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Prosa => Phantasy & SciFi


Ein langer Tag - von Krasi, 02.12.2014
Zur Einführung eine eine kurze Information.
In meiner Nähe befindet sich ein großer Verschiebebahnhof, auf dem die Waggons je nach Richtung zusammengestellt werden. Die Rangierloks werden Abends in einem Pool am Rande des Verschiebebahnhofs abgestellt.

In meinen Kurzgeschichten geht es um die Erlebnisse und Unterhaltungen der Rangierloks.

Die folgende Geschichte ist eine davon.


Ein langer Tag.

Die Sonne schien den ganzen Tag unbarmherzig vom Himmel. E2530 versuchte mit ihren, noch intakten Ventilatoren etwas kühle Luft in den Innenraum zu befördern.

Mit der Luft wurde jedoch auch allerlei Kleingetier in den Innenraum des Lokführerstandes gepustet. Diese kleinen Krabbelviecher liefen überall herum. Es kitzelte erheblich und E2530 konnte nichts dagegen tun. Nicht, dass sie sich heute sowieso nicht vom Fleck bewegen konnte, weil ein wichtiges Teil ausgefallen war, nein, nun auch noch das Getier, dass es sich hier im Sonnenschein gut gehen ließ und die restlichen Brotkrumen vom Frühstück der Lokführer vertilgten.

Heute war kein guter Tag. Es war langweilig, stink langweilig. Es war noch nicht einmal Frühstückszeit, wie solle sie denn den restlichen Tag bis zum Abend aushalten. Wenn doch wenigstens eine Wolke am Himmel wäre, dann könnte sie diese beobachten und mit den verschiedenen Formen ein Tierraten veranstalten. Es gab nichts, was ihr die lange Weile vertreiben konnte.
Sie konzentrierte sich deshalb ganz auf sich selbst und versuchte das permanente gekitzelt der Krabbeltiere zu unterdrücken.

Die Sonne stieg immer höher, die Luft wurde zum Schneiden dick. Der Ast eines Baumes, der in der Nähe stand warf einen spärlichen Schatten auf die Lok, streifte aber nur das seitlich Fenster mit einem schmalen Band und wanderte mit der Sonne zu den Radkästen hinab.

Es muss kurz vor Mittag gewesen sein, als ein langer Heulton die Bahnanlage zum Erstarren brachte. Auch E2530 zuckte zusammen. Die Scheinwerfer drehten sich - so weit sie es konnten- nach allen Seiten. Sie musste wissen, was da passiert ist.

Aus dem Blickwinkel heraus konnte sie im ersten Moment nicht viel erkennen. Ein Bergungsfahrzeug mit weit ausladendem Kran sauste auf dem Nachbargleis an ihr vorbei. Vier Gleise dahinter sah sie eine Rangierlok mit fünf Kastenwagen mit hohem Tempo vorbei fahren.

Ihre Neugier brachte sie zum Schwitzen, dass ihre Scheinwerfer milchig anliefen und sie absolut nichts mehr sehen konnte. „Wo bleiben die verdammten Krabbeltiere, die sonst immer so gerne meine Schweißtropfen aufsaugen“ dachte sie.

Die ganze aufgeregte Aktion lief an ihr vorbei. Sie konnte auch noch so stark mit den letzten Stromreserven ihre Scheibenwischer als Rufsignal einsetzen, keiner nahm jedoch Notiz davon oder hielt an um ihre Neugier zu befriedigen.

Es wurde ruhiger, die Rettungsmannschaften in ihren gelben Wagen waren schon lange vorbeigefahren. Es tat sich nichts mehr. Die Sirene hatte aufgehört ihren ohrenbetäubenden Rufton auszustrahlen und die Sonne mit ihren gemeinen heißen Strahlen hatte wieder das Kommando über die Gleisanlagen übernommen.

Was war da nur vorgefallen, es ließ ihr keine Ruhe, sie musste es herausfinden, aber wie. Eine defekte Lok, ohne Power und ohne eine Idee was und wo.

