Als GM gerade seinenBericht fortsetzen wollte,
klopfte mein Vater an die Tuer.
"Tante Hilde hat angerufen. Sie moechte, dass du dort nachher ein kleines Konzert spielst." Hilde war die Besitzerin unseres Urwaldgasthofes. Eigentlich hiess das Hotel Tannenhof. Alle einheimischen nannten es bei Tante Hilde.
Ich sagte zu meinem Vater: "Ja, das kann ich machen.
Ich werde dort gleich einmal anrufen.
Vieleicht koennen wir ja auch mit zwei Leuten dort spielen."
Papa murmelte nur. "Ja, ist ok. gleich kommt Fussball."
Dann war er schon wieder verschwunden.
Mein aeusserst neugieriger Sizilianer fragte interessiert:
"Worum geht es denn?
Ich habe nur das Wort Konzert verstanden."
"Ich spiele oft im Urwaldgasthof.
Nun bin ich spontan gebeten worden,
dies Heuteabend auch zu tun.
Jetzt werde ich dort anrufen und fragen,
ob ich einen Gastmusiker mitbringen darf."
"Du hast mich garnicht gefragt, ob ich das auch will!"
"Also davon gehe ich natuerlich aus.
Du nutzt doch sonst jede Gelegenheit um zu zeigen,
dass du the one and only mr. I am the greatest bist"
Es war kaum zu glauben. GM war total verunsichert
und fing sogar an zu stottern:
"Aber ich kann doch nicht! Ich weiss garnicht! Wie soll ich denn!"
Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange und fragte lachend:
"Was hast du denn fuer ein Problem?
Du spielst bestimmt groessere Gigs als ich."
Er stammelte verzweifelt:
"Nein, das geht nicht! Ich kenne das Publikum nicht!
Ausserdem spreche ich kein deutsch!"
Ich klopfte ihm auf die Schulter und sagte zuversichtlich:
"Kein Problem alter Junge.
Wir zwei werden das schon schaffen!"
Er fragte kleinlaut: "willst du das auch wirklich?
Keineswegs moechte ich mich in dein musikalisches Konzept einmischen.
Ausserdem haben wir kein gemeinsames Programm.
Ich wuerde lieber zuhoeren wie du spielst und singst."
"Ach GM, oft suche ich mir die Songs spontan aus.
Viele von den Liedern welche ich spiele kennst du.
Wir haben doch fast den gleichen Musikgeschmack.
Ich rufe jetzt Hilde an und dann rocken wir das Haus."
Ehe er noch antworten konnte, schnappte ich mir ein Telefon
und rief im Urwaldgasthof an.
Hilde freute sich sehr. "Das ist aber wunderbar.
Einen Gitarristen willst du mitbringen?
Wo hast du ihn denn aufgegabelt?"
"Das erklaere ich dir spaeter.
"Fuer wehn spielen wir eigentlich?""Es ist der Sparclub.
Die Leute kennst du alle."
"Also gut" In einer Stunde sind wir da!"
Mein Sizilianer hatte offensichtlich die Sprache verloren.
"Ich gehe mich anmalen.
Du kannst schon mal die Kabel der Anlage sortieren.
Im Urwaldhotel haben die zwar einen Verstaerker.
Doch der ist nicht zu empfehlen."
GM stand auf und umarmte mich. Er sagte sehr bewegt:
"Ich bin so gluecklich,
weil ich ein Konzert mit dir spielen darf.
Es ist fuer mich eine grosse Ehre. Du sollst wissen,
dass ich dich wirklich sehr gern habe.
Ich bin sicher kein besonders liebenswerter Mensch.
Aber vielleicht magst du mich wenigstens ein bisschen."
Nun hatte er den Spiess umgedreht.
diesmal fehlte Mir die Sprache.
Ich schlug ihm auf die Schulter und fluechtete ins Bad.
Als ich wieder in mein Musikzimmer kam
waren die Kabel und Disketten schon sicher verstaut.
Die Ovation befand sich auch bereitsin ihrem Koffer.
Mein vater rief von unten: "Beeilt euch!
Das Auto steht schon draussen!
Beim Fussball ist jetzt gerade Halbzeit.
Da kann ich euch eben fahren."
GM rief seinen Hund und ich fragte ueberrascht:
"Willst du Ira etwa mitnehmen?
Dort ist es doch viel zu laut fuer das Tier."
"Wunderbar, dass du so fuersorglich bist.
