierte.

Wenn er zurück dachte, wie er in richtige Panik gefallen war, als er das erste mal sich bewußt mit dieser Fähigkeit konfrontiert sah – es war der absolute Albtraum gewesen. Das war, wie wenn man aufwacht und feststellt, dass es in der Realität noch schlimmer als im Albtraum ist.

Es war bei einem seiner ersten entscheidenden Spiele gewesen. Zuvor hatte er immer die Spielzüge seiner Gegner „unbewußt“ voraussagen können. In diesem Spiel hatte er allerdings plötzlich auch noch „gefühlt“ dass die gegnerische Mannschaft beschlossen hatte, ihn gnadenlos mit brutalster Gewalt auszuschalten. Die Schande wird er nie vergessen. Seine eigene Mannschaft hatte das Spiel haushoch verloren, weil er anscheinend mehr vor einer unbekannten Gefahr davongelaufen ist, als sich um den Ballbesitz zu kümmern.

Mit der Zeit hatte er allerdings gelernt, diese „Ahnungen“ zu unterdrücken – ein Medikament hatte sehr geholfen.

„Hey – Du Schlafmütze, was ist denn los mit dir?“, wurde plötzlich Jonny aufgefordert, den anderen zu folgen. Er war in Gedanken versunken schon weit hinter den anderen zurückgefallen – sie hatten sich inzwischen aufgemacht, zu dem Zentrum in dem Biotop zu gehen.

Sofort hörte er wieder diese verworrenen fremden Gedanken in seinem Kopf. „Es scheint ungefährlich zu sein“, erklärte ihm Jennyfer zugleich. Sie hatte diese fremden Gedanken natürlich auch gespürt und wusste inzwischen, dass sie nicht aus dem Zentralcomputer kamen.

„Einsamkeit – Ausweglose Situation – Angreifende Monster – Keine anderen Menschen mehr.“ So etwas hatte Jennyfer noch nie in einem ihrer eigenen Alpträume verspürt. Dieses fremde Bewusstsein schien allerdings in diesen Gedanken gefangen zu sein.

Das Biotop war eine kuppelförmige Anlage, die sich praktisch über die gesamte Oberseite der Raumstation erstreckte. Kaum hatten sie den Türbereich erreicht, wurde eine Art Schiebetüre elektrisch mit leise summendem Geräusch zurückgefahren.

„Wohw! Das gibt es doch nicht!“, entfuhr es Klaus unbewußt, als er sah, was sich auf der anderen Seite dieser Tür verborgen hatte.

Mit staunenden Gesichtern standen auch die anderen Fünf am Eingang.

„Das ist ja wie ein kleines Paradies“, mutmaßte Karla. Ihre Augen fingen richtig an zu leuchten – in diesem Raum gab es bestimmt viel zu entdecken. Fast vergaß sie, warum sie eigentlich hierher gekommen waren.

Der gesamte Raum war mit Pflanzen übersät. Kleine Wege schienen zu früheren Zeiten dazu gedient zu haben, dass man bequem zwischen den Pflanzanlagen herumlaufen konnte. Jetzt war alles wie im Urwald überwuchert und machte einen recht verwilderten Eindruck.

Die Luft war dumpf und feucht. Es roch nach Wald und irgendwelchen Blüten. Armin sog die Luft tief ein. „Wie früher zuhause“, erinnerte er sich sehnsüchtig.

Die Kuppeldecke schien aus einer seltsam gelbweis leuchtenden Substanz zu bestehen, spendete aber ein gutes Tageslicht. Vermutlich ein Farbspektrum, welches auf die Pflanzenwelt abgestimmt war.

„Ob es hier drinnen auch Tiere gibt?“, wollte Klaus wissen.

Jennyfer schien allerdings überzeugt, dass es in diesem Raum nur ein Lebewesen ausser ihnen gab.

Vorsichtig, um nicht zu stolpern gingen sie langsam weiter. Kaum ein paar Meter von der Türe entfernt, schloss sich diese wieder mit einem summenden Geräusch.

Während Karla schon von ihrer Neugier in dem neuen Raum festgehalten wurde, machte Karl unbewußt sofort ein paar Schritte in Richtung der sich schließenden Türe – wie wenn er Angst hätte, in diesem Raum gefangen zu sein sobald sich die Tür vollständig geschlossen hatte.

Armin deute an, dass er keine unnötige Zeit verlieren wollte und marschierte weiter in Richtung Zentrum dieser Anlage. „Da scheint wirklich schon lange niemand mehr gewesen zu sein“, stellte er fest, während er über die wuchernden Pflanzenausleger kletterte.

