Das Geheimnis von Aabatyron Buch 3
Kapitel 10 Missbrauch der Mächte
Obwohl sich Christina immer auf die bei ihr angestellten Mitarbeiter innerhalb ihres Hauses verlassen konnte, kam es bedauerlicherweise doch vor, dass eine noch sehr junge Haushaltshilfe ihren Freund damit beeindrucken wollte, ihm von den kleinen Geheimnissen der Familie Freiberg zu erzählen. Besonders der Besuch von Droormanyca hatte sie in ihren Bann gezogen, als sie die unglaublich und utopisch anmutende Geschichte belauschte, die Droormanyca ihrer Schwester über den Stein des Lebens und die besonderen Eigenschaften der Feehls erzählte. Dass man dringendst die Delphine auf dem Planet Erde vor der weiteren Jagd und vollständigen Ausrottung schützen müsse, war nach dieser Information von Droormanyca das erklärte vorrangige Ziel von Christina. Evamaria hatte schon des öfteren über unerklärbare therapeutische Heilerfolge von nervenkranken Menschen gehört, wenn sie mit Delphinen zusammen waren - aber dass die Delphine sogenannte psionische Kräfte besaßen, die einen Menschen quasi unsterblich machen konnten, das wollte sie fast nicht glauben. Andererseits wußte sie aus der Vergangenheit, welche Leistungen und Aktionen von der Familie Freiberg bisher ausgegangen waren. Kein Mitglied der Familie brauchte so eine Geschichte zu erfinden um damit die Delphine zu schützen - im Gegenteil hatte sogar Christina ihre Schwester gebeten, dieses Geheimnis für sich zu behalten. Sie wußte um den Übereifer und die Geschäftstüchtigkeit mancher Forschergruppen - die würden die Delphine nicht schützen, sondern versuchen, Gewinn aus deren besonderen Fähigkeiten zu schlagen. Dem Freund von Evamaria entlockte diese Geschichte nur ein müdes Lachen. Er war der festen Überzeugung, dass die beiden Schwestern aus der Freibergfamilie sich mit der Erzählung dieser absurden Geschichte einen Spass mit ihrer Haushälterin erlaubt hatten um sie vor dem weiteren Belauschen ihrer Unterhaltungen abzuschrecken. Evamaria war zwar nicht davon überzeugt, einem derben Spaß aufgesessen zu sein, dies war absolut nicht die Art ihrer Arbeitgeberin, aber da sie die Geschichte selbst auch nicht so richtig glauben konnte, beließ sie es dabei, diese Sache doch nicht allzu ernst zu nehmen. Wenn sie es sich richtig überlegte, war es doch recht abwegig allen Ernstes daran zu glauben, dass ihr Sonnensystem aus den Steinen des Lebens entstanden sein sollte. Dies entsprach in keinster Weise den wissenschaftlichen Erkenntnissen und Thesen, die die Forscher über die Entstehung des Weltalls aufgestellt hatten und die man in den Schulen den Kindern lehrte.
Dass die Freibergfamilie allerdings zu den weltweit vermögendsten Personen zählte, wußte inzwischen jeder aus den Medien. Auch von den aussergewöhnlichen Aktivitäten der jungen Wissenschaftlerin wußte so gut wie jeder zu berichten. Meist konnten alle, die bei dem Freibergkonzern beschäftigt waren, nach einer relativ kurzen Zeit auf ein gutes finanzielles Polster zurückgreifen. Christina Freiberg war dafür bekannt, dass es in ihrem Unternehmen eine sehr gute und gerechte Entlohnung gab. Der Freund von Evamaria konnte auf eine umfassende und gute Ausbildung als Informationssystemtechniker zurückblicken. Leider hatte seine Firma, bei der er momentan beschäftigt war, etwas den Anschluss an die neue hochtechnologisierte Zeit verpasst und kämpfte derzeit immer häufiger mit der stetig wachsenden Konkurrenz um Aufträge und ums Überleben. Viele tüchtige Mitarbeiter hatten die relativ kleine Firma deshalb inzwischen verlassen, um sich einen sichereren Arbeitsplatz zu suchen. Walter hatte immer noch die Hoffnung, dass sich seine Firma doch noch dem neuen Standard anpassen konnte und wieder die dringend benötigten Aufträge bekam. Hätte seine Freundin Evamaria nicht so gut verdient und ihm in letzter Zeit des öfteren finanziell ausgeholfen, er hätte manchmal nicht gewußt, wie er die Kosten für die Fahrt zu seiner Arbeitsstätte bezahlen konnte. Die wirtschaftliche Situation hatte sich in letzter Zeit so schnell und rigoros geändert, dass Firmenbesitzer, die sich nicht schnell genug dieser Situation anpassten, innerhalb kurzer Zeit vor dem Problem standen, nicht mehr einen vernünftigen Gewinn erwirtschaften zu können. So schmerzlich es auch war, aber Walter dachte im Anbetracht einer künftigen Familienplanung immer häufiger an einen Firmenwechsel. Dass er vorrangig versuchen wollte, irgendwo in dem Freibergkonzern eine Arbeitsstelle zu bekommen, war einfach dadurch erklärbar, dass der CF-Konzern weltweit als der kriesensicherste Arbeitgeber galt. Trotz allem, was die Medien über den Konzern "Gutes" berichteten, wollte sich Walter vor einer Bewerbung intensiv über den möglichen neuen Arbeitgeber informieren. Informationen aus den umfangreichen Archiven zu bekommen, war in der heutigen Zeit überhaupt kein Problem. Da Walter sich aufgrund seines Berufes bestens mit den Informationssystemen auskannte, bedeutete es für ihn kein Hindernis, auch an wenig bekannte, teilweise versteckte Insiderinformationen zu kommen, die normalerweise nicht für die Allgemeinheit freigegeben waren. Damit nahm ein tragisches Schicksal seinen Anfang.
