Es war einmal vor langer Zeit, ein todkranker König ohne Nachfolger, der vor seinem Lebensende einen Turm errichten lies. Als dieser endlich fertig war, wies der König seine treuesten Bediensteten mit seinen letzten Willen an, dort einzukehren und all jene, die auf den Thron des Königs aus waren, einer Prüfung zu unterziehen. All jene die versagten sollten in den Kerker geworfen werden.
Danach verstarb der König. Seine Bediensteten kehrten alle in den Turm ein und riefen die Prüfung aus.
Viele stellten sich der Prüfung des Turmes, doch jeder einzelne landete im Kerker. Gerüchte besagten, sie wären Lügen verfallen und hätten schlimme Dinge daraufhin getan. Der Turm wurde fortan als Lügenturm verrufen.
So blieb der Thron des Reiches lange Zeit unbesetzt.
Eines Tages kam ein edler Herr in strahlender Rüstung und auf einem prächtigen weißen Hengst in ein Dorf des Reiches geritten. Dort hörte er das Gerücht des Lügenturmes.
"Und der, der den Turm erklimmt wird der neue König?", fragte er einen Bauern.
"Ei, das ist recht, doch hütet Euch. Es heißt Lügner werden in den Kerker geworfen.Außerdem sollen die Bedienstete dort ebenfalls mit trickreichen Lügen lauer.", antwortete der Bauer warnend.
Der Herr jedoch ritt sogleich zu dem Turm.
"Ein Turm der Lügen also? Was ich nicht lache! Ich bin der König der Lügen und morgen der König dieses Reiches!", lachte er.
Indes betrat ein unwissender armer Bettler auf der Suche nach Obdach den Lügenturm. Sobald er den Turm betreten hatte, eilte eine Magd heran.
"Willkommen daheim, junger Herr!", grüßte sie überschwänglich.
"Ihr irrt. Weder ist dies mein Heim, noch bin ich ein junger Herr.", widersprach der Bettler.
Ein Diener kam hinzu. "Sagt, wem gehört dieser stattliche Turm?", fragte er.
"Dem Sohn des verstorbenen Königs.", antwortete der Diener.
Der Bettler schüttelte den Kopf. "Auch Ihr irrt. Der König dieses Reiches hatte keinen Sohn.", sagte er.
So ging es immer weiter. Der Bettler wurde immer weiter nach oben geführt und mit immer neuen Lügen konfrontiert, die er jedesmal durchschaute,
Auch der edle Herr hatte den Lügenturm erreicht und durchschaute die Lügen ohne weiteres.
Schließlich standen beide, der edle Herr und der arme Bettler, auf dem Dach des Turmes. Sie erkannten einander, als sie sich sahen.
Ein alter Diener mit gebeugtem Rücken erhob das Wort:" Ihr habt die Prüfung fast bestanden und den Lügen getrotzt. Nun sprecht,wer ihr seid!"
"Ein armer Bettler der nichts vorzuweisen und der kein Obdach hat, bin ich.", erzählte der Bettler.
Der edler Herr erspähte seine Chance König zu werden und widersprach mit lauter Stimme:"Er lügt! Er ist ein reicher Herr aus dem Nachbarreich und kein Bettler!"
Der vermeintliche Bettler schüttelte den Kopf. "Wohl wahr ich war ein reicher Herr, doch Ihr raubtet mich im Schlaf aus und habt mir alles genommen.Ihr tragt sogar im Moment meine Rüstung. Deshalb lüge ich nicht." , gab er zurück.
Der Räuber, seiner Lügen entlarvt, erhielt seine gerechte Strafe, während der eigentliche Herr zum neuen König des Landes gekrönt wurde. Er war ein gütiger und gerechter König, der das Reich fortan regierte und es erblühen lies.
Der Lügenturm jedoch, blieb als Mahnung an aller Lügner und Betrüger des Landes und an das Schicksal, das diese ereilte bestehen.