„Das Arche Noah-Projekt“, fiel Karla plötzlich ein. „Das muss das Arche Noah-Projekt sein!“, war sie sich sicher.

Die fragenden Gesichter der anderen sprachen Bände.

Es dauerte fast zwei volle Stunden bis sie bei der Computerschaltzentrale angekommen waren. Die Eingangstüren waren fast von den wuchernden Pflanzen zugewachsen.

„Oh Mann, da braucht man ja eine Holzfällerausrüstung um sich da durchzukämpfen“, meinte Klaus, als er die manchmal armdicken Äste der Kletterpfanzen begutachtete.

„Mal sehen, da gibt es bestimmt auch noch ein paar andere Eingänge“, vermutete Armin und aktivierte sein Armband. Das Hologramm zeigte acht Eingänge insgesamt. Die Computerzentrale bestand aus einem kuppelförmigen Raum mit circa 30 Meter Durchmesser und zehn Metern Höhe. Dass diese Kuppel teilweise von den Kletterpfanzen überwachsen worden war, zeugte davon, dass er schon lange nicht mehr benutzt wurde.

Armin lief am Rand der Kuppelraumes entlang – sofern es die Pflanzen zuließen. „Da, durch diese Tür kommen wir bestimmt in die Zentrale hinein“, erkannte er bei der dritten Tür.

„Himmel Arsch und Zwirn“, schimpfte im nächsten Moment Karl. Er war aufgrund seiner Körpergröße zwischen den besonders stark verwachsenen Ästen einer Buschgruppe hängengeblieben und das reißende Geräusch seiner Kleidung verhieß nichts gutes.

„Hey – Jetzt wartet doch mal!“, forderte Karla die anderen auf, Karl zu helfen, „unser Walross hängt fest“.

„Halt du dein loses Mundwerk, und geh aus dem Weg – gleich gibt’s Kleinholz!“, warnte Karl und schien richtig wütend zu werden.

Plötzlich flogen nur noch die Fetzen durch die Gegend. Wie Papierschlangen riss Karl die armdicken Äste einfach ab und verschaffte sich so wieder Luft um aus dem Geäst herauszukommen.

„Was ist los?“, fragte Karl, als ihn alle entsetzt ansahen, „wenn man nicht so ein dünner Spargel wie Karla ist, die sich wie eine Schlange zwischen den Ästen hindurchzwängen kann, dann muss man das hinderliche Geäst doch einfach wegmachen!“

„Ja, ja.... Schon... Da hast du ja recht....“, stotterte Jonny, der fast eines der Holzstücke am Kopf abbekommen hatte. „Aber jetzt erkläre mir mal, wie du einfach so mit den Händen Bäume ausreißen kannst! - Das ist doch nicht normal!“

Nachdenklich sah Karl auf seine Hände ob er sich dort bei der Aktion einen Holzsplitter eingefangen hatte. Da hatte Jonny recht – das war wirklich schon seltsam.

Wie zur Probe nahm Karl eines der Stücke, welche er zuvor abgerissen hatte und wog es nachdenklich in der Hand. Es war ein armdickes Stück massives Holz. Normalerweise konnte es niemand nur mit der Muskelkraft biegen oder gar auseinandereissen.

Karl packte beide Enden und versuchte, es auseinanderzuziehen. Sein Gesicht wurde rot wie eine Tomate – seine Hände fingen an zu schmerzen. Aus Angst, abzurutschen und sich doch noch einen Holzspleiss in die Haut zu stechen gab er seinen Versuch schließlich resigniert auf.

„An was hast du vorher gedacht, als du in dem Geäst festgehangen hast?“, fragte plötzlich Karla.

„Na so eine blöde Frage: Dass ich unbedingt freikommen muss natürlich“, entrüstete sich Karl.

Karla schien zu überlegen. Sie waren ja schon eine seltsame Gruppe. Konnte es sein, dass Karl besondere Fähigkeit darin bestand, dass er in bestimmten Situationen besondere Körperkräfte entwickeln konnte?

„Probier es noch einmal!“, forderte sie Karl auf.

„Das ist doch Blödsinn“, wehrte er ab, sich vor allen zu blamieren.

„Doch, probier es noch einmal, ich habe da so eine Idee“, fordert Karla noch einmal – aber in ihrer altbekannten forscherischen Art von Neugier.

Zaghaft nahm Karl das Holzstück noch einmal in beide Hände und sah Karla fragend an.