Zuerst war er von dem fantastischen wissenschaftlichen Erfolg von Christina Freiberg mehr als verblüfft, als er in seinen Recherchen immer weiter den Verlauf in der Zeit zurückverfolgte. So eine Karriere gab es weltweit nirgends anderswo zu verzeichnen. Seltsamerweise war in den geschichtlichen Unterlagen und Berichten niemals eine Schwester von ihr erwähnt, bis zu dem Tag, als sie nach einer mehr als spektakulären Abenteuerreise in die Tiefen des Alls von ihrer Mission zurückgekehrt war. Plötzlich tauchte da nicht nur eine Zwillingsschwester von ihr auf, sondern sie hatte auch noch einen erwachsenen Sohn. Jetzt war natürlich das Interesse bei Walter geweckt. Hatte seine Freundin mit ihrer absurden Erzählung über die Freibergfamilie tatsächlich recht behalten, und es gab diese geheimnisvollen Kräfte, von der sie gesprochen hatte, in Wirklichkeit doch? Die Abfrage der Geburtenregister auf dem Standesamt in der Heimatgemeinde von Christinas Eltern war für ihn kein Problem. Dort gab es nur eine einzige Registrierung einer Geburt in der Familie der Freibergs, nämlich die von Christina selbst. Es dauerte mehrere Stunden intensiver Nachforschungsarbeit, aber am Ende stand eindeutig fest, dass diese Christina Freiberg bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahr offensichtlich ein ganz normales junges Mädchen mit all den Schwächen und Stärken von Jugendlichen in diesem Alter gewesen war. Zu ihrem jetzigen beruflichen Erfolg passte es keinesfalls, dass sie in ihrer Schule bis zu dem fünfzehnten Lebensjahr nicht gerade zu den Schülerinnen gehört hatte, die durch besondere Leistungen oder einer besonderen Intelligenz sich aus der Klasse abgehoben hatte. Wenn man die gespeicherten Daten ohne Vorbehalt beurteilte, entstand fast zwingend der Eindruck, dass es sich ab dem fünfzehnten Lebensjahr bei Christina um eine völlig andere Person handeln würde. In den Dateien einer Spezialklinik für die Behandlung von schweren Verbrennungen, in die Christina offensichtlich nach einem tragischen Unfall durch Blitzeinschlag eingeliefert worden war, konnte Walter mit Verblüffung lesen, dass die Ärzte sich damals auch vor einem medizinischen Rätsel stehen sahen. Keiner hatte eine schlüssige Erklärung für die fantastische Genesung der jungen Patientin gefunden. Den Heilungserfolg schrieb man zwar letztendlich einer Genbehandlung zu, aber in der Datei war auch deutlich von einem Professor für Gentechnik im Nachhinein ein Vermerk darüber eingetragen worden, dass die teilweise auf Bildern dokumentierte Regeneration der verbrannten Hautschichten keinesfalls mit irgend einer Genbehandlung hätte erreicht werden können. Hatte Christina schon damals diese geheimnisvollen Kräfte, die angeblich in den Steinen des Lebens verborgen waren, besessen? Lag darin der Grund ihrer heutigen überragenden Intelligenz und Stärke? War es möglich, dass jeder Mensch, der so einen Stein des Lebens berührte, anschließend die gleichen Fähigkeiten und Kräfte besaß wie diese Christina Freiberg?
Mehr als aufgeregt sichtete Walter alle Daten über Christina Freiberg und ihre Familie, die er über das weltumspannende Informationsnetz abrufen konnte. Es war schon am frühen Morgen, als er sich erschöpft in seinem Stuhl vor seinem Computer zurücklehnte und die vielen Ausdrucke auf seinem Schreibtisch in mehreren Stapeln liegen sah. Trotz der bleiernen Müdigkeit sortierte er die Informationen nach Jahren aufgeteilt in die verschiedenen Papierberge ein. In keiner Information wurde auch nur ansatzweise erwähnt, dass Christinas Eltern ein zweites Kind bekommen hatten. Auch fand er keinerlei Hinweise darauf, dass Christina selbst Nachwuchs bekommen hatte. Bei ihrer Berühmtheit und dem Drang der Presse über alles zu berichten, erschien es mehr als unwahrscheinlich, dass Christina heimlich Nachwuchs bekommen hatte und dies vor aller Welt so lange verschweigen konnte, bis ihr Sohn erwachsen war. Eine Tatsache verblüffte Walter aber mehr als alle anderen Ungereimtheiten – Christina schien seit ihrem siebzehnten Lebensjahr noch um keinen einzigen Tag gealtert zu sein. Ausserdem sah ihre Schwester genauso aus wie sie selbst – also mußte auch ihre Schwester im gleichen Alter wie sie selbst sein.
Wenn man allerdings der Geschichte um den Stein des Lebens Glauben schenkte, so wäre dies eindeutig eine Erklärung für die plötzliche Wandlung von Christina und ihrer Fähigkeit nicht mehr zu altern. War sie und ihre Schwester tatsächlich unsterblich? Gab es wirklich so eine immense Kraft, die so etwas bewirken konnte? Mit diesen Gedanken im Kopf verfiel Walter in den frühen Morgenstunden aufgrund seiner Müdigkeit in einen mehr als unruhigen Schlaf.
Als Evamaria am nächsten Tag Walter mit einem Besuch überraschen wollte, lag dieser noch im Bett und wälzte sich unruhig hin und her. War ihr Freund krank und lag deshalb mit einem Fieber noch auf seiner Ruhestätte? Als sie versuchte ihn wachzurütteln, brauchte es eine geraume Zeitspanne, bis er den Schlaf aus seinen Augen vertreiben konnte und sich wieder an Einzelheiten seiner nächtens durchgeführten Recherche erinnerte. Evamaria konnte mit den Informationen, die sich Walter ausgedruckt hatte, nicht viel anfangen. Sie hatte sich nie weiters für wissenschaftliche Dinge interessiert, ihre Begabung lag auf dem Gebiet, alle hauswirtschaftlichen Dinge geschickt erledigen zu können. Den Vorschlag ihres Freundes, auch auf dem Planet Erde nach einem dieser Steine des Lebens zu suchen, entlockte ihr nur ein fröhliches Lachen. War doch ihr Freund tatsächlich so einfältig gewesen, sich die ganze Nacht um die Ohren zu schlagen, nur um so einen blödsinnigen Gedanken zu entwickeln, durch einen Stein des Lebens zu unsterblichem Ruhm und Macht zu gelangen. Solche Geschichten gab es nur im Märchen, er war ein erwachsener Mann und hatte sich so eine Dummheit ausgedacht. Mit etwas ernsterem Ton erinnerte sie ihn daran, dass es weit besser gewesen wäre, diese Arbeit und Mühe darauf zu verwenden, sich eine neue zukunftssichere Arbeitsstelle zu besorgen.
Beim gemeinsamen Frühstück sprach er trotz allem mit ihr über die Ungereimtheiten in der Entwicklung der Freiberg-Familie. Mehr und mehr kam er aber dann doch während der Unterhaltung zu der Überzeugung, dass es für die vielen nicht verständlichen Vorkommnisse bestimmt eine andere Erklärung geben würde als die, dass die Freibergfamilie mit geheimnisvollen Kräften in Verbindung stand oder mit ihnen ausgestattet war. Allerdings lauerte immer noch in seinem Hinterkopf die Neugier, auch für diese Ungereimtheiten eine logische Erklärung zu finden.
Es war in den nächsten Wochen. Evamaria ging wie jeden Tag zu ihrer Arbeit, immer bestrebt, alle Aufgaben richtig und zur Zufriedenheit ihrer Arbeitgeberin auszuführen. Alexander, der Sohn von Christina war jetzt öfters im Haus anwesend, auch er hatte eine nette Freundin gefunden und arbeitete in der Firma seiner Mutter voll mit. Alexander sah verdammt gut aus und durch seine stets freundliche Art hatte er die Herzen der Bediensteten sehr schnell gewonnen – besonders beliebt war er bei den weiblichen Angestellten. Obwohl Evamaria einen Freund hatte, dem sie bis jetzt nie untreu gewesen war, konnte sie es sich doch nicht verkneifen, Alexander stets etwas länger anzusehen als normal üblich, wenn er sich in ihrer Nähe aufhielt. In dem tiefen Blau seiner Augen konnte man geradewegs versinken, wenn man sich nicht dazu zwang, wieder seiner Arbeit nachzugehen. Evamaria war momentan damit beschäftigt, in dem großzügig angelegten Badezimmer für Ordnung zu sorgen, als Alexander den Raum betrat. Evamarias Ärger darüber, dass einer der vielen Gäste wieder einmal das Zimmer in ein Chaos verwandelt, und selbst den Fön mit eingestöpseltem Stecker gefährlich nahe auf dem Rand der noch vollen Badewanne abgelegt hatte, war schlagartig wie weggewischt, als sie Alexander erblickte. Allerdings war sie auch ein wenig erschrocken über sein plötzliches Auftauchen. Alexander war bekannt dafür, dass er meist unangekündigt neben einem stand, wie wenn er sich wie eine Katze angeschlichen hätte. Noch über den Rand der Wanne gebeugt, um den Fön von dem gegenüberliegenden Rand zu entfernen, reichte dieser kleine Schock aus – Evamaria rutschte am Rand ab und fiel in die noch mit Wasser gefüllte Wanne. Dem ersten Empfinden dieser Peinlichkeit, direkt vor Alexanders Augen ins Wasser gefallen zu sein, folgte im Bruchteil einer Sekunde die Panik darüber, dass das Wasser bis zu dem auf dem Rand liegenden Fön hochschwappte und dieser mit in das Wasser befördert wurde.
