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Poesie => Nachdenkliches


Der Held des Krieges - von DoeNut, 18.11.2009
„Wärm dich ruhig am Feuer Sohn, es dauert bis der Morgen kommt.“
Ich hörte auf meinen Alten und rückte etwas näher an den Feuerkreis heran.
Der Himmel war dunkel, keine einzige Wolke war weit und breit, die Sterne leuchteten hoch über uns strahlend hell.
Diese Nächte liebte ich.
Der Feuer knisterte leise und spendete eine wohlwollende Wärme. Das Gesicht meines Vaters war in einem röten Schimmer getaucht und es wirkte düster.
Er reichte mir die Flasche mit dem Schnaps und sagte: „Ich werde jetzt nicht sagen, jeder Topf hat seinen Deckel, andere Mütter haben auch schöne Töchter oder das Meer ist noch voll mit anderen Fischen. Ich sage nur, lass uns trinken. Morgen ist auch noch ein Tag.“
Er hatte recht, das muss ich zugeben aber wird es an meinem Entschluss nichts ändern.
Es wird unsere letzte Nacht sein, für längere Zeit.
Damals dachte ich, es wird wohl das Einzige sein was ich vermissen werd.
Ich trank, nahm einen großen Schluck aus der Flasche und spürte den Whisky langsam meine Kehle runter rutschen.
So einfach war es also seine Probleme zu ertränken.
„Morgen ist auch noch ein Tag.“
Ich schüttelte den Kopf.
„Morgen früh bin ich nicht mehr da. Ich bin der Armee beigetreten.“
Vaters Gesicht wirkte plötzlich wie eingefroren. Vielleicht war es aber auch nur der Schein des Feuers.
„Ich werde ein Held werden, Vater. Ich werde als Held zurück kommen.“
Er streckte den Arm aus und ich gab ihm die Whiskyflasche. Er trank, sein Blick war starr, dann stand er auf und ließ mich allein am Feuer sitzen.
Als er ging sagte er nur: „Im Krieg gibt es keine Helden.“
Ich rief ihm noch hinterher: „Ich werde als Held wiederkommen und dann kommt sie wieder zu mir zurück.“
Er antwortete nicht.
Ich blickte ihm nach, bis er in der Dunkelheit verschwand.
Ich legte mich auf den staubigen Boden und blickte zu den Sternen. Sie wahren das Einzige was wahrhaftig war. Sie existieren immer und verschwinden nicht einfach.
Ich werde ein Held sein.
Der Mond, der wie ein Vater für die Sterne war, sah mich mit seinem Zyklopenauge an und wachte über mich. Er ließ seinen eisernen Blick auf mir und wachte.


Ein Jahr später.

Wie sehr hatte ich es vermisst. Die Nächte am Feuer, eine Flasche guten Whisky und die Sterne.
Diesmal saß ich allein.
Seit ich der Armee beigetreten bin hatten Vater und ich kaum noch ein Wort gewechselt, wenn ich mal zu Besuch war.
Vor einer Woche war er an einem Schlaganfall gestorben. Mutter war Einkaufen gewesen und als sie nach Hause kam war es bereits schon zu spät gewesen. Die Ärzte konnten nichts mehr für ihn tun.
Dies ist nun meine erste Nacht, seit einem Jahr, wieder hier draußen am Feuer.
Ich war allein und Vater fehlte mir sehr. Früher hatten wir nur gemeinsam hier gesessen. Es war ein trauriges Gefühl jetzt hier allein zu sitzen und hoch zu den Sternen zu blicken.
Meine Wangen waren feucht von den Tränen und ich erinnere mich noch an die letzte Nacht hier draußen, als Vater noch lebte.
„Ich werde jetzt nicht sagen, jeder Topf hat seinen Deckel, andere Mütter haben auch schöne Töchter oder das Meer ist noch voll mit anderen Fischen. Ich sage nur, lass uns trinken. Morgen ist auch noch ein Tag.“
Als ich daran dachte wurden meine Wangen feuchter.
Ich vermisste diese Nächte.
Jede Nacht, muss ich daran denken was mein Vater als letztes zu mir gesagt hatte.
„Im Krieg gibt es keine Helden.“
Er hatte unrecht gehabt.
Sie kam wieder zurück zu mir und ich hatte viele neue Freunde gewonnen. Ich hatte Ruhm.
Vater hatte Unrecht.
Ich bin ein Held.
Das Feuer wurde kleiner und ich legte noch ein paar Holzscheite nach.
Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht.
In ein paar Tagen war mein Urlaub vorbei und ich musste zurück in den Einsatz.
Aber, ich war ein Held.


Zwei Wochen Später.