„Jetzt stell dir vor, du kannst das Stück Holz ganz einfach auseinanderbrechen“, sugerierte sie Karl.

„Quatsch, das funktioniert doch nicht“, wehrte der sofort ab.

„Es funktioniert nur nicht, weil du meinst, es geht nicht“, versuchte Karla ihm zu erklären.

„Also du meinst wirklich, ich muss nur daran denken, dass ich das Holz auseinandereissen kann“, spottete Karl und wie zur Bestätigung machte er mit den Armen eine entsprechende Bewegung, „und schon soll es passieren?“

Das krachende Geräusch während er sprach war Erklärung genug. Völlig verdutzt hielt Karl zwei Holzstücke in seinen Händen. „Hey – Ich werd verrückt, das gibt es doch nicht!“, rief er überrascht aus.

Wie wenn es es immer noch nicht glauben konnte, griff er sich noch ein Stück und probierte seine „neu entdeckte Fähigkeit“ noch einmal aus. „Es funktioniert“, verkündete er freudestrahlend. Und weil ihm Karla das Geheimnis seiner Fähigkeiten verraten hatte, wollte er sich natürlich bei ihr sofort bedanken.

„Pass auf – lass Karla am Leben!“, warnte Jennyfer sofort, weil Karl gedacht hatte, sich mit einer herzhaften kräftigen Umarmung zu bedanken.

„Ich glaube, jeder von uns birgt so ein kleines Geheimnis“, stellte Karla jetzt doch ernüchtert fest, „wir müssen unbedingt herausfinden, warum man uns auf diese Raumstation verfrachtet hat!“

Das war praktisch der Aufruf, endlich in diese Computerzentrale zu gehen.

Der Servomotor der Türe hatte sichtlich zu kämpfen, den Kräften der Pflanzen zu trotzen die sich auf der Oberfläche der Türe mit ihren Saugnäpfen einen Halt gesucht hatten. Das ungleichmäßige laute und wütende Brummen verstummte erst, als sich die Tür vollständig geöffnet hatte.

Jetzt war es Karl, der die letzten Ausleger der Pflanzen von dem Eingang beseitigte. Es machte ihm offensichtlich Spaß, seine neue Fähigkeit einsetzen zu können.

„Gigantisch“, entfuhr es Armin, als sie durch die Tür traten und sahen, was sich in dieser Zentrale alles an Technik verborgen hatte. Es war praktisch das „Gehirn“ dieser Station.

Allerdings erkannten alle, dass auch hier eine Zerstörung stattgefunden hatte. Eine Schaltkonsole sah recht mitgenommen aus – als ob jemand versucht hätte, sie mit einem Hammer zu zertrümmern.

„Oh verdammt“, entfuhr es Armin, als er sah, dass gerade diese Konsole die Aufschrift trug: Automatische Flugsteuerungsreglung.

Es gab nur einen einzigen Kommunikations-Sessel, genau in der Mitte des Raumes – die anderen Sitzgelegenheiten waren normale Stühle – bequem, aber ohne die Technik einer Kommunikationseinrichtung. Armin zögerte nicht, sich in den „Kommunikationssessel“ hineinzusetzen. Er musste unbedingt wissen, wie man die Station wieder in die richtige Flugbahn lenken konnte. Ausserdem wollte er von der künstlichen Intelligenz etwas mehr über die Umstände erfahren, die sie auf diese Station verschlagen hatten.

Dieses mal wurden allerdings keine Detektoren aus den Kopfstützen ausgefahren, sondern es senkte sich von der Decke ein großes helmartiges Gebilde, welches sich über seinen Kopf stülpte. Diese halbkugelförmige Glocke hatte außen hunderte von kleinen Antennen. Ein dickes Bündel Leitungen verriet, dass vermutlich sehr viele Informationen gleichzeitig mit dieser Art Kommunikationsanlage übertragen werden konnten.

Armin konnte nicht nur die „Gedanken“ der künstlichen Intelligenz hören, sondern befand sich sofort wie in einem virtuellen Raum. Alle Information waren direkt an den Ort ihres Geschehens projiziert.

Die Flugsteuerungsreglung war vor knapp 7 Tagen zerstört worden – hatte aber anscheinend zuvor auch schon nicht richtig funktioniert, weil ihre endgültige Programmierung nicht fertiggestellt worden war.