Im gleichen Moment sah sie Alexander über sich gebeugt, während er mit einer Hand den im Wasser liegenden Fön umschlossen hielt. Evamaria konnte die züngelnden Entladeblitze an seinem Arm hochkriechen sehen, während sie jetzt verzweifelt um Hilfe rief. Sie wußte um die Gefährlichkeit, wenn so ein Gerät mit angeschlossenem Stecker ins Wasser fiel und war deshalb entsetzt, beobachten zu müssen, dass sich Alexander einer solchen Gefahr aussetzte um ihr Leben zu retten. Diese Badewanne bestand aus einem speziellen Kunststoff, der leider verhinderte, dass die Stromschutzschaltung auf den im Wasser liegenden Fön ansprach und auslöste. Alexander hingegen schien sich seltsamerweise nicht besonders von der an seinem Arm hochkriechenden Elektrizität beeindrucken zu lassen. Als kurz nach ihrem Hilferuf Christina oder deren Schwester – Evamaria konnte die beiden nicht auseinanderhalten – in dem Raum auftauchte, schien auch sie sich keine Gedanken über den „Todeskampf“ von Alexander zu machen. Stattdessen half sie Evamaria aus der misslichen Lage im Wasser heraus und sorgte in aller Seelenruhe für ein Handtuch, damit sie sich abtrocknen konnte und nicht erkältete. Alexander hatte inzwischen den Fön aus dem Wasser gefischt und vom Netz getrennt. Irgendwie war Evamaria momentan von dieser Situation völlig verwirrt. Alexander schien trotz der langen Einwirkzeit des Stroms unverletzt – seltsam – Evamaria hatte kurz den Eindruck, dass die Hand von Alexander, mit dem er den Fön gehalten hatte, in einem hellen Blau wie von innen heraus „glühte“. Wahrscheinlich hatten ihr ihre Nerven aufgrund des gerade erlebten Schocks einen Streich gespielt. Nachdem sie sich wieder beruhigt hatte, bedankte sie sich bei Alexander für ihre Rettung – Christina gab ihr für den Rest des Tages frei, sie solle sich ein wenig von dem Schock ausruhen und erholen.
Als Evamaria ihrem Freund Walter von dem fast tödlich ausgehenden Erlebnis erzählte, war auch er der Meinung, dass sie sehr viel Glück gehabt hatte, so einen Unfall unbeschadet überstanden zu haben. Allerdings wurde er sehr aufmerksam, als sie auch noch von ihrer Sinnestäuschung mit der „glühenden Hand“ von Alexander nach dem Unfall erzählte. Wenn sie die Gelegenheit hätte, solle sie am nächsten Tag den defekten Fön einfach einmal mitbringen. Vielleicht war es möglich an diesem Gerät Spuren der Wirkung des elektrischen Stromes zu sehen.
Den defekten Fön am folgenden Tag mitzunehmen war kein Problem, denn er lag bereits im Müllbehälter für Elektroschrott. Sein Fehlen würde niemand auffallen. Als Walter das Gerät aus der Tasche nahm, sah er deutlich die Spuren, die der Strom hinterlassen hatte, als das Gerät in das mit Badesalz angereicherte Wasser gefallen war. Dort wo es Alexander mit der Hand berührt hatte, konnte man deutlich die Durchschlagstellen der entstandenen Lichtbogen sehen. Walter verstand zwar nicht alles von Starkstromtechnik, aber eines wußte er mit Sicherheit: Kein normaler Mensch hätte so einen Elektrounfall überlebt. Das ganze sah fast so aus, als ob jemand das Gerät mit einem leitfähigen „Handschuh“ festgehalten hätte und damit effektiv zu verhindern wußte, dass sich der Strom in dem mit Badesalz angereicherten, und deshalb mehr als gut leitfähigen Wasser, weiter ausbreiten konnte. Dass allerdings Alexander keinen solchen Handschuh getragen hatte, wußte Evamaria mit Sicherheit zu sagen. Wie also hatte Alexander dieses Kunststück fertiggebracht? Walter war sich jetzt fast absolut sicher, dass es in der Freibergfamilie doch besondere Kräfte gab. Selbst Evamaria konnte sich nicht mehr dagegen wehren, dass in der ganzen Geschichte mit den geheimnisvollen Kräften, von denen Droormanyca ihrer Schwester berichtet hatte, doch ein Stück Wahrheit stecken konnte.
Dass auch sie trotz aller Skepsis so langsam anfing an „Märchen“ zu glauben, verriet sie durch ihre ernst gemeinte Frage an ihren Freund, wie man eigentlich so einen „Stein des Lebens“ finden könnte. Nun, da hatte Walter schon eine Idee parat. Mit Hilfe des weltumspannenden Datennetzes war man in der Lage, sich alle Informationen die es gab zu beschaffen. Das knifflige war nur die Aufgabe, dass man nach den richtigen Antworten gezielt fragen und recherchieren mußte. Auf diesem Gebiet kannte er sich allerdings aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit bestens aus. Jetzt saß nicht nur er alleine bis spät in der Nacht vor dem Computer und druckte sich Information um Information aus – nein seine Freundin half ihm sogar dabei, die vielen unterschiedlichen Blätter zu sortieren und einzuordnen. Es war äußerst interessant, über die vielen Mythen und Sagen der verschiedenen Völker zu lesen, immer darauf bedacht, einen Hinweis auf einen dieser sagenhaften Steine des Lebens zu bekommen.