Ira kennt die Konzertumgebung.
Sie schlaeft oft dabei ein.
Bitte sorge dich nicht um den Hund.
es ist wirklich alles ok."
GM schnappte sich die Ovation
und den schweren Verstaerker. Ich nahm den restlichen Kram.
Als wir draussen ankamen meinte mein Vater ungeduldig:
"Ach, seid ihr doch schon da? Dann koennen wir ja starten."
Wir mussten nur fuenf Minuten fahren.
Als wir im Gasthof ankamen,
lief Hilde uns neugierig entgegen.
"Schoen, dass du fuer die andere Band einspringst.
Oh, da haben wir ja noch jemanden!
Sie habe Ich hier noch nie gesehen!"
Ich unterbrach Tante Hildes Redeschwall und sagte:
"Du brauchst ihn garnicht vollquatschen.
Das ist GM mein Musikerkollege.
Er versteht nur englisch. heute rocken wir das Haus!
Da brennt die Luft und die Post geht ab!"
"Na, du hast ja wirklich sehr gute Laune.
Da kann man einmal sehen,
was so ein schoener Mann alles ausloesen kann!"
Ohne darauf einzugehen,
trat ich den Weg in die gute Stube an.
GM, Ira und mein Vater folgten mir.
Wir bauten die Anlage auf.
Als letztes wurde die Ovation
an den Verstaerker angeschlossen.
GM sagte leise:
"Spiele einfach deine Songs so, wie du es gewohnt bist.
Ich haenge mich schon dran. Ambesten stellst du dir vor,
dass ich garnicht da bin."
Darauf gab ich keine Antwort.
Ich begann erst einmal mit meinem Allzweckprogramm.
Es klappte alles wie am Schnuerchen.
Gegen Ende eines Songs fragte er vorsichtig:
"Bist du mit mir zufrieden? Wir haben schliesslich noch nie zu zweit ein Konzert gegeben."
Ich lachte und antwortete froehlich:
"Sicher bin ich mit dir zufrieden,
undzwar in jeder Hinsicht." GM meinte leise:
"Oh das freut mich aber sehr! Bei dir weiss ich,
dass du es auch so meinst wie du es sagst."
Auch bei den anderen Gaesten
hatte GM gleich einen guten Start.
Besonders den Frauen gefiel er sehr.
Die Weiber fragten ihn aus
und ich machte wieder einmal mein Uebersetzerdiplom.
"Spielst du jetzt oefter hier?"
"Das kann ich nicht entscheiden.
Auf keinen Fall moechte ich meiner Kollegin
die Show stehlen."
"Bist du Berufsmusiker?" "Ja und nein."
"Wie meinst du das?"
"Ich bin geschaeftsmann im Bereich Im- und Export.
Die Musik ist meine erste und groesste Liebe.
Niemand, der wirklich liebt, kann so dumm sein,
seine groesste Leidenschaft mit Arbeit zu verbinden."
"Der Hund ist wirklich ein schoenes Tier
und so freundlich und brav!"
Fuer Ira war es ein besonders angenehmer Abend.
Immer wieder wurde sie gestreichelt und gelobt.
Einige Gaeste wollten dem Hund
etwas von ihrem Essen abgeben.
Ira gefiel das sehr.
Doch wir konnten die Leute schliesslich davon ueberzeugen,
dass es fuer den Hund nicht unbedingt vorteilhaftwaere.
Um weiteren Fragen zu entgehen,
spielten wir was das Zeug hielt.
Die Landmenschen sind naemlich immer sehr neugierig.
Es ist einfach nicht zu fassen.
Miss Star hat sich dazu entschlossen
mit mir gemeinsam ein Konzert zu spielen.
Ich werde nicht einmal gefragt, ob ich das auch will.
So etwas ist mir noch nie passiert.
Kurz und knapp telefoniert sie
mit dem Personal des Urwaldhotels.
Dann befiehlt sie im gleichen Tonfall:
"Sortiere schon mal die Kabel
und Disketten in meine Tasche! Wir starten gleich!"
Ich stehe da wie ein verliebter Schuljunge
und weiß erst garnicht, was ich sagen soll.
Ein Konzert und dann auch noch im tiefsten deutschen Urwald.
Wie macht man denn so etwas ueberhaupt?
Wieder einmal wird mir wahnsinnig warm.
Nur diesmal hat es einen anderen Grund.