In der Protokollaufzeichnung über die Zerstörung konnte Armin erkennen, dass die Zerstörung von einer jungen Frau durchgeführt worden war. Sie hatte leider ihr Erkennungsarmband nicht getragen als sie diese Aktion durchgeführt hatte. Vermutlich war sie auch ein Besatzungsmitglied wie diese Frau, die sie tot aufgefunden hatten. Warum sie die Steuerung zerstörte, konnte die künstliche Intelligenz des Rechners nicht beantworten.

Viel wichtiger war es für Armin zu erfahren, dass man mit einer entsprechenden Programmierung die Flugsteuerung auch ohne den zerstörten Modul durchführen konnte. „Wenn doch jetzt nur Karla dabei wäre“, dachte er kurz – und schon stand sie in dem virtuellenen Raum neben ihm.

Die vielen Antennen an der Helmglocke hatten die Funktion, andere Gehirne mit demjenigen koppeln zu können, welcher gerade unter dem Helm saß.

Bei der Programmierung war Karla in ihrem Element. Das unfertige Programm der Flugsteuerung kannte sie fast auf Anhieb. Es war die „Handschrift“ von Professor Goldheimer. Mit ein wenig Geschick konnte man dieses Programm umschrieben und auf die noch intakten Steuerungseinheiten umlenken.

Armin verstand nicht so viel von Programmierung wie Karla – und sah deshalb verblüfft zu, wie sie in Gedankenschnelle sich durch die komplizierten Strukturen des Programms hindurchbewegte und Änderungen vornahm. Die einzelnen Module dieser Station leuchteten nacheinander als „aktiviert“ auf, je weiter Karla mit der Programmierung kam.

Es war erstaunlich, dass selbst die künstliche Intelligenz des Computers manchmal nach Wegen vergeblich suchte, die Energie von den Generatoren an die Lastrelais zu leiten, und Karla dann letztendlich doch eine Lösung fand.

Kurz blitze es in den Gedanken von Armin auf: „Das habe ich gehört“. Er hatte gerade für einen winzigen Augenblick daran gedacht, dass Karla sich bestimmt so viel Mühe gab, weil sie absolut Angst davor hatte, in diese Relaisschaltzentrale gehen zu müssen um alles mühsam manuell zu aktivieren.

Als Karla mit dem Programm fertig war, konnte Armin sehen, dass 98% aller Energischaltkreise wieder aktiv waren.

„Für einen Menschen mit nur 14 Jahren Funktionserfahrung nicht schlecht“, lobte die künstliche Intelligenz. Sie hatte zuvor eine maximal erreichbare Funktionstüchtigkeit von 62% ermittelt. Karla konnte sich ein verschmitztes Lachen nicht verkneifen – Funktionserfahrung war eine lustige Bezeichnung für die Mühe, in die Schule gehen zu müssen.

Die Sicherungsrelais mussten allerdings noch manuell reaktiviert werden. Kaum hatte Karla an Karl gedacht, schon war er mit in den virtuellenen Raum eingebunden. Er war allerdings gar nicht so erfreut darüber, gleich seine neue Fähigkeit an diesem unbekannten Mordmonster ausprobieren zu dürfen.

Karl wollte natürlich von der künstlichen Intelligenz wissen, was sich dort unten in der Station für eine Kreatur verbarg. Leider waren die gesamten Überwachungskameras und Sensoren in diesem Bereich ausgefallen. Es hatte einen heftigen Kampf gegeben – war in der Protokolldatei vermerkt.

„Protokolldatei abspielen“, befahl Armin. Ein geistiger Schrei des Entsetzens entfuhr Karla, als sie sah, welche Monster da gehen die Besatzung der Station gekämpft hatten.

Armin war nicht minder erschrocken und dachte sofort, dass auch die anderen vor diesen Monstern gewarnt werden müssten.

Für Jennyfer, Jonny und Klaus war es wohl der größte Schock ihres Lebens, sich plötzlich in einem Raum zu sehen, in dem ein Kampf zwischen der Schiffsbesatzung und wirklichen Horrormonstern stattfand.

Jennyfer wollte zurückspringen, als sie von einem Hieb dieser Schlächter getroffen wurde. Ihr Aufschrei verklang in einem überraschten Ausruf. Das Schwertartige Gebilde war durch sie hindurchgeglitten als ob sie aus Wasser bestände. Ausserdem nahmen die kämpfenden Personen überhaupt keine Notiz von ihr. Erst jetzt wurde Jennyfer bewusst, dass sie sich nur geistig in einem virtuellenen Raum mit dem projizierten Geschehen befand.