Tag für Tag wiederholten sie ihre Suche, ohne aber die entscheidende Information zu bekommen. Erst am Ende der zweiten Woche ihrer mehr als mühseligen Suche, hatten sie plötzlich einen Ausdruck in den Händen, der von einem kleinen Bergvolk am Amazonas berichtete, das in ihrem Dorf seit Jahrhunderten einen mit besonderen Kräften ausgestatteten Stein verehrte. Der Sage nach gab es in ihrem Volk einmal eine tödliche Grippe, ausgelöst von einem unbekannten Virus. Eines der von der tödlichen Krankheit befallenen Kinder hatte sich im Fieberwahn in eine Höhle verirrt, und dort einen großen runden Stein berührt, um an dem kalten Gestein die Hitze von dem Fieber etwas zu lindern und zu kühlen. Nach ein paar Minuten sei das Kind völlig geheilt aus der Höhle gelaufen und habe die Nachricht über die seltsame heilende Kraft dieses Steins im ganzen Dorf verbreitet. Daraufhin seien alle zu der Höhle gegangen und hätten gleichfalls diesen Stein berührt. Selbst die Sterbenden habe man in die Höhle getragen und auch sie seien sofort nach der Berührung des Steins wieder gesund geworden. Der Stammesführer war trotz seiner Genesung allerdings sehr traurig. Er hatte nur einen Tag vor der Entdeckung dieser wundersamen Kräfte seine geliebte Frau an den Fiebertod verloren. Die Sage berichtete weiter, dass er vor Schmerz und Kummer um den Verlust seiner Frau zu dem Steinhaufen gelaufen sei, unter dem man sie tags zuvor bestattet hatte, und die Steine wieder von ihrem Körper genommen habe. Das Fieber hatte ihren Körper grässlich entstellt und die Last der Steine ihres Grabmahls hatte ihr übriges getan. Trotz allem habe er den toten Körper in die Höhle getragen und auf den mit Wunderkräften ausgestatteten Stein gelegt. Die Familienangehörigen hatten ihm von seinem wahnsinnigen Vorhaben abgeraten, aber er hörte nicht auf sie. Nachdem er den leblosen Körper seiner Frau auf dem Stein abgelegt hatte, konnten plötzlich alle ein blaues Leuchten sehen, das den toten Körper zu durchfluten schien. Das Leuchten wurde immer stärker, und manche mußten geblendet die Augen schließen. Plötzlich war ein lautes klägliches Stöhnen zu hören. Manche waren entsetzt ob dem was sie in diesem Moment sahen. Direkt über dem Stein stand die Frau des Stammesführers und ihr Körper leuchtete von innen heraus in einer glühenden blauen Farbe wie der Schein der Sonne. Es dauerte eine ganze Weile, bis das Leuchten plötzlich schwächer und schwächer wurde. Der Stammesführer war überglücklich, sah er jetzt seine Frau wieder zum Leben erwacht. Voll Freude lief er zu ihr, um sie zu umarmen. Kaum aber dass er ihren Körper berührt hatte, schrie er voll panischem Schmerz auf. Alle die am Eingang der Höhle standen, konnten die schreckliche Szene sehen. Aus seinem Körper schossen Flammen heraus, während sich seine Frau mit Entsetzen bewußt war, dass die Energie, die ihren geliebten Mann gerade bei lebendigem Leib verbrannte, von ihr ausging. Sie würden nie den Gesichtsausdruck von Ihr vergessen, als sie mit der vermeintlichen Gewissheit, nie mehr einen anderen Menschen berühren zu können, vor den verkohlten Überresten stand, was einmal ihr geliebter Mann gewesen war. Sie war in die Berge geflüchtet um dort in Einsamkeit und Abgeschiedenheit keine Gefahr mehr für andere zu sein. In vielen Berichten über die weiteren Jahrhunderte hinweg wurde immer wieder von einer seltsamen Einsiedlerin berichtet, die sich versteckt vor der Welt in den Bergen aufhalten sollte. Es gab von manchen Forschern und Abenteurern sogar Zeichnungen und Bilder dieser Person. Über all die Jahrhunderte hinweg, war auf allen Zeichnungen allerdings immer ein und dieselbe Person erkennbar – die junge Frau des Stammesführers, der auf so tragische Weise ums Leben gekommen war.
Walter und auch Evamaria waren sich jetzt sicher, dass sie einen ersten ernsten Hinweis auf einen dieser Steine des Lebens gefunden hatten. Allerdings war an Mythen und Sagen auch immer ein kleines Stück ungewisser Wahrheit. Der Stein konnte nicht nur Macht und Unsterblichkeit bedeuten, sondern auch Tod und Verderben.
Die weiteren Nachforschungen über diesen kleinen Ureinwohnerstamm mitten in den Bergen des Amazonasgebiet ergaben erstaunliches. Offensichtlich erfreuten sich dort die Menschen einer besonderen Gesundheit und Lebenserwartung. Es gab keinerlei Hinweise darüber, dass je irgend ein Stammesmitglied einen Arzt aufgrund von Krankheit aufgesucht hätte. Desweiteren konnten die Menschen in dem kleinen Ort geradezu auf ein biblisches Alter zurückblicken. Wenn Walter der Geschichte mit der geheimnisvollen Kraft des Steins des Lebens Glauben schenkte, dann hatte er plötzlich für dieses Phänomen bei diesem Volk eine plausible Erklärung. Wenn sich aber die wundersamen Kräfte bei diesem Volk über Jahrhunderte mit solchen Auswirkungen weitervererbt hatten, welche Macht würde man dann erst bekommen, wenn man den Stein direkt berührte?
Den Ort dieses Volkes zu finden, sah Walter als kein Problem an. In der heutigen Zeit war es sehr einfach möglich, mit modernen GPS-Systemen jeden Ort auf der Welt schnell und sicher zu finden. Weit schwieriger würde es sein, diese sagenumwobene Höhle mit dem Stein des Lebens zu finden. Bestimmt verrieten die Ureinwohner ihr Geheimnis nicht so einfach an Fremde, oder es gab in dem Volk niemand mehr, der um den genauen Standort der Höhle wußte. Allerdings hatte sich Walter seiner Logik folgend bei einem Arzt informiert, wie weit ein Kind, das sich im Fieberwahn befand, laufen konnte. Verwundert darüber, dass Walter selbst zwar keine Kinder hatte, trotzdem aber ernsthaft sich mit so einer Frage beschäftigte, hatte ihm der Arzt fachmännische Auskunft gegeben. Walter fand es mehr als erstaunlich, dass selbst ein Kind im Fieberwahn immerhin noch fast zehn Kilometer laufen konnte bis seine körperlichen Kräfte vollends aufgebraucht waren. Die Lage des Dorfes von diesem Bergvolk hatte er schon in seinen ausgedruckten Karten eingezeichnet. Der eingefügte Kreis um das Dorf mit zehn Kilometern Radius stellte das Gebiet dar, in welchem er nach der Höhle suchen mußte. Nach Sichtung der Detailansichten konnte er die unpassierbaren Passagen vorab weitgehendst von der primären Suche ausgrenzen. Trotzdem blieb ein riesiges Gebiet übrig, in dem diese sagenumwobene Höhle liegen konnte.
Jetzt galt es als nächstes, die lange Reise zum Amazonas und die Suche dort nach der Höhle zu organisieren. Das größte Problem dabei war, die finanziellen Mittel dazu zu beschaffen. Keine Bank der Welt würde ihm für so ein Vorhaben einen Kredit gewähren. Die ganze Geschichte war so verrückt dass selbst bei ihm manchmal noch Zweifel kamen. Die Aussicht allerdings, durch den Fund quasi unvorstellbare Macht zu bekommen, zwang ihn fast magisch dazu, seinen gefassten Plan, den Stein finden zu wollen, auszuführen. Walter kannte aus seiner früheren Schulzeit einen Klassenkameraden, der mit Spekulationen an der Börse sehr viel Geld gemacht hatte und bekannt dafür war, sich fast auf jedes Abenteuer einzulassen, das ihm noch mehr Reichtum oder Ruhm versprach. Allerdings hatte die Presse auch schon des öfteren darüber berichtet, dass er beim Vermehren seines Reichtums manchmal auch Methoden anwendete, die nicht nur am Rande der Legalität lagen, sondern in manchen Ländern sogar eine Straftat darstellten. Er war bekannt dafür, aufgrund seines Vermögens sich manchmal auch mit einer ungewohnten Brutalität einfach alles zu nehmen, was er wollte - ohne Rücksicht auf die Wünsche und Rechte seiner Mitmenschen. Andererseits war sich Walter sicher, nur von ihm das Geld für das Abenteuer bekommen zu können. Ausserdem mußte bei dieser Reise einiges am Rande der Legalität organisiert werden - wenn sie den Stein des Lebens tatsächlich fanden, mußte er ja anschließend irgendwie ausser Landes geschafft werden. Das Entwenden von Kulturgütern aus einem Land wurde sehr hart bestraft wenn man am Zoll dabei erwischt wurde. Natürlich konnte Walter ihm nicht die gesamte Wahrheit über die Macht des Steines verraten, aber um die benötigte Menge Geld von ihm zu bekommen, war es notwendig, ihm doch einige Geheimnisse dieses ominösen Steins zu offenbaren. Da der Sage nach die Konfrontation des Stammesführers mit der Macht des Steins damals das Leben gekostet hatte, war Evamaria mehr als skeptisch, dass es wirklich eine gute Idee war, ihre gesamte Zukunft aufs Spiel zu setzen und sich auf so eine ungewisse Reise zu begeben. Was würde passieren, wenn sie diesen Stein des Lebens nicht fanden und danach mit einem riesigen Berg Schulden dem Freund von Walter auf Jahre in Erfüllung der Abbezahlung verpflichtet waren?