Lange dachte sie nach. Nichts fiel ihr ein, was von einem hilfreichen Inhalt sein könnte.

Es dauerte auch nicht lange, bis die unerträgliche Hitze sie wieder zum Dahindösen und letztlich zum Einschlafen überredete.


Rums, rums, rums, machte es. E2530 wurde aus dem Schlaf gerissen. „Was ist denn nun schon wieder los“ dachte sie. Sie kannte das Geräusch und das Geschiebe aus den täglichen Abendstunden, wenn alle Loks wieder an ihren Platz gefahren wurden. Die Lokführer in Gesprächen vertieft, nahmen es nicht so genau mit dem Stopp, da kam es immer wieder vor, das die eine oder andere Lok auf die vordere aufgefahren wurde.

….aber nun, es war noch nicht einmal Mittag und heute war außerdem ein normaler Wochentag, kein Feiertag, an dem die Loks meist früher auf ihr Gleis geschoben wurden.
Nach hinten zu schauen war nicht gerade einfach. Hinten hatte sie zwar auch die gleiche Anordnung von Lampen, Haken und Ösen, aber dennoch war heute die Sicht nach hinten versperrt.

Sie versuchte ihre Rückspiegel so zu drehen, dass sie den hinteren Teil ihrer Lok zu Gesicht bekam.
Es klappte wunderbar, doch was sie sah, war nicht sehr erfreulich.
Hinter ihr stand eine Schwesterlok, eine Lok vom selben Typ, aber sie sah aus, als wenn man sie durch den Fleischwolf gedreht hatte. Die gesamte vordere Gesichtspartie einschließlich der Scheinwerfer und der vorderen Radkästen waren nicht mehr als solche zu erkennen.

Die Neugier von E2530 entzündete sich von Neuem. Was war da wohl passiert. Sie versucht mit der hinter ihr stehenden Lok Kontakt aufzunehmen und bündelte ihre gesamte noch vorhandene Energie auf die hinteren Scheibenwischer und Lampen.

Von der Schwesterlok kamen aber keine Signale, sie musste also annehmen, dass sie die Signale nicht verstand oder, nein, das wollte sie nicht denken, nein, nein. Sie wird noch am Leben sein und antworten können. „ich muss ihr nur etwas Zeit zum Erholen und zum Zurechtfinden geben, dann würde sie schon antworten.

Es vergingen viele Minuten, es gab keine Antwort von hinten, jedenfalls nicht von der Schwesterlok. Es war so still, dass die E2530 das Laufen der Krabbeltiere hören konnte.

Auf den Nebengleisen sah sie die Rettungsmannschaft wieder zurückfahren. Der Kran, die Bergungslok und auch die Bahnfeuerwehr fuhren an ihr vorbei.

Mist, Mist und noch mal Mist, alle wissen, was los ist, nur ich nicht.


Während sie noch vor sich hin schimpfte, näherte sich ein kleiner schmächtiger Junge den Gleisanlagen. Er humpelte und zog sein rechtes Bein nach sich. Das gelbe Hemd, arg schmutzig, hing halb aus seiner zerrissenen Hose.
Er schlug mit einem kurzen Stock gelangweilt die Brennnesseln, die neben den Gleisen wuchsen, auseinander. Ohne hochzuschauen, ging er mit kurzen Schritten von einer Schwelle auf die andere.

E2530 konnte sich an ihn erinnern, er war oft hier, saß am Bahndamm, kritzelte irgendetwas mit seinem Stock in den Sand und beobachtete die vorbeifahrenden Züge.

Eine zweite und dritte Neugier erfasste sie. Wer war der Junge und was war hinter der Kurve passiert?

Zu dumm, er war etwas zu weit weg. Ihre Energie reichte nicht für einen lauten Rufton.
Doch sie hatte eine Idee. Im Wassertank waren noch ein paar Liter und um den Schieber zu öffnen, musste die fast entladene Batterie noch reichen.