Nicht nur ihr war es so ergangen. Auch Klaus sah überrascht auf seinen Arm, der gerade von einem Geschoss eigentlich hätte zerfetzt sein müssen.

Es war ein recht ungleicher Kampf, die Stationsbesatzung hatte nicht den Hauch einer Chance, sich gegen diese Monster behaupten zu können.

Armin hatte noch nie solche Wesen gesehen – ausser in Horrorfilmen. Die waren allesamt über zwei Meter groß und so mit Muskeln bepackt, als ob sie gleich platzen würden. Überall hingen Kabel und Schläuche aus ihren Körpern heraus, geschützt mit Panzerplatten. Einige besaßen keine Augen – grotesk eingesetzte Kamerasysteme hatten die Funktion der Augen übernommen.

Das Schlimme war aber, dass sie anscheinend nicht besiegt werden konnten. Verletzungen schienen ihnen nichts auszumachen. So etwas hatte Armin noch nie gesehen – nicht einmal in einem Horrorfilm. Da wurde einem dieser Monster der komplette Arm durch ein Geschoss abgetrennt. Während das Monster weiterkämpfte, als ob nichts passiert wäre, entwickelte der Arm ein Eigenleben und betätigte die Waffe so lange, bis das Magazin leer war.

„Was sind dies für Monster“, schrie er fast die künstliche Intelligenz um Aufklärung an.

„Datenstamm 20090000 Programm 1 wird gezeigt“, kam sofort als Antwort. Die Kampfszene verschwand sofort aus dem virtuellenen Raum – leider nicht aus den Gedanken der sechs Freunde.

In der Mitte des Raumes wurde ein überdurchschnittlich gut aussehender Mann abgebildet – mehr als zwei Meter groß, muskulös, eigentlich sympathisch.

„Wohw“, entfuhr es Karla, „mein Traummann!

Tatsächlich hatte dieser im Hologramm dargestellte Mann Ähnlichkeit mit Karl, Jonny – seltsamerweise mit allen vier Jungs.

„Das ist der Prototyp nach einer speziellen Genbehandlung für die Bildung einer Einsatztruppe zur Bekämpfung des weltweiten Terrorismus“, erklärte der Computer.

„Kräftiger, schneller, Schmerzunempfindlich, überdurchschnittlich intelligent“, kam als weitere Erklärung.

„Im Alter von 18 Jahren wird die bionische Modifizierung durchgeführt.“

Jetzt konnte man an der Projektion sehen, was der Computer als bionische Modifizierung verstand: Künstliche Augen, künstliches Gehör, Superschnelle Steuerung aller Muskeln mittels eingesetzter künstlicher Nerven und Sensoren. Selbst Teile des Gehirns wurden gegen irgend welche elektronischen Komponenten getauscht.

„Entsetzlich“, entfuhr es Karla instinktiv, als sie sah, wie man vor ihren Augen diese Monster schuf.

Irgend wann, als man in der Projektion nur noch ahnen konnte, dass es sich zuvor um ein menschliches Wesen gehandelt hatte, beendete der Computer die Vorführung und fragte, ob er nun Datensatz 20090000 Programm 2 zeigen solle.

Armin wollte schon angewidert abbrechen, aber er musste unbedingt herausfinden, was sie mit ihnen vorgehabt hatten. „Datensatz zeigen“, befahl er in Gedanken.

Jetzt sahen sie ihr eigenes bisheriges Schicksal.

Das zweite Programm hatte auf besondere paranormale Fähigkeiten von Menschen gesetzt. Um den Terrorismus zu bekämpfen wurden überall auf der Welt nach Kindern gesucht, die über latente paranormale Begabungen oder über eine überdurchschnittliche Intelligent verfügten. Dass die Eltern sich nicht freiwillig von ihren Kindern trennten, war sofort jedem klar, als er sah, auf welche Art man diese Kinder „rekrutierte“. Mit einer speziellen Genbehandlung verstärkte man diese latent vorhandenen Fähigkeiten um ein Vielfaches.

Ein spezielles Trainingsprogramm und viele Medikamente sollten diese Jugendlichen zu eisernen, emotionslosen und schmerzunempfindlichen Kämpfern machen. Sie waren praktisch allen anderen nicht nur körperlich, sondern auch geistig überlegen.

Erfolgsquote beim Einsatz gegen Terrorismus: 100%.

Erfolgsquote der speziellen Konditionierung: 62%

Jetzt wollte nicht nur Armin wissen, was aus denjenigen geworden war, die die Konditionierung nicht bestanden hatten. Emotionslos gab der Computer bekannt, dass diese Jugendlichen eliminiert worden waren.