Walter war inzwischen nicht mehr von seinem Vorhaben abzubringen. Es war für ihn einfach zu verlockend, in den Besitz dieser Kräfte zu kommen. Wenn er sich vorstellte, durch diese Macht so einflussreich und vermögend wie die Freibergfamilie sein zu können, gab es für ihn kein Zurück mehr. Nachdem er sich mit seinem früheren Schulkamerad in Verbindung gesetzt hatte, schien auch dieser nach den Erzählungen Walters von der Idee begeistert, diesen Stein zu suchen. Allerdings hatte Walter ihm nicht verraten, dass der Stein dem Finder quasi Unsterblichkeit bescheren würde, sondern hatte die wundersamen Heilungen damit erklärt, dass die Mineralien, aus denen der Stein bestand, aus einer heute nicht mehr bekannten Substanz bestehen würde die bei Berührung fantastische heilende Wirkung besaß. Natürlich war Damian gerne bereit diese Reise zu finanzieren. Wenn man das Material des Steins analysierte und vielleicht später sogar künstlich herstellen konnte, war damit sehr viel Geld zu verdienen. Zusammen mit Walter plante er die Reise und die Mannschaft für ihre Begleitung zu dem Bestimmungsort, wo sie das kleine Bergvolk finden würden. Damit ihr eigentliches Vorhaben nicht auffiel, wurde die Reise zum Amazonas als „Abenteuerurlaub“ deklariert. Obwohl Evamaria gerne ihren Freund auf seinem Abenteuer begleitet hätte, fühlte sie irgendwie, dass diese Reise sehr gefährlich werden würde und nahm deshalb nicht daran teil. Sie wäre auch die einzigste Frau bei diesem „Abenteuerurlaub“ gewesen – wahrscheinlich hätte sie die ganze Truppe sowieso nur unnötig aufgehalten. Nach zwei Wochen Vorbereitung waren alle Teilnehmer bereit und das Abenteuer konnte beginnen.
Außer Damian und Walter waren noch fünf weitere Männer mit von der Partie. Es war gar nicht so einfach, am Flughafenzoll eine plausible Erklärung für das Mitführen von den vielen Hightechgeräten abgeben zu können. Gottseidank war Damian für seine manchmal recht exzentrischen Abenteuerreisen bekannt und sie durften alle ihre Ausrüstungsgegenstände mitnehmen. Ohne diese Ortungsgeräte hätten sie das kleine Dorf des Bergvolkes nie finden können. Nach einem angenehmen Flug und der Landung auf einem großen Flughafen von Rio de Janeiro in Brasilien hatten sie noch eine mehrere hundert Kilometer lange Strecke in das Gebiet des Amazonas bis zu der Siedlung der Ureinwohner zurückzulegen. Mit einem gecharterten Flugzeug ging es weiter über Salvador quer durch Bahia bis zu der Küstenstadt Belem im Bundesstaat Para. Mit einem gemieteten Motorboot konnte eine große Strecke über den Fluß Rio Amazonas vorbei an Manaus bis tief in das Amazonasgebiet zurückgelegt werden. Nach einer weiteren Etappe über den Rio Negro war man fast an der Grenze von Kolumbien und Venezuela. Dann ging es zu Fuß weiter durch immer dichter werdenden Urwald. Das mitgeführte Gepäck hatten sie auf die Rücken von vier Mulis verladen und die Männer hatten somit die Hände frei, sich mit ihren Macheten einen Weg durch das immer dichter werdende Gestrüpp zu bahnen. Es war schon mehr als erstaunlich, dass es tatsächlich auch heute noch solche unberührten Urwälder gab. Das größte Gebiet war inzwischen schon der modernen Industrie und dem kapitalistischen Denken mancher dubioser Geschäftemacher trotz aller Gegenmaßnahmen zum Opfer gefallen. Jeder der Männer wußte, dass sie in diesem Gebiet besonders auf Schlangen und andere Raubtiere aufpassen mußten. Ausserdem war bekannt, dass viele Expeditionen vermutlich auch schon mit unbekannten Vieren konfrontiert worden waren und deshalb in diesem Gebiet spurlos verschwanden.
Ihren Ortungsgeräten zufolge mußten sie sich noch etwa fünfundzwanzig Kilometer durch dieses unwegsame Gebiet durchkämpfen bis sie das Bergvolk erreichen würden. Es gab aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit und der schweißtreibenden Hitze einen mehr als üppigen und dichten Pflanzenwuchs. Jeder Schritt bedeutete Anstrengung und Mühe. Wie auch an den zwölf Tagen zuvor ihrer weiten Reise in die Tiefe des Dschungels suchten sie sich auch heute einen geeigneten Lagerplatz für die Nacht. Von Nachtruhe konnte allerdings keine Rede sein – zu vielfältig und laut waren die Stimmen der Tiere, die sich versteckt vor ihren Blicken in dem undurchdringlichen Pflanzenwald aufhielten. Um in der Nacht nicht eine unangenehme Überraschung zu erleben, mußte immer abwechselnd einer der Männer Wache halten. Es war wohl Glück, dass bisher ihr Lager von einem Überfall durch die Räuber der Nacht verschont wurde – mancher der Männer dachte, dass die Tiere doch nicht so gefährlich waren, wie andere Abenteurer berichtet hatten. Vermutlich hatten viele von ihnen bei ihren Berichten etwas übertrieben um dadurch ihre Abenteuerreise interessanter erscheinen zu lassen. Erst der entsetzte Hilferuf des am äußeren Rande des Lagers in seinem Schlafsack liegenden Mannes belehrte sie eines Besseren. Sofort waren alle hellwach. Keiner von ihnen hatte je in seinem Leben so eine riesige Schlange gesehen, die sich gerade ganz dicht zu der Liegestätte des Mannes vorbewegte und mindestens zehn Meter lang war. Es war eine besonders große Anakonda und hatte vor, ihr anvisiertes Opfer mit ihrem Körper zu umschlingen. Wenn die Schlange ein Opfer in ihren Griff bekam, konnte sie nur mit der Kraft ihres Körpers einen erwachsenen Mann buchstäblich erdrücken. Damian war der erste, der mit einer Machete bewaffnet bei dem um Hilfe Rufenden ankam. Die Schlange hatte den Brustkorb des Mannes schon fest umwickelt und wollte gerade damit beginnen, ihn immer weiter zusammenzupressen. Mit einem gezielten Hieb trennte Damian den Kopf der Schlange ab und die anderen Männer befreiten ihren Kollegen von der Umklammerung der Schlange. Während sich der Körper der Schlange im Todeskampf wand und zuckte, erholte sich der Mann langsam von seinem Schock und konnte wieder richtig tief durchatmen. Jedem saß nun der Schock in allen Gliedern, an Schlaf war in dieser Nacht nicht mehr zu denken.