Mit aller Kraft presste sie das Wasser aus dem kleinen Ablassschlauch. Der Strahl war nicht gerade wie von einer Feuerwehr, er reichte aber, um dem kleinen Jungen die Füße zu bespritzen. Dieser erschrak und drehte sich schnell um, als ob er eine Gefahr von hinten abwenden wollte.

„Hab keine Angst“, krächzte die Lok. Der Junge blieb stehen und lauschte. Wer war das, dachte er. Er drehte sich ein paar Mal um, konnte doch niemanden entdecken und ging in Gedanken vertieft ein Stück weiter. Er schaute nur noch nach oben, um zu herauszufinden, woher die Wassertropfen kamen, die er abbekommen hatte.

Ein bisschen verwundert war er schon, als er keine Wolke am Himmel erblickte.
Er drehte sich noch einmal um und sah, wie die Scheibenwischer der Lok sich auf und ab bewegten. Nun wurde er neugierig und ging zurück.

„Was ist da los“ krächzte die Lok aus dem letzten Loch, "Bitte sagt mir, was da geschehen ist“.

Der Junge blicke in die Richtung, aus der die Krächzgeräusche kamen. Wer plappert da, wer ist das?
„Hier ich, die Lok vor deiner Nase, ich will wissen, was hier auf der Gleisanlage passiert ist“ antwortete die E2530.
Der Junge noch in seinen Gedanken vertieft, realisierte nicht, dass da eine Eisenbahnlokomotive mit ihm sprach.

„Da hinten hat es einen Unfall gegeben“ sprach er in einem Ton, als wenn er es sich selbst erzählen wollte, und ging weiter, den Stock in seiner Hand ließ er schleifend über die Schwellen gleiten.

„Halt, halt“ krächzte die Lok. „Bleib stehen, erzähl mir mehr von dem Unfall“.
Der Junge blieb stehen, drehte sich um und sagt: „Lass mich bitte in Ruhe, ich habe keine Lust mit dir zu reden“ „Warum nicht, du bist doch oft hier, ich habe dich schon vor ein paar Tagen hier herumschleichen sehen“.

„Ich schleiche nicht herum, ich suche etwas" antwortete der Junge.
„Da wir uns ja anscheint schon bekannt sind, kannst du mir auch deinen Namen verraten, damit ich weiß, wie ich dich ansprechen soll“ sagt die Lok. „Na gut, ich bin Uwe, aber nun lass mich bitte nun in Ruhe meines Weges ziehen.“ sagte Uwe.

„Wo willst du denn hin, hier gibt es doch nur Gleise, Schotter und Unkraut, und heute, heute ist ja sowieso nichts los, nur ich bin hier“ erwiderte die Lok.
„Ich gehe zum Aussichtsturm. "Ich will heute die ein paar Gangster überführen“ sagt Uwe und war im Begriff seinen Weg fortzusetzen, ging aber wie von Geisterhand gezogen zurück zur Lok. „Du willst Gangster jagen, das hört sich ja spannend an. Komm, setz dich zu mir ins Führerhaus und erzähl mir mehr davon“.

„Eben wolltest du noch wissen, was da hinten passiert ist, und nun hast du alles vergessen". "Wegen der Gangstergeschichte“, murmelte Uwe vor sich hin.

„Ich hab alles verstanden“ krächzte die Lok. „alles der Reihe nach, zuerst die Gangster, dann der Unfall“ sagt die Lok halb lachend, halb stotternd. Sie war gespannt auf beides. Der Tag, der sehr langweilig begann, schien nun doch spannend zu werden.

Uwe...., Uwe, wer war dieser Junge, er ging etwas komisch, als wenn eines der Beine etwas zu kurz geraten war. Die Lok, sonst nicht immer so sentimental, hatte bei diesem Anblick genau gesehen, dass Uwe nicht nur ein Problem mit seinem linken Bein hatte. Der Junge mache einen sehr sympathischen Eindruck auf sie, deshalb musste sie herausbekommen, was Uwe bedrückte. Einen Aussichtsturm, Gangster, so etwas hatte sie hier in den Gleisanlagen noch nicht bemerkt und sie war schon lange hier, sie war vielleicht eine der ältesten Loks hier in dem Verschiebebahnhof.