Mit der letzten Kraft versuche ich mich zu wehren:
"Ich spreche doch kein deutsch!
Ausserdem habe ich noch nie in Deutschland gespielt!
Du hast mich garnicht gefragt, ob ich das auch will!"
alle meine Einwaende werden ignoriert.
Es scheint sie ueberhaupt nicht zu interessieren,
wie ich darueber denke.
Also fuege ich mich in mein hartes Schicksal.
Ganz so einfach soll my one and only star aber
nicht davonkommen. . Sie umarmend sage ich:
"Es ist so schoen, daß du mich mitnehmen willst.
Ich habe dich sehr gern!
besonders Liebenswert oder freundlich
bin ich nicht gerade.
Doch vielleicht magst du mich wenigstens ein Bisschen."
Sie schuettelt mich ab
als sei ich eine aufdringliche Stubenfliege.
Dann haut sie mir auf die Schulter
und verlaesst beinahe fluchtartig das Zimmer.
Wie ihr alle bereits wisst, habe ich ganz schreckliche Angst
vor dem unbarmherzigen Kasernenhofton.
Also sortiere ich brav die Disketten und Kabel.
Anschliessend packe ich alles ordentlich
in die dafuer vorgesehene Tasche.
Hoffentlich ist alles so, wie sie es will. Wenn nicht,
bekomme ich nicht nur Schimpfe
sondern bestimmt auch noch Haue.
Vielleicht muss ich mich bald schon einer Selbsthilfegruppe fuer misshandelte Maenner anschliessen. Hahahaha! .
Waehrend ich noch ueber mein erstes Urwaldkonzert nachdenke, entert Star schon kampflustig den Raum.
Miss Drillinstructor laesst mich zum Appell antreten.
Kurz und knapp fragt sie: "Bist du fertig?
Dann kann es ja losgehen."
Fuer einen Augenblick will ich die hacken zusammenschlagen
und lautstark "Jawohl Herr General" sagen.
Stattdessen verliere ich meine Englischkenntnisse
und stottere in meiner heimatsprache.
Als ich gerade mein englisches Vokabular reaktiviert habe
ruft von irgendwo der Urwaldhaeuptling etwas zu uns hinauf.
Star hat mir erzählt,
daß ihr Vater starke Rueckenprobleme hat.
Also nehme ich den schweren Verstaerker, den Keyboardkoffer und meine Gitarre.
Sie wirft sich
die Tasche mit dem Kleinkram ueber die Schulter
und nimmt die beiden Lautsprecher,
die sicher auch nicht besonders leicht sind.
Mein Hund hat alles verstanden
und laeuft folgsam hinter uns her.
Ich habe keine Hand frei.
Daher kann ich mich nicht an das Fuehrgeschirr haengen.
Draussen wartet schon Stars Vater.
Die beiden diskutieren noch eine Weile
in ihrer Stammessprache. Dann fahren wir los.
Nach einer kurzen Fahrt
sind wir an der urwaldoase angekommen.
Als wir aussteigen, kommt uns die Wirtin entgegen.
Sie quatscht sehr hektisch auf deutsch.
Star faellt der armen Frau grob ins Wort
und die Wirtin ist augenblicklich still.
Also gehen wir hinein.
Der Haeuptling ist so freundlich,
uns beim Aufbau der Anlage zu helfen.
Kurz bevor wir zu spielen beginnen
sagt er noch etwas zu seinem Kind
und ist auch schon wieder fort.
Wahrscheinlich will er zur zweiten halbzeit
wieder zuhause sein.
Miss Star jagt mich gnadenlos durch alle Tonarten.
Das Publikum und sie scheinen sich sehr gut zu kennen.
Singen darf ich anscheinend nicht.
Star macht keine Anstalten
mir auch einmal das Mikrofon zu geben.
Nach zwei Stunden macht Miss Drillinstructor eine Pause.
Als wir beide ein leckeres kuehles Bier vor uns stehen haben
frage ich ganz vorsichtig:
"Ist alles ok? Bist du zufrieden?" "Ja, in jeder Hinsicht."
Ich freue mir ein Loch in den Bauch und grinse so breit,
das meine Ohren Besuch bekommen.
Amliebsten wuerde ich ihr um den Hals fallen.
Doch ich bin ein wohlerzogener Mann
und nur deshalb hebe ich mir das fuer nachher auf.
Was wuerden denn sonst die vielen Menschen denken?
Vielleicht so etwas wie:
"Naja, ein Suedlaender,
Der hat sich eben nicht in der Gewalt.
Das hoert man ja immer wieder von den Italienern."
Dabei bin ich doch Sizilianer
und das ist etwas voellig anderes.
Diese Feinheiten koennen die Urwaltbewohner
natuerlich nicht verstehen.
Ploetzlich beginnen die Eingeborenen sich
fuer mich zu interessieren.
Sie fangen alle gleichzeitig an mir Fragen zu stellen.
Einige sprechen sogar ein ganz gutes englisch.
Meiner Musikerkollegin geht die Neugier des Urwaldvolkes offenbar sehr auf die Nerven.
Wo es noetig ist uebersetzt sie fuer mich und die anderen.
Zwischendurch nimmt sie einen Schluck Bier
und holt tief Luft.
Star bleibt ruhig und freundlich.
Ich glaube, diese Menschen sind ihr Stammpublikum.
Den Kasernenhofton kann sie sich hier nicht leisten.
Als die Fragerei etwas nachlaesst,
legt sie mir die Hand auf die Schulter und meint leise:
"Moechtest du etwas singen?
Ich habe leider nur ein Mikrofon mitgenommen.
Es tut mir leid. Das ist sehr unaufmerksam von mir.
Du hast doch eine so schoene Stimme."
Jetzt hat sie mich eiskalt erwischt.
Was singt man denn im Urwald?
Mir fehlen wieder einmal die Worte.
Als ich nicht sofort antworte,
greift sie nach meiner Hand.
Immer wenn sie dies tut, passiert etwas mit mir.
Aufeinmal ist ihr Mund nah an meinem Ohr und sie fluesstert:
"Bist du nervoes? Es ist alles gut.
Diese Urwaldmenschen sind doch an englische Musik gewoehnt.
Keiner erwartet, dass du in deutscher Sprache singst."
Energisch loese ich meine hand aus ihrer. Dann sage ich:
"Bitte frage die Leute, ob sie das auch wollen.
Ich bin ja nur ein Gastmusiker.
Es ist doch dein Publikum.
Nimm einfach keine Notiz von mir."
Der General bleibt ausnahmsweise stumm und antwortet nicht.
Stattdessen zieht Miss Star mich
mit starker Hand vom Stuhl hoch und befiehlt:
"Die Pause ist vorbei es geht weiter.
Hier hast du das Mikrofon. Sing einfach was du willst."
Ich krieg nen anfall. Was mache ich jetzt bloss?
Weil mir mein Englisch einmal wieder abhanden gekommen ist,
praesentiere ich einige Songs in italienischer Sprache.
Da wird das deutsche Publikum ploetzlich ganz ruhig.
Alle Unterhaltungen verstummen.
Ich weiss immer noch nicht, wie ich mich verhalten soll.
Mit dem Mut der Verzweifelung
spiele ich einen Song nach dem anderen.
Als ich eine kleine Pause einlege,
um die Gitarre nachzustimmen,
applaudieren die Leute wie wahnsinnig.
Fuer einen Moment denke ich:
"Vielleicht ist klatschen im Urwald
ein Ausdruck des Missfallens.
Es koennte auch sein,
dass sie nur aus purer Hoeflichkeit Beifall spenden."
Miss Star bedient die Regler der Anlage
wie ein alteingesessener Tontechniker.
Sie weiss genau, welche Einstellung zum jeweiligen Song
und zu meiner Stimme ambesten passt.
Ploetzlich registriere ich, daß auch sie
nach jedem meiner Lieder applaudiert.
Also meinen die Eingeborenen es
doch offensichtlich gut mit mir.
Viele Leute stehen auf und gruppieren sich um uns herum.
Da fuehle ich wieder ihren Mund an meinem Ohr.
"GM und die Frauen. Hier haben wir folge 15."
Was meint my one and only Star nur damit? Ich frage nicht,
weil ich so grosse Angst vor ihr habe.
Nachher muss ich doch noch im Studio schlafen.
Ich sagte es schon Der General kann stahlhart
und sehr unnachgiebig sein.
200 Jahre spaeter
habe ich das Urwaldkonzert heil ueberstanden.
Star flucht. "So eine verdammte Scheisse!
Ich habe mein Mobiltelefon zuhause vergessen!
Kannst du mir dein Handy leihen?"
Ich erklaere ihr die Handhabung des Telefones
und sie ruft den Haeuptling an, dass er uns wieder abholt.