In dem dichten Pflanzengewirr kamen sie nur sehr langsam vorwärts. Ohne ihre GPS-Ortungsgeräte hätten sie sich in dem undurchdringlichen Dschungel unbarmherzig verirrt. Es dauerte noch fünf weitere Tage, bis sie endlich in dem auf einem Berg gelegenen Dorf ankamen. Das Dorf lag auf einem freien Platoon und bestand aus etwa dreisig einfachen Holzhütten. In der Mitte des Dorfes war ein überdachter Dorfplatz angelegt worden. Die Dächer bestanden aus äußerst kunstvoll verflochtenen und mit Harz verklebten Blättern die offensichtlich sehr wirksam den Regen von einem Eindringen in die Wohnräume abhielten. Obwohl diese Einsiedler wenig oder selten Besuch von anderen Menschen bekamen, begrüßten sie die Ankömmlinge freundlich und boten ihnen ohne Scheu sofort ihre Gastfreundschaft an. Die Sprache war weder Walter, noch Damian bekannt – aber eine Verständigung mit der Gestik des Körpers war ohne weiteres gut möglich. Eines wußte Walter jetzt mit Sicherheit: Es würde sehr schwer werden, etwas über den Stein des Lebens und die Höhle in der er lag, von diesen einfachen Dorfbewohnern zu erfahren. Die Männer errichteten am Rande des Dorfes auf einem freien Platz ihr Lager mit ihren Zelten. Als die Nacht sich über die Landschaft senkte und die Männer sich in ihre Zelte zurückzogen, waren alle froh, dass sie sich heute Nacht im Schutz des Dorfes erst einmal so richtig von den Strapazen der vergangenen Tage erholen konnten.
Am nächsten Tag fand einer der Männer bei einem Erkundungsgang in der näheren Umgebung des Dorfes eine Stelle auf dem felsigen Platoon, die über und über mit Zeichnungen und Zeichen bedeckt war, die man vermutlich vor sehr langer Zeit in den Stein geritzt hatte. Er zeigte Damian und Walter diese Entdeckung und sah, dass zumindest Walter sofort von diesem Fund mehr als begeistert schien. Die Zeichnungen und Zeichen waren eindeutig die Dokumentation der wundersamen Heilung der Dorfbewohner vor ein paar Jahrhunderten. Die in Stein geritzte Geschichte barg auch eine Beschreibung des Weges zu der geheimnisvollen Höhle in Form einer primitiven Landkarte. Nachdem Walter die verschiedenen Abstände der Sinnbilder von dem dargestellten Dorf ausgemessen hatte, gab Damian die ermittelten Werte in den Rechner des GPS-Systems ein. Als möglichen Standort gab das Gerät eine Hügelgruppe in nur zwei Kilometern Entfernung aus. Seltsamerweise gab es genau in diese Richtung einen kleinen Tierpfad. Wenn dieser Pfad schon lange bestand, war es auch zu erklären, warum das Kind damals auf ihm zu der Höhle hatte gelangen können. Während zwei Männer bei dem Zeltlager am Rande des Dorfes zurückblieben, marschierte Walter mit Damian und den restlichen drei Männern auf dem schmalen Tierpfad in Richtung des vermeintlichen Standortes der Höhle los. Eine laufende Kontrolle mit dem GPS-Ortungssystem zeigte ihnen, dass sie sich tatsächlich auf dem richtigen Weg befanden. Nach einer Stunde standen sie vor einem steil ansteigenden Steinhügel der größtenteils mit Büschen bewachsen war, deren Wurzeln sich ihre Nahrung aus der spärlich vorhandenen Erde, die sich in den Ritzen der einzelnen Blöcke gesammelt hatte, holten. Hinter den Büschen verborgen lag der Eingang zu einer Öffnung, die offensichtlich tief in den Berg führte. Waren sie jetzt tatsächlich am Ziel? Lag in der Höhle tatsächlich versteckt der Stein des Lebens? Walter konnte es kaum erwarten, bis zu dem Eingang der Höhle hochzuklettern um in das Innere zu kommen. Gefolgt von Damian und den drei Begleitern betrat er das Innere der Höhle. Sie hatten ihre äußerst lichtstarken Laserlichtlampen mitgenommen die aus dem trüben Dunkel im Inneren der Höhle sofort einen gut ausgeleuchteten hellen Raum zauberten.
Der gesamte Boden im vorderen Teil der Höhle war von kleineren Steinen bedeckt – weit und breit kein „Stein des Lebens“ zu sehen. Walter ging weiter in das Innere der Höhle hinein, gefolgt von den anderen Männern. War es doch die falsche Höhle oder gab es diesen geheimnisvollen Stein überhaupt nicht? Fast resigniert wollte Walter wieder umkehren, während ihn die anderen fragend ansahen. Ausser Damian wußte von den Männern niemand, nach was sie eigentlich in der Höhle suchten. Gerade als Walter sich umdrehte, um diese Höhle wieder zu verlassen, entdeckte er am hinteren Ende der Höhle einen etwa dreisig Zentimeter großen, gleichmäßig geformten ovalen grauen Stein. Der Unterschied dieses Steines bestand lediglich in der Tatsache, dass er eine Form hatte wie ein Rugby-Ball und eine besonders glatte, fast polierte Oberfläche aufwies. Damian sah am Blick Walters, welches Ziel dieser anvisiert hatte und eilte nun auch zu der Stelle, an dem dieser besonders glatt polierte Stein lag. Erst die Warnung von Walter, dass er diesen Stein nicht direkt mit den Händen berühren dürfe bis man seine Zusammensetzung genauestens analysiert hatte, hielt ihn davon ab, den Fund sofort an sich zu nehmen. Vorsichtig, sorgsam darauf bedacht den Stein nicht direkt zu berühren, wickelte Walter ihn in die mitgebrachte Kunststofffolie ein und verstaute ihn in einer Ledertasche. Von seiner Freundin wußte er, dass die Kraft des Steines des Lebens nur durch die besonderen psionischen Energien der Feehls oder der Delphine bei der Person, die ihn berührt hatte, voll aktiviert werden konnte. Möglicherweise konnte man zu Schaden oder sogar zu Tode kommen, wenn man den Stein ohne krank zu sein berührte und die kompensierenden psionischen Energien nicht rechtzeitig die Umwandlung bewirkte.
Da es in der Höhle nur diesen einen Stein gab, entschloß sich Damian und Walter wieder zu dem Lager beim Dorf des Bergvolkes zurückzugehen. Keiner dieser Dorfbewohner durfte erfahren, dass sie diesen Stein mitgenommen hatten. Ein wenig verwundert darüber, nur wegen so einem unscheinbaren wertlos erscheinenden Stein so eine weite und anstrengende Reise unternommen zu haben, gingen auch die drei Begleiter von Walter und Damian wieder zurück zu dem Zeltlager. Nachdem sie ihren Proviant wieder aufgefüllt hatten, traten sie den Rückweg in die Zivilisation aus diesem tropischen Urwald an.