Uwe stieg die Trittbretter zum Führerhaus hinauf, wischte mit seinem Ärmel die Krümel und auch das dort herumlaufende Getier vom Armaturenbrett und setzte sich auf den Sessel des Lokführers. Er war kurz wie benommen, er auf dem Sessel des Lokführers, ja, so konnte er die Gangster jagen. Er drehte an allen Knöpfen, schaltete die Hebel hier und da. Es passierte zwar nichts, weil die Batterie der Lok fast auf dem Nullpunkt war und die Energie zum Starten der Lok nicht reichte.

„Hör erst einmal auf überall herumzufummeln, erzähl mir mehr von den Gangstern, dann erkläre ich dir auch, wie ich funktioniere. Vielleicht können wir ja dann eine kleine Ausfahrt unternehmen und auch nach dem Unfall schauen“.

Uwe lehnt sich zurück und legt seine Beine auf das Armaturenbrett, verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und seufzte tief. Er genoss den Ausblick aus dem Führerhaus. Hier zu sitzen, davon hatte er schon immer geträumt. Er schloss kurz die Augen und fing langsam an zu weinen. Die Tränen kullerten seinen Wangen hinunter und tropften auf den Boden des Führerhauses.


„Ich merke genau, dass du weinst“, sagt die Lok ganz leise. „erzähl mir, was dich bedrückt“.
Uwe sprang auf und öffnete die Tür des Führerhauses. Kurz bevor er auf den Schotter der Gleisanlage springen konnte, rief die Lok „Halt“, so kommst du mir nicht davon, wir sind doch jetzt Freunde und Freunde gehen so nicht auseinander“

„Ok, was willst du“ fragte Uwe. „Ich will mit dir die Gangster fangen“
„Du, du kannst doch noch nicht einmal das Licht anmachen, wie willst du dich denn bewegen, geschweige mir zu helfen“ konterte Uwe.
Ein Lautes surren und zucken ging durch den gesamten Führerraum, sodass sogar die Scheiben etwas klirrten. „Nun werd mal nicht frech, ich zeige dir, dass da noch eine Menge Kraft in mir steckt. Ich kann mich zwar im Moment nicht von der Stelle bewegen, aber wenn ich erst einmal wieder auf Vordermann gebracht wurde, wirst du schon sehen, was ich alle kann“.

Uwe verkniff sich weitere Kommentare. Eine sprechende Lok war ihm sowieso etwas unheimlich. Er brauchte immerhin ein paar Minuten, um das alles zu verstehen.

„Also gut“ sprach er leise vor sich hin, „schaden kann es ja nichts“.
Er ging zurück auf den Lokführersessel und machte es sich dort bequem.

“Wo hast du deine Ohren, wo soll ich rein sprechen“ fragt Uwe.
Die Lok fing fürchterlich an zu lachen. „wo du willst, ich sagte dir doch, dass ich ungewöhnlich bin, ich verstehe dich überall“ sagte die Lok, in einem, eher fast aufgeregten Ton.

„Du musst mir erst noch versprechen, dass alles unter uns bleibt und dass ich mich auf dich verlassen kann, auch wenn es gefährlich werden sollte“ sagte Uwe.

„Was denkst du von mir, ich bin eine ehrbare Lok, ich habe schon viele Güterwagen mir wertvoller Fracht gezogen und einmal durfte ich sogar eine kleine Anzahl Personenwagen ziehen, in der eine Schulklasse einen Ausflug zum nahegelegenen See machte“.

„Es ist ja schon gut, ich will nur ganz sicher gehen“ murmelte Uwe vor sich hin.

„Weißt du eigentlich, was da drüben hinter der Gleisanlage ist“?, fragt Uwe und zeigte mit seinem Finger in Richtung des alten Basaltwerkes. Weist du eigentlich, was ein Basaltwerk ist? Noch bevor die Lok antworten konnte, fuhr Uwe weiter fort. „In einem Basaltwerk werden dicke große Basaltsteine zu Schotter zerkleinert, die dann für den Straßenbau und oder als Untergrund für die für die Gleisanlagen verwendet werden.

