Sinkende Schiffe
(Nach einer Idee von A.H.)
Er saß auf dem Klo und schaute auf den Boden. Seine Füße konnte er genau betrachten. Er bewegte sie abwechselnd wie die Tastatur des Klaviers, wenn er gelangweilt dasaß und nicht üben wollte.
Dann nahm er ein Stück Klopapier und faltete es zu einem kleinen Schiffchen – er tat das nicht nur einmal und so fand er sich mit lauter gefalteten Klopapierschiffchen um sich herum wieder.
Als das Papier aufgebraucht war, hielt er nur noch die langweilige Papierrolle in der Hand. Er seufzte. Erst jetzt fiel ihm auf, wie groß seine Hände waren.
Er wollte eine neue Klopapierrolle nehmen, die hinter ihm auf der Fensterbank stand. Als er sich zu ihr umdrehte – musste er jedoch zunächst die Augen zukneifen – die Sonnenstrahlen blendeten ihn.
Damals war das nicht so gewesen. Er wollte erneut ein Papierschiffchen falten, doch er tat es nicht.
Er drehte sich noch einmal zum Fenster um, als ob er von den Sonnenstrahlen ermahnt werden wollte.
Danach beendete er sein Geschäft, indem er dieses Klopapier für seinen eigentlichen Zwecke verwendete.
Er hob jedes Schiffchen auf und warf jedes einzeln in das dunkle Loch. Dann drückte er die Spülung und so verschwanden die Schiffchen.
Er wusch sich die Hände, ohne Seife zu benutzen. Er empfand es als unglaublich „erwachsen“, sich die Hände mit Seife zu waschen.
Er ging auf die Tür zu.
Noch einmal umdrehen wollte er sich, um zu sehen, ob auch alle Schiffchen sorgfältig beseitigt waren – doch er tat es nicht.
Vielleicht deshalb, weil er dann bemerkt hätte, dass er eins bewusst in der Ecke übersehen hatte.
„Du musst bleiben – sonst vergesse ich die anderen“, sagte er mit einem traurigen, dennoch sicheren Unterton.
Er zog die Tür hinter sich fest zu.
Von Pedro
Am 09.08.2010 um 22:42 Uhr
entschuldige, dass ich erst jetzt auf deinen Kommentar reagiere.
Deine Textanalyse entspricht meiner Schreibabsicht.
Dass dir mein Textchen gefallen hat, freut mich sehr, dass ich dir immer sympathischer werde, noch mehr.
Schönen Abend.
Pedro
zuletzt geändert am 09.08.2010 um 22:44 Uhr.
Von ScharkaliScharri
Am 26.07.2010 um 20:26 Uhr
meines erachtens nach ist klar, was du mit dieser geschichte zum ausdruck bringen möchtest. da hockt einer auf dem klo, nicht mehr ganz junge, aber auch noch nicht ganz erwachsener. er will das eine, ohne das andere vergessen zu müssen. und solange er sich dieses eine schiffchen bewahrt, sehe ich nicht, worüber er sich sorgen machen müsste. ;-) vielleicht über sein klavierspiel. wenn er erst erwachsen ist - d.h. selbstbestimmt handelt - wird er es vielleicht lassen und sich dingen zuwenden, die ihm spasz machen.
gute geschichte, wenn auch ein ungewöhnliches ambiente. schon die zweite klo-geschichte von dir. du wirst mir immer sympathischer. ;-)
lg,
ss
Von Pedro
Am 21.06.2010 um 10:35 Uhr
Von Murmeltearding
Am 20.06.2010 um 18:42 Uhr