Nach zwei Wochen hatten sie die unendlich weit erscheinende Wildnis hinter sich gelassen und das Motorboot brachte sie dem Flußlauf folgend zu dem an der Meereseinmündung des Flusses liegenden Flugplatz auf dem sie die Rückreise nach Deutschland antreten würden. Die vielen Lichter der großen Stadt, die sich vom Strand bis tief ins Landesinnere erstreckte, waren in der Nacht erst zu sehen, als sie nur noch wenige Kilometer von ihrem Ziel entfernt waren. Fast jedem fiel auf, dass das Motorboot plötzlich von ungewöhnlich vielen Flußdelphinen begleitet wurde. Der Kapitän hatte dafür allerdings keine Erklärung. Er hatte bis jetzt noch nie in seinem Leben so eine riesige Ansammlung dieser Tiere auf einer Stelle gesehen. Ihr Boot wurde regelrecht von diesen Delphinen belagert. Da es auf Deck plötzlich ungewöhnlich laut wurde, weil sich die dort anwesenden Männer lautstark über dieses ungewöhnliche Phänomen unterhielten, lockte es auch Walter und Damian aus ihren Unterkünften unter Deck heraus. Im selben Moment, als Walter diese Delphinansammlung sah, wußte er, was dies zu bedeuten hatte. Jetzt war er absolut sicher, den richtigen Stein des Lebens gefunden zu haben. Die Tiere wurden von den Kräften dieses Steines wie magisch angezogen.
Das Boot war inzwischen im Hafen angekommen, wo sich das Wasser des Flusses mit dem Wasser aus dem Meer in einem schäumenden Wirbel vermischte. Auch der Hafen schien inzwischen von den Delphinen belagert zu sein. So etwas hatten die Menschen noch nie erlebt. Viele standen an den Landestegen und beobachteten dieses seltsame, ungewöhnliche Schauspiel. Damian erblickte es als erster. Die Ledertasche, in der sich der Stein aus dem besonderen Mineral befand, schien in der Nacht in einem blassen Blau von innen heraus zu leuchten. War das Material des Steines radioaktiv und strahlte es deshalb so seltsam in der Nacht?. Nein, vermutlich war dies keine Radioaktivität, sondern diese Strahlung hatte eine heilende Wirkung. Ohne zu zögern nahm er den Stein aus der Tasche um seine Vermutung zu überprüfen. Die Männer drehten sich erschreckt herum, als sie plötzlich hinter sich einen entsetzlichen Schmerzensschrei hörten. Damian stand neben der leeren Tasche und sein Körper schien von innen heraus zu verglühen, während er mit vor Schmerz verzerrtem Gesichtsausdruck versuchte, den Stein wieder aus den Händen zu legen. Aber er konnte ihn nicht mehr loslassen – fast schien es so, als ob er mit ihm verschmolzen wäre. Sein Körper wurde von einer ungeheuren Hitze durchflutet und fast ohnmächtig vor Schmerz und Panik rannte er über Deck und stürzte sich ins Wasser um den alles verzehrenden „Brand“ zu stoppen. Kaum dass er in das Wasser eingetaucht war, konnte jeder sehen, dass der Stein immer stärker glühte und das Wasser von tausenden Energiestrahlen durchflutet wurde. Verwundert stellten die entsetzt dastehenden Beobachter fest, dass auch die Delphine von diesen seltsamen Energiestrahlen wie magisch angezogen wurden und immer mehr dieser Tiere in die Bucht schwammen. Walter wußte im gleichen Augenblick, als er Damian ins Wasser springen sah, was diesen Effekt ausgelöst hatte. Ohne zu zögern sprang er Damian hinterher ins Wasser und berührte mit seinen Händen ebenfalls diesen Stein. Sogleich wurde auch sein Körper von diesen geheimnisvollen Kräften durchflutet und er spürte jetzt auch die alles verzehrende Hitze die zuvor Damian so in Panik versetzt hatte. In seinen Gedanken war plötzlich ein Gewisper wie von tausend Stimmen und er war mit seinen Sinnen nicht mehr auf der Erde, sondern konnte weit entfernte Welten erfassen, wie wenn er sich dort körperlich aufhalten würde. Nach ein paar Minuten fühlte er, wie das „Feuer“ in seinem Körper, die ihn vorher als alles verzehrende Hitze zu verbrennen schien, langsam verlosch und dem Gefühl unbändiger Stärke Platz machte. Noch etwas benommen sah er sich von hunderten Delphinen umringt die offensichtlich ihre besonderen psionischen Energien auf ihn übertragen hatten.
Der Stein des Lebens – schoß es ihm durch den Kopf. Er war verschwunden. Hatte er sich aufgelöst? Nein – einer der Delphine schwamm weit draußen auf dem Meer und hatte offensichtlich den Stein des Lebens mit sich genommen. Aber warum hatte er sich den Stein geschnappt und war mit ihm aufs Meer hinausgeschwommen? Gleich darauf bekam er auf grausame Weise die Antwort auf seine Frage. Damian war sich inzwischen auch seiner neu gewonnenen Kräfte bewußt geworden und ohne Rücksicht auf das Leben der Männer an Bord des Bootes probierte er gleich aus, was er damit bewerkstelligen konnte. Ohne Mühe stemmte er das gesamte Boot aus dem Wasser und als es wieder im Wasser landete wurden mehrere der Männer von der Wucht des Aufpralls erschlagen. Entsetzt kletterte Walter auf einen der Landestege nachdem er einen der Männer, die ihn begleitet hatten, schwerverletzt aus dem Wasser gefischt hatte. Panisch rannten die Schaulustigen in allen Richtungen davon, als sie sahen, was sich gerade dort im Wasser für ein tragisches Schauspiel abgespielt hatte. Die Delphine hatten ebenfalls fluchtartig die Bucht verlassen, nur noch die Überreste des zerstörten Bootes trieben auf der Wasseroberfläche. Mit grinsendem Gesichtsausdruck stieg Damian gerade aus dem Wasser, sicher, dass er jetzt Kräfte besaß, die ihn unbesiegbar machten. Walter wollte ihn aufhalten, aber ein Faustschlag von Damian beförderte ihn mehrere Meter durch die Luft und er landete rücklings mitten zwischen den an den Landestegen liegenden Booten. Als sein Körper in einem der Boote aufschlug, konnte er das krachende Geräusch von zerbrechendem Holz hören. Mit seinem rechten Arm war er zuvor in einigen Stahlösen der Reling eines dieser Boote hängengeblieben und war sich jetzt sicher, dass er sich nicht nur alle Knochen gebrochen hatte, sondern vermutlich auch den halben Arm bei seinem Sturz an den Stahlösen abgerissen hatte. Seltsamerweise fühlte er aber keinen Schmerz. Nachdem er sich aus den zersplitterten Schiffsbohlen befreit hatte, stellte er verblüfft fest, dass er keinerlei Verletzungen davongetragen hatte. Auch sein Arm war unversehrt. Als er die Stahlösen betrachtete konnte er es nicht glauben – sie waren auseinandergerissen worden und das Schutzgeländer war vollständig verbogen.
Erst jetzt war sich Walter bewußt, welchen Preis er für diese Kräfte vom Stein des Lebens bezahlt hatte. Er war dafür verantwortlich, dass auch dieser unberechenbare Damian diese Kräfte erhalten hatte und jetzt vermutlich mit Gewalt sich alles nehmen würde, was er wollte. Das Schlimme an der ganzen Sache war die Tatsache, dass auch er offensichtlich nicht in der Lage war, Damian in seinem wahnsinnigen Verhalten stoppen zu können. Was hatte er nur getan? Der anfänglichen Begeisterung über die erfolgreiche Mission folgte nun die ängstliche Sorge, wie die Zukunft aussehen würde.
In der Bucht wimmelte es inzwischen nur so von Polizei und den Beamten der Sondereinsatzbehörden. Walter sah, wie einige der Schwerverletzten mit den Krankenwagen abtransportiert wurden. Er wurde von den gerufenen Notärzten in einer fremden Sprache angesprochen, deutete aber den Beamten an, dass ihm nichts passiert sei. Erst als die Beamten ihn in englischer Sprache aufforderten, sich von den Ärzten behandeln zu lassen, wurde ihm bewußt, dass jeder, der den Kampf zwischen ihm und Damian beobachtet hatte, davon ausgehen mußte, dass er schwerverletzt war und unter Schock stand. Als er an sich hinunterblickte, wurde ihm erst jetzt bewußt, dass er in völlig zerrissenen Kleidern steckte, die für einen Beobachter nur den einen Schluß zuließen, dass er mehr als eine Verletzung davongetragen hatte.
Es dauerte fast drei Tage, bis er den Behörden glaubhaft versichern konnte, nicht zu wissen, wie das ganze Geschehen in der Bucht passieren konnte. Selbst die Zeugen waren inzwischen nicht mehr sicher, einen Mann gesehen zu haben, der das Boot aus dem Wasser gehoben und zerstört hatte. Letztendlich sperrte man das Gebiet, in dem das Boot zerstört worden war großräumig ab – mit der Erklärung, dass vermutlich eine entweichende Gasblase das Boot aus dem Wasser gehoben hatte und es dadurch zerstört wurde. Dies wäre auch eine Erklärung für das zuvor beobachtete Phänomen der Ansammlung von Delphinen an dieser Stelle. Diese Tiere waren bekanntlich sehr sensibel und hatten bestimmt dieses Naturereignis vorherahnend instinktiv gespürt.
Der einzigste, der wußte, was sich tatsächlich dort in der Bucht abgespielt hatte, war Walter. Traurig reiste er nach Deutschland zurück. Evamaria hatte schon aus den Medien von dem seltsamen Unfall in der Bucht gehört, und dass nur ein einziger diesen Unfall wie durch ein Wunder unverletzt überlebt habe. Drei Besatzungsmitglieder lagen noch mit schweren Verletzungen in dem dort ansässigen städtischen Krankenhaus. Ihr Gesundheitszustand sei sehr kritisch und sie könnten in diesem Zustand keinesfalls in ihr Heimatland zur weiteren Behandlung transportiert werden. Als Walter in Deutschland auf dem Flughafen ankam, wartete seine Freundin dort nach dem Auschecken schon gespannt auf ihn. Die Freude darüber, die Höhle mit dem Stein des Lebens tatsächlich gefunden zu haben, wurde sehr schnell dadurch getrübt, dass das ganze Abenteuer so eine verhängnisvolle Wende genommen hatte und Walter sich dafür verantwortlich sah, diesem gewissenlosen Damian zu unbesiegbaren körperlichen Kräften verholfen zu haben. Evamaria starrte ihn nur ungläubig an, als er ihr von dem Kampf mit all seinen Folgen erzählte. Solche Kräfte konnte es doch unmöglich geben. Zuhause angekommen, als sich Walter wirklich unbeobachtet fühlte, führte er seiner Freundin vor, mit welchen Kräften er – und leider auch durch seine Schuld dieser verrückte Damian – jetzt ausgestattet war. Er hatte eine Figur aus massivem Metall auf seinem Schreibtisch stehen. Voll Staunen sah seine Freundin mit eigenen Augen, wie er die Figur mit einer Hand umfasste, und das Material ohne jede erkennbare Anstrengung und Mühe nur mit der Kraft der Hand verformte, als ob man die Figur aus weicher Butter gefertigt hätte. Mit sorgenvollem Gesichtsausdruck konnte sie ihm bestätigen, dass es wirklich mehr als eine Katastrophe bedeutete, dass solche Kräfte in die falschen Hände geraten waren.
Evamaria wußte in dieser Situation auch keinen Rat. Leider hatte sie ihre Vorahnung über den Ausgang dieses Abenteuers nicht getrogen. So hatte sie sich ihre Zukunft bestimmt nicht vorgestellt, jetzt für die brutalen Handlungen eines machtbesessenen rücksichtslosen Verrückten verantwortlich zu sein. Hätte sich Walter doch nur eine vernünftige Arbeitsstelle gesucht und sich künftig um seinen Nachwuchs gekümmert. Ja, Evamaria war im ersten Monat schwanger und hatte sich schon darauf gefreut, dies ihrem Freund mitteilen zu können. Was würde jetzt aus ihrer Familienplanung werden?
Christina Freiberg war durch die Medien schon von dem seltsamen Vorfall in der Bucht von Belem in Brasilien genauestens informiert. Das Phänomen mit den Delphinen konnte nur einen logischen Schluß zulassen: An diesem Ort hatte ein Austausch von den besonderen psionischen Kräften stattgefunden. Es war deshalb für sie auch keineswegs eine sonderliche Überraschung als die schon tagelang mit traurigem Gesichtsausdruck durch die Gegend laufende Evamaria bei ihr einen Termin für ein wichtiges Gespräch vereinbarte, denn den Berichten zufolge war ihr Freund als einziger diesem „Unfall“ völlig unverletzt entkommen. Natürlich hätte Christina aufgrund ihrer Begabung, die Gedanken anderer Menschen erfassen zu können, mit Leichtigkeit alles erfahren können, was ihre Angestellten dachten, aber sie hatte sich zur strengen Regel gemacht, bei keinem ihrer Mitarbeiter ihre besonderen Fähigkeiten zum Ausspionieren dessen Gedanken anzuwenden.
Evamaria beichtete nun ihrer Chefin die ganze Geschichte bis in jede Einzelheit. Nein, Christina war ihr nicht böse, dass sie das Gespräch zwischen ihr und ihrer Schwester belauscht hatte - das lag in der mehr als neugierigen Natur der Menschen. Ihr sorgenvoller Gesichtsausdruck galt vielmehr der Tatsache, dass Walter zusammen mit Evamaria offensichtlich unbewußt quasi ein unbesiegbares Monster geschaffen hatten das für die Menschen mehr als gefährlich werden konnte. Christina wußte, dass durch die Kräfte des Steins des Lebens alle positiven und negativen Eigenschaften eines Wesens um ein vieltausendfaches verstärkt wurden. Wenn es tatsächlich der Wahrheit entsprach, dass bei diesem Damian die Bereitschaft zur Gewalt und Machtausübung die Oberhand besaß, dann hatten sie wirklich mit ihm ein ernsthaftes Problem. Von ihrer Schwester wußte sie, dass der Träger von den Kräften eines Stein des Lebens selbst gegen die Einwirkung von Antimaterieenergie immun war. Dass Christina nach dem Gespräch mit Evamaria ihre Familienmitglieder mit "besonderen Eigenschaften" eilig zu einer Kriesensitzung versammelte, war eine völlig neue Situation und zeigte den anderen, dass anscheinend Christina das erstemal ernsthaft vor dem Problem stand, keine Lösung zu kennen wie man diesem Damian Einhalt bieten konnte.