Heute jedoch ist das Basaltwerk nicht mehr in Betrieb, es ist stillgelegt und außer, ein paar dunkler Gestalten, hält sich dort niemand mehr auf. Es ist ein Sogenannter „Lost Place“.

„Ich gehe fast jeden Tag dorthin und beobachte immer 2 Männer, die täglich so gegen 16:00 dort ankommen. Sie kommen mit einem alten, klapprigen Auto, bei dem sie den Beifahrersitz ausgebaut haben. Der größere, mit dem Schnurrbart, steuert das Auto, der dicke mit der Glatze sitzt immer hinten auf der Rückbank und hält eine Kiste fest, die an der Stelle des Beifahrersitzes steht.

Sie fahren direkt in die große Halle des Basaltwerkes und halten vor einer Treppe, die nach unten in die Kellerräume des Werkes führt. Der Eingang ist mit einer dicken Eisenklappe verschlossen. Man kann sie nur mit einem Trick, den ich leider noch nicht herausgefunden habe, öffnen“.

Die Lok unterbrach: „Müssen die Männer die Klappe per Hand öffnen oder wie“?
„Nein, irgendwie öffnet sich die Klappe von alleine, wenn die Männer in ihre Nähe kommen. Ich dachte schon an eine Fernbedienung oder so, aber dass habe ich wieder verworfen, da die Männer meistens nur die Kiste in der Hand haben, wenn sie sich der Klappe nähern.

„Was ist in der Kiste“? Will die Lok wissen, „Keine Ahnung“ antwortete Uwe, „genau das will ich herausfinden, da musst du mir helfen, wenn du kannst“.
„Warte bis morgen Abend. Morgen am Vormittag kommt der Techniker, der mich wieder auf Vordermann bringt, dann bin ich fit, dann geht es los, wir werden gemeinsam schon herausfinden, was da los ist. Sagt die Lok voller Vorfreude auf morgen.

„Für heute wollen wir erst einmal herausfinden, was das für ein Unfall hinter der Biegung war, das kannst du doch alleine herausfinden und mich informieren, ich bin schon ganz neugierig.

Auch Uwe wollte wissen, was da passiert war. Er schwang sich vom Führersessel und sprang durch die offene Tür hinaus auf den Schotter der Gleisanlage.
Ohne sich noch einmal umzuschauen, rannte er in Richtung der Biegung.

Auf dem Weg dorthin versperrten Büsche und hoch wachsende Bäume die Sicht auf das Geschehen. Er hörte nur die Geräusche der Arbeiter und die Rufe der Rettungsmannschaft. Er war auch neugierig geworden, aber als er näher kam, fuhr es ihm wie Blei durch die Glieder. Er konnte es nicht glauben, was er sah.

Am Rande der Gleisanlagen saßen 2 Männer mit Decken umhüllt. Vor Ihnen standen zwei Rettungssanitäter, die ihnen etwas zu trinken reichten. Viele Gleise sahen aus wie durch einen Sturm aufgewirbelt. Fetzen der Schwellen hingen an ihnen und ergaben ein gespenstisches Bild. Eine Rangierlok lag auf der Seite, aus ihren Rohren dampfte und zischte es noch. Viele der Rettungsmannschaft waren damit beschäftigt, nach weiteren Verletzten zu suchen. Es war doch nur ein Güterzug und so wurden auch keine weiteren Verletzten gefunden.

Aber wer waren denn die 2 Männer, die gerade nicht wie Bahnarbeiter aussahen. Eine hatte sogar weiße Handschuhe an, der andere, gut gekleidet und die Haare glatt nach hinten gekämmt, sah aus wie ein Mann aus der nahe gelegenen Bank.

