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Prosa => Humor & Satire


Die falsche Tochter - von Aabatyron, 03.06.2007
Die falsche Tochter

Verzweifelt um gute Reimesworte fleht,
der einsame Mann, von Beruf Poet.
Hat einen schwierigen Auftrag angenommen,
bis jetzt noch kein guter Gedanke ist ihm gekommen.
Sehr arm ist seine Familie, hat meist kein Geld,
da gibt‘s noch viele andere dergleichen auf der Welt.
Ein gutes Gedicht soll er für den Amtmann machen,
wahr soll es sein, auch nicht ein‘s zum lachen.
Die Tochter des Hauses soll es bekommen,
hat in drei Tagen die Volljährigkeit erklommen.
Ihre Anmut, Schönheit soll er beschreiben,
und dabei immer bei der strikten Wahrheit bleiben.
Gesehen hat er diese Tochter voll mit Graus,
wie sie am Tisch gefuttert hat einen großen Schmaus.
Eine Körperfülle dass fast die Kleider platzen,
das kann einem Dichter die ganze Kunst verpatzen.
Was passiert wohl wenn er da die Wahrheit schreibt,
dass des Amtmanns Tochter ist so wohlbeleibt?
Das ganze macht dem guten Mann gar große Sorgen,
liegt wach im Bett bis früh am späten Morgen.
Das Gedicht gerahmt, an die Wand gedübelt,
schreibt er die Wahrheit, wird's ihm verübelt.
Da gibt's nur noch einen Weg aus dieser Pein,
umschreiben das Ganze, diplomatisch sein.
So schreibt er, dass das Wasser in dem Teiche,
vor ihrer Schönheit ehrfürchtig zurück es weiche.
In ihrer Anmut sie sei so behende,
dass jeder den Blick nicht mehr von ihr wende.
Bis jetzt scheint ihm noch nichts gelogen,
für gutes Geld darf werden nicht betrogen.
Haare hätt‘ das Mädchen lang und seidig,
ansonsten ein lieblich Geschöpf, grazil geschmeidig.
Jetzt hat der Dichter zwar doch übertrieben,
aber sonst wär‘ kein guter Reim geblieben.
Dann scheint es endlich fertig, das Gedicht,
list's noch mal durch mit freudigem Gesicht.
Jetzt schnell gebracht zu des Amtmanns Tür,
der zahlt sicher gerechten Lohn dafür.
Nein, der Dichter soll‘s der Tochter überbringen,
welche nicht gerechnet hat mit solchen Dingen.
Der Amtmann ruft seine Tochter zu sich her,
der Dichter sieht jetzt wie er sich doch irrte sehr.
Das Mädchen welches wurde grad‘ gerufen,
eine wahre Schönheit steht dort auf den Stufen.
Das Gesicht des Dichters verfällt in Staunen,
aus seinem Munde kommt nur noch Raunen.
Das Mädchen dort ist grazil und schlank,
was ist jetzt los, sind meine Augen krank?
Der Amtmann ob des Erstaunens wohl bemerkt:
die zweite Tochter gerade in der Küche werkt.
Jetzt erkennt der Dichter mit großem Schreck,
seinen Irrtum, steckt‘s Gedicht schnell weg.
Die richt‘ge Tochter flink und äusserst behendet
ihm trotzdem das Schriftstück schnell entwendet.
Sie liest die Worte und ist nicht gekränkt,
merkt nicht, in welch Zweideutigkeit ist eingezwängt
der ganze Text gut gereimt geschrieben,
der Dichter zum Fest sogar dann ist geblieben.
Aufgehängt sein Gedicht an der Ahnen Wand,
unverhofft er überall jetzt berühmt und bekannt.
Jedes Mädchen welches diesen Text auch liest,
den Glauben sie sei damit gemeint geniest.
Drum sei dir diese Form des Schreibens eine Lehre,
nur die halbe Wahrheit bringt manchmal Ruhm und Ehre.



Autor: Werner May





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