Karla war die erste, die wissen wollte, in welchem Status sie sich befanden. Ihr war sofort nach dieser Information klar geworden, dass auch sie zu den „rekrutierten“ Kindern zählten.

„Karla Schulz, Registriernummer 38578: Keine Konditionierung möglich, am 12.03.2015 eliminiert. Karla erschrak fast zu Tode. Genau in diesem Jahr war sie in die Hochbegabtenschule gekommen. War das Krankenhaus und das Heim zuvor die Konditionierungsstätte gewesen?

„Wo sind die Eltern von Karla Schulz?“, kam sofort die nächste Frage von Karla.

„Ohne Administratorrechte kein Zugang zu diesen Daten“, verwehrte die künstliche Intelligenz die Antwort.

„Wer hat Administratorrechte?“, wollte Karla dem Rechner entlocken.

„Professor Goldheimer!“

Karla lies nicht locker, sie musste wissen, was mit ihren Eltern passiert war: „Wo befindet sich Professor Goldheimer?“

Nach einer recht langen Pause kam die Antwort von der künstlichen Intelligenz: „Wurde am 18. Juni 2022 getötet“

„Wer hat als nächster Administratorrechte?“, fing Karla an, einen geistigen Kampf mit der künstlichen Intelligenz zu führen. Sie wusste, dass dieser Computer mit Sicherheit eines der leistungsfähigsten Systeme war. Ihn zu überlisten würde nicht einfach werden, vielleicht auch völlig unmöglich.

„Jennyfer, ich brauche deine Hilfe“, signalisierte sie und versuchte gleichzeitig, sich aus dem geistigen Verband zu lösen.

„Du kannst doch die Gedanken dieser künstlichen Intelligenz lesen?“, war fast eine Feststellung als eine Frage an Jennyfer, als sich auch Jennyfer aus dem virtuellenen Raum zurückgezogen hatte.

Jennyfers fragender Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie nicht wußte, auf was Karla hinaus wollte.

„Ganz einfach, wir bringen den Computer dazu, dass er sich neu startet, dann muss er alle Routinen neu abfragen – auch das Administratorpasswort – und wenn wir schnell genug sind, kannst du es in seinen 'Gedanken' lesen“, versuchte sie zu erklären.

Zurück in dem virtuellenen Raum, wollte Karla von der künstlichen Intelligenz wissen, ob nicht auch noch ein anderer Zugriff auf die Benutzung des Computers haben würde. Der Computer war bis jetzt seit seinem Start nie abgeschaltet worden. Der Logik folgend wußte er aber auch, dass wenn der „Administrator“ nicht mehr lebte, konnte eigentlich niemand den Computer richtig nutzen. Ob noch eine weitere Berechtigung vorhanden war, konnte er aber nur mit der Restartroutine herausfinden. Allerdings mahnte die Logik schon wieder davor, dass bei dem Fehlen eines zweiten Berechtigten die künstliche Intelligenz nie mehr arbeiten konnte. Es war ein Widerspruch in sich. Schaltete er sich nicht ab, war er eigentlich nutzlos – ohne Administrator. Schaltete er sich aber ab, und es gab keinen Zweiten Administrator, dann war er auch nutzlos. Obwohl die Rechneraktivität nach außen immer mehr abnahm, konnte Karla feststellen, dass der Kern kurz vor der Überlast stand. Sie wußte, dass bei einer Kernüberlastung der Rechner zwangsläufig zur Fehlersuche heruntergefahren wurde, ob die künstliche Intelligenz dies nun wollte oder nicht.

Die künstliche Intelligenz bäumte sich noch einmal kurz auf, als die Automatik praktisch einfach den Strom in den Kern abschaltete und alle Komponenten in den Standby-Modus geschaltet wurden.

„Wenn du jetzt den Rechner kaputt gemacht hast, dann haben wir aber ein richtiges Problem“, wandte sich Armin an Karla.

„Ruhig bleiben, Jennyfer muss sich konzentrieren!“, mahnte Karla mit ungewöhnlichem Ernst in der Stimme und sichtlich nervös.

Die ersten Leuchtanzeigen fingen an zu blinken – dann erschien auf der Anzeige die Aufforderung: Bitte Passwort eingeben. Jennyfer saß noch immer mit äußerster Konzentration vor der Konsole. Fast wie in Trance tippte sie die Zeichenfolge 'SUPERNOVA=1990#' auf der Tastatur ein.