Ich hockte im Graben und pisste mir in die Hose. Mein Kopf ganz fest gegen meine Knie gedrückt. Ich konnte kaum noch atmen vor Angst.
Von jeder Seite kamen Schüsse, laute Explosionen ließen meinen Leib erschüttern. Ich wollte nicht mehr. Ich wollte zurück. Nach Hause an mein Lagerfeuer. Bei meinem Vater.
Plötzlich spürte ich wie etwas gegen meinen Kopf schlug. Ich schreckte sofort hoch.
Es war das Bein eines Soldaten. Er ging aus der Deckung und warf eine Granate und plötzlich war sein Kopf nur noch ein blutiges etwas als eine Kugel ihn traf.
Er fiel leblos nach hinten, zurück in den Graben. Ein leeres Auge von ihm blickte mich vorwurfsvoll an. Warum hast du nichts getan?
Wir waren nur noch zu zweit im Graben. Der andere Soldat, ich kannte nicht mal seinen Namen, schrie mich an aber ich hörte keines seiner Worte. Es waren, sich bewegende Lippen die stummblieben.
Er packte mein Gewehr und drückte es mir in die Hand aber ich ließ es sofort wieder los.
Die Kraft hatte meinen Körper verlassen.
ICH WILL ZURÜCK.
Ich war am falschen Ort. Ich war falsch.
LASST MICH ALLEIN.
„Im Krieg gibt es keine Helden.“
Der Soldat packte mich und hielt mir mein Gewehr hin.
Ich nahm es nicht.
Ich wollte es nicht mehr.
Es ist nicht mehr meins.
Er zerrte mich in die Höhe und ließ plötzlich los.
Eine Granate rollte in unseren Graben.
Ich sah noch einmal den Soldaten an, seine Lippen formten etwas wie, lauf.
Ich nahm die Beine in die Hand und floh aus den Graben.
Ein letzter Blick zurück auf das was war. Der Soldat packte die Granate und wollte sie zurück werfen. Sie explodierte noch bevor er sie werfen konnte.
In einem Sekundenbruchteil war der Soldat nicht mehr als ganzes da. Ich floh aber etwas packte meine beiden Beine und ließ nicht mehr los.
Ich wurde herumgewirbelt und alles was nur noch existierte waren meine stummen Schreie und hoch über uns die Sterne.
Denn die sind wahrhaftig.


Drei Monate später.

Sie hat mich verlassen. Schon wieder.
Sie erträgt meinen Anblick nicht, hatte sie gesagt.
Hätte ich doch nur auf Vater gehört. Ich hätte sie nicht zurückbekommen aber ich hätte wenigstens noch meine Beine.
Sie hatte recht. Nicht mal ich konnte meinen Anblick ertragen.
Jetzt war keiner mehr da. Keiner meiner Freunde. Niemand ließ sich von den Heldentaten eines Krüppels beeindrucken.
Nur noch Mutter war da, sie pflegte mich zu Hause aber ich hatte das Gefühl sie tat es nur aus Pflichtbewusstsein. Ich habe das Gefühl sie macht mich für Vaters Tod verantwortlich.
Vielleicht war sie der Meinung, Vater hatte es nicht verkraften können das ich fort ging um ein Held zu werden.
Jede Nacht kann ich die Stimmen in meinem Kopf hören, sie rufen: „Schöner Held.“
Niemand kann meinen Anblick ertragen.

Als es draußen dunkel wurde, schnappte ich mir eine Flasche Whisky und fuhr mit meinen Rollstuhl nach draußen.
Ich wollte zum Feld um dort am Lagerfeuer zu sitzen.
Ich fuhr nach draußen und blieb mit meinem Rollstuhl im feuchten Boden stecken.
Die Räder bewegten sich kein Stück weit.
Es nütze nichts. Ich umklammerte die Flasche und ließ mich nach vorne aus dem Rollstuhl fallen. Es tat höllisch weh. Langsam kroch ich Richtung Feuerstelle.
Die Sterne hoch über mir und der Zyklop glotze mit seinem einen Auge auf mich runter.
Er hat nicht über mich gewacht.
Es kostete mich große Mühen aber ich schaffte es.
Als ich endlich an der Feuerstelle angekommen war bemerkte ich, ich hab kein Holz um ein Feuer zu machen.
Ich öffnete die Flasche und trank, betrank.
Plötzlich musst ich lachen.
Ich lachte laut über mich.
Nicht mal Feuer konnte ich machen.
Im Krieg gibt es keine Helden.
Hätte ich doch nur auf ihn gehört. Er hatte recht.
Ich lachte laut und der Mond lachte höhnisch mit mir
Er hatte recht.



©2009 by DoeNut. Jegliche Wiedergabe, Vervielfaeltigung oder sonstige Nutzung, ganz oder teilweise, ist ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Autors unzulaessig und rechtswidrig.

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