Der Jüngling
Ein Jüngling sich manchmal ganz und gar verzehrt,
wenn sein Herz ein Mädchen allzu sehr begehrt.
In seinem Traum, und auch dann, wenn er ist wach,
denkt er an sie, seine Knie werden dabei schwach.
Sein Magen oft seltsam kräftig rebelliert,
weil er die Wahrheit zu sagen sich geniert.
Er liebt sie mehr als sein eigenes Leben,
sieht sie manchen Tag, läßt’s ihn erbeben.
Leider weiß sie noch nichts von Ihrem Glück,
bei solchen Dingen fehlt‘s ihm sehr am Geschick.
Wie soll er’s nur seiner Liebsten jetzt bekunden,
dass er sie anbetet, und dies ganz unumwunden.
Ihr Blick so offen, sie liebt wohl jeden Scherz,
diese zwei Augen, ihm wird‘s ganz warm ums Herz.
Kauft ihr jeden Tag Blumen – ganz anonym,
dazu schenkt er ihr auch noch teures Parfume.
Wann endlich wird sie seine Liebe wohl erwidern,
mag sie nicht seine Herkunft? Ist er zu bieder?
Hat sie ihr Herz verschenkt an einen andern?
Aus Kummer müsst er dann weit weg auswandern.
So ist er meist tief versunken in Gedanken,
als plötzlich das Mädchen bricht die Schranken.
Sie weiß inzwischen wer die Geschenke kauft,
wer sich vor Kummer wohl die Haare rauft.
Auch sie liebt schon seit einiger geraumen Zeit,
einen Jüngling, der scheint leider nicht bereit,
zu wagen der Liebe ersten Schritt zu machen,
kauft stattdessen nur viele teure Sachen.
Jetzt fragt sie ihn offen und ohne Scheu,
wie er es halten würde mit der Freundschaft Treu.
Die Freude ist jetzt bei beiden übermächtig,
der Jüngling erholt sich vom Kummer ganz prächtig.
Glücklich sind beide viele lange Jahre,
bis dass ergraut sind von langer Treu die Haare.
Autor: Werner May