Bitte noch einmal Passwort eingeben! kam als nächste Aufforderung. Jennyfer war sich sicher, dass sie es richtig eingegeben hatte. Den winzigen Bruchteil einer Sekunde, als die künstliche Intelligenz sich diese Information von dem Speicher geholt hatte, war diese Zeichenfolge in ihren Gedanken gewesen. Leider war aber auch noch ein anderer Begriff aufgetaucht: 'Eveline=1990#'

Sie gab Karla diese Information. Karla war sonst recht schnell in ihren Entscheidungen – diesesmal brauchte es etwas länger. Sie kannte die Denkweise des Professors recht gut – er liebte solche ausgefallenen Spielchen geradezu.

„Nun gib das andere Passwort schon ein“, drängte Armin seine Freundin.

Sorgfältig tippte sie die Zeichenfolge 'EVELINE=1990#' ein – um nach einem kurzen Moment später die Meldung zu bekommen: Passwort falsch, bitte richtiges Passwort eingeben!

Jetzt standen alle Sechs recht ratlos vor der Eingabekonsole. Jeder wusste, dass man bei diesen Rechnersystemen nur drei mal die Möglichkeit besaß, ein Passwort einzugeben – danach brauchte man wirklich den Administrator um den Rechner nach 24 Stunden Sperrzeit wieder starten zu können.

„Ich versuch es noch einmal“, entschied Karla und gab das erste Passwort noch einmal ein. Wie beim ersten mal, kam sofort die Meldung: Bitte Passwort noch einmal eingeben.

„Das verdammte Passwort ist falsch“, jammerte Karl, „was machen wir den jetzt damit das Ding wieder funktioniert?“

„Immer ruhig bleiben“, beschwichtigte Karla und saß noch ein Weilchen nachdenklich vor der Eingabeeinheit. „Da steht nicht, das das Passwort falsch ist!“, sinnierte sie laut, „nur dass man es noch einmal eingeben soll.“

'SUPERNOVA=1990#' tippte sie deshalb noch einmal ein.

Jeder wartete gespannt – da hätte man praktisch eine Stecknadel fallen hören.

Bitte Passwort eingeben! stand als nächstes auf der Anzeige.

Jeder sah den anderen resigniert an. Ausser Karla – sie wußte dass ihr Professor diese Anlage sicher schützen wollte – und darauf, dass man gleich zwei Passwörter abfragen würde, darauf würde bestimmt ausser ihm niemand kommen.

Mit flinken Fingern tippte sie deshalb 'EVELINE=1990#' ein und drückte die Bestätigungstaste.

„Mann ich kanns nicht glauben – wer kommt denn auf so eine Passwortprozedur?“, stieß Armin erleichtert aus, als jetzt auf der Anzeige zu sehen war, dass sich der Rechner startete und weiter hochgefahren wurde.

„Mein lieber Schwan – das war jetzt aber mal wirklich eine Knobelaufgabe“, gestand Karla ein und wischte sich die Schweißtropfen von der Stirn.

Damit sie selbst und auch die anderen jederzeit Zugang zu dem Rechner bekommen konnte, richtete sie gleich noch ein paar Konten ein. Das, oder vielmehr die Passwörter für den Administratorzugang würde sie zwar nicht vergessen, aber sicher ist sicher – dachte sie sich. Wenn sie aus irgend einem Grund nicht konnte, mussten auch die anderen mit dieser Technik umgehen können.

Ungeduldig mussten sie warten, bis die künstliche Intelligenz meldete, dass nun wieder eine direkte geistige Kommunikation möglich war.

'Zugang zu allen Datenbänken erlaubt' hörte sich für Karla an wie wenn Weihnachten wäre.

„Wo sind meine Eltern“, wollte sie natürlich als erste Information wissen.

„Im Jahre 2011 bei der Rekrutierung von Versuchsperson 38578 getötet“, kam als stoische Auskunft. Karla war schockiert. Man hatte sie praktisch wegen ihrer mathematischen Fähigkeiten ihren Eltern weggenommen und diese sogar getötet damit nichts an die Öffentlichkeit gelangte.

Der nächste war Jonny, der einen Schock versetzt bekam. Seine Adoptiveltern hatten wirkliche Elterngefühle zu ihm entwickelt und wurden deshalb ebenfalls eliminiert. Es durfte praktisch keine Zeugen geben, die bekunden konnten, welche unerlaubten Versuche man an Kindern vollführte. Die Frage nach leiblichen Eltern wurde noch viel schockierender beantwortet: Er war praktisch ein Reagenzglasbaby. Seltsamerweise stand auch in seiner Datei, dass man ihn im März 2015 als gescheitertes Versuchsmodell eliminiert hatte.

Jeder konnte Einsicht in seine Lebensgeschichte nehmen – man hatte sie alle mit Gewalt ihren Eltern oder Adoptiveltern entrissen und praktisch jede Person getötet, die irgend welche Aussagen hätte machen können.

Es war schon makaber – trotz allem hatten sie noch Glück gehabt, dass sie für die „Konditionierung“ nicht getaugt hatten – sie würden sonst heute auch als verunstaltete Monster durch die Gegend laufen und andere Menschen ermorden.

Nein, es war genug – keiner wollte länger in den Daten nach weiteren Informationen suchen. Das was sie erfahren hatten war so grausig, da brauchte man wirklich erst einmal Zeit um es zu verarbeiten.

„Das.... Nein, das kann doch alles nicht wahr sein“, flüsterte Jennyfer leise und konnte sich nur mühsam das Weinen verkneifen.

Karla saß ebenfalls traurig neben ihr. Ihre überragende Intelligenz hatte praktisch ihre Eltern das Leben gekostet. „Wäre ich doch nur dumm geboren worden“, flüsterte sie leise während eine Träne über ihre Wange kullerte.

„Verdammte Mistkerle – von diesem Lumpenpack könnte ich jeden einzeln erwürgen“, brauste Karl plötzlich auf, „das sind doch richtige Verbrecher!“

„Und doch haben sie uns aus irgend einem Grund am Leben gelassen“, flüsterte Klaus leise.

„Professor Goldheimer – er hat uns immer betreut – nach unserem angeblichen Tod. Da sollten wir einmal in den Dateien nachforschen. Vermutlich hat man ihn auch deshalb umgebracht“, sinnierte Armin laut.

„Wenn wir die Lastrelais manuell wieder aktivieren, müssen wir höllisch aufpassen“, erinnerte er an ihre dringendste Aufgabe. „Wer weis, wie viele von diesen verunstalteten Monstern da unten noch herumrennen“

„Die können einem fast schon wieder leid tun – die wollten bestimmt nicht so enden“, meinte Klaus und atmete tief durch um seinen Frust ein wenig zu lindern und sich zu entspannen.

Die Sechs waren immer noch so geschockt, dass sie gar nicht bemerkten, dass sich inzwischen eine der acht Zugangstüren geöffnet hatte.

Fast war es zu spät, als Jennyfer in ihren Gedanken plötzlich eine unbändige Wut spürte und im gleichen Moment eines dieser zerlumpten Monster mit einer prügelartigen Waffe in der Hand direkt auf Karl zustürmte.

„Karl – Pass auf!“, konnte sie gerade noch warnen, aber schon schlug diese Gestalt unbarmherzig auf Karl ein.



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Kommentare


Von Aabatyron
Am 07.05.2009 um 20:01 Uhr

Vielen Dank an Sunshishi für die gelungene Lektorierung des Rohtextes!





~*~ Werner May ~*~


Von Aabatyron
Am 04.02.2009 um 20:36 Uhr

Danke für die Kritik. Das mit der neuen Rechtschreibung ist wirklich ein kleines Problem wenn man es auf die "alte Art" gelernt hat. In einer neuen Art der Zusammenarbeit von Hobbyautoren hat sich Sunshishi die mühevolle Arbeit gemacht, die Geschichte bis Kapitel 8 mit der neuen Rechtschreibung zu lektorieren und ich muss dir recht geben: Die Kapitel sind gegenüber dem Rohtext sehr viel verbessert worden.

Die lektorierte Version ist bei den bearbeiteten Kapiteln dem Rohtext vorangestellt.


Von Paglim
Am 02.02.2009 um 14:52 Uhr

So, hab bis hierher alles gelesen. Kann dir natürlich jetzt keine ausführliche Einzelkritik geben, da es einfach viel zu viel Text ist. Allgemein möchte ich sagen: Sehr interessante, gut ausgearbeitete Geschichte, ein typischer Jugendroman würde ich sagen, mit einigen Schwächen an der Oberfläche. Damit meine ich Rechtschreibung, Zeichensetzung, Ausdruck etc. Aber das sind alles Sachen, die man beim zweiten Lesen leicht korrigieren kann.

Bis hierhin also erst einmal Daumen hoch für die Geschichte.

lg

Pascal aka Paglim

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