Je näher Uwe kam, desto klarer konnte er die zwei Männer sehen und ihm wurde auch klar, er kannte sie. Er brauchte nicht lange zu überlegen ... es waren die gleichen Männer, die er schon in der Fabrikhalle beobachtet hatte.

Leider konnte Uwe sich keinen Reim darauf machen, was die Männer hier angestellt hatten und warum sie hier waren. Er dachte nur eins, er musste zurück zur Lok und ihr alles erzählen. Gemeinsam könnten sie das Rätsel lösen.

In der Ferne hörte er die Polizeiautos mit ihren Sirenen und dem Blaulicht heranrasen.
Das war vielleicht die Gelegenheit, dachte er, nun könnte er direkt der Polizei mitteilen, was er beobachtet hatte.

Diesen Gedanken verwarf er jedoch sehr schnell. Keiner würde ihm, dem Hinkefuß, glauben.

Seit Uwe an Kinderlähmung erkrankt war, konnte er sein rechtes Bein nicht wie alle anderen Kinder normal bewegen, es war teilweise gelähmt und er zog es ein bisschen hinter sich her. Alle Kinder im Dorf hatten ihn deswegen immer mit Hinkefuß gehänselt. Er hatte sich daran gewöhnt, aber jedes Mal, wenn er damit konfrontiert wurde, war er sehr traurig. Auch die Erwachsenen nahmen ihn nicht für voll, obwohl er geistig und sonst körperlich total ok war. Er war zu gut und wollte sich überall beliebt und es allen gerecht machen. Schnell lernte er aber, dass er von anderen keine Hilfe erwarten konnte. Er musste selbst für sich sorgen.
Es viel ihm daher sehr schwer, der Lok zu vertrauen.

Wie er nun da zurücklief, dachte er plötzlich an seinen Vater. Er kannte ihn nur vom Foto auf der Kommode seiner Stiefmutter, sonst hatte er nie etwas von ihm gesehen oder erfahren. Der Polizist in Uniform, der erinnerte ihn sehr stark an seinen Vater.

Völlig außer Atem erreichte er die Lok, zog sich hoch in den Führerstand, setzte sich auf den Lokführersessel und pustete aus allen „Löchern“.

„Nun fang schon an zu erzählen, was ist da los“ sagte die Lok mit zitternder Stimme, der man anmerkte, wie sehr sie förmlich an den Lippen von Uwe hing.

Nachdem Uwe auch den letzten Schleim ausgehustet hatte, fing er an zu erzählen.
Ohne Umschweife und ohne etwas auszumalen erzählte Uwe, alle Details und alles, was er gesehen hatte.

„Setz dich ruhig erst einmal hin, ich kann mir vorstellen, wie es in dir aussieht, wir müssen nun in Ruhe überlegen, was wir mach wollen“ sagt die Lok.

„Auf keinen Fall die Polizei einschalten, die glaubt mir nicht, wir müssen das alleine schaffen“ schrie Uwe.

„Warum schreist du und warum zitterst du auf einmal“ fragte die Lok.
„Ich will nach Hause, ich will, ich kann, ich ...“ stotterte Uwe.

Es machte „Klick“ und die Türen der Lok waren verschlossen.
„Du kommst mir hier nicht raus, wenn du mir nicht alles erzählst“ sagte die Lok.
„Ich will nicht, ich will hier raus, und wenn du die Türen nicht aufmachst, schlage ich sie mit diesem großen Schraubenschlüssel die Scheiben ein“. Uwe hielt sehr beeindruckend einen sehr großen 32er Schlüssel, den man nur im Eisenbahnverkehr kannte, vor sein Gesicht und Tränen liefen, über durch die von der Aufregung geröteten Wangen, hinunter.

Die Lok war sich im Moment nicht ganz sicher, was sie machen oder sagen sollte. Ihre ganze Aufmerksamkeit richtet sich darauf, Uwe zu beruhigen.
Uwe saß ganz ruhig, auf dem Sessel des Lokführers, hielt sich die Hände vor das Gesicht und glaubt, dass die Lok es nicht bemerken würde, dass immer noch tränen über seine Wangen liefen.
Mit schluchzenden Worten versuchte Uwe einen vernünftigen Satz herauszubringen, aber es dauerte eine Weile, bis er sich gefangen hatte und begann zu erzählen:
Ich glaube ich habe heute meinen Vater gesehen, er ist einer der Polizisten, die den Unfall aufnehmen. Was soll ich machen, fragte er. Er hat sich nie um mich gekümmert, vielleicht weiß er gar nicht dass ich lebe. Da kann ich doch nicht einfach hingehen und sagen „Hallo Vater hier bin ich“. Er erzählte weiter von dem Bild auf dem Schrank seiner Stiefmutter, er erzählte auch, wie er immer, und immer wieder von seiner Stiefmutter wissen wollte wer und wo sein Vater ist. Er hatte nie eine Antwort bekommen. Er hatte auch nie bemerkt, dass seine Stiefmutter ernsthaft bemüht war ihn zu suchen.
„Lass uns gemeinsam überlegen, wie wir weiter vorgehen“ :sagte die Lok.
Wir haben drei Fälle. Du und dein Vater, die Männer vom Basaltwerk und der Unfall hinter der Biegung.
Was hältst du davon, wenn du einfach zur Unfallstelle gehst und so tust, als ob du rein Zufällig dort vorbei gekommen bist. Halte dich in einer guten Entfernung zum Geschehen auf und versuch mitzubekommen, was dort gesprochen wird. Schau dir die zwei Fremden Männer und merke dir was sie sagen. Wichtig ist nur, dass du ganz ruhig bleibst, auch wenn dich dein Vater ansprechen sollte. Tue einfach so, als wenn er ein ganz normaler für dich ungekannter Polizist ist.

Uwe fand die Idee im ersten Augenblick sehr gut, als er sich aber auf den Weg machen wollte, bekam er Zweifel und Angst. Seine Hände wurden feucht und er war im Begriff sich wieder auf den Sessel des Lokführers zu schwingen, als er Schritte auf dem Schotter hörte. Sie kamen immer näher und Uwe hockte sich hinter den Lokführersessel und wartete ab was nun geschehen würde.
Es war einer der Polizisten, die an der Lok vorbeigingen, um sich den Schaden der Schwesterlok anzusehen. Er machte Fotos von allen Seiten, schrieb etwas in sein Büchlein und ging wieder zur Unfallstelle zurück ohne weiter Notiz von der E2530.

Uwes Herz klopft wie wild, er hob langsam den Kopf und sah gerade noch, wie der Polizist etwas in das Gebüsch neben den Gleisen versteckt. Ohne nach rechts oder links zu schauen, verschwand er dann wieder hinter der Biegung.

„Hast du das gesehen“ flüsterte Uwe. „ Ja, hab ich auch gesehen, konnte aber nicht erkennen, was es war“ antwortete die Lok.
„War der Polizist dein Vater?“ fragte sie weiter. „Ich konnte es nicht erkennen, meinen Vater habe ich ja vorhin nur kurz gesehen“ antwortete Uwe.

Lok und Uwe blieben einen Moment stumm, beide überlegten, was sie nun machen sollten. Uwe stand wortlos auf, öffnete die Fahrertür und sprang auf den Schotter.
„Sei vorsichtig“ rief die Lok noch hinterher. Uwe nickte und ging in einer gebückten Haltung Richtung Gebüsch. Er schob das Gras zur Seite und zog ein blutverschmiertes Taschentuch hervor.

Mit dem tuck in der Hand rannte er zurück an der Lok vorbei zur dahinter stehender Schwesterlok. Er wusste genau wonach er suchen musste und fand sehr schnell eine zerbeulte Stelle unterhalb des linken Scheinwerfers. Er schaute sich die Beule sehr genau au und sah noch Reste von Blutspuren. Ihm war sofort klar, das der Polizist das Blut abwischte und damit Spuren zu beseitigen.
Aber warum, was geht hier vor?
Er rannte sofort zur Lok zurück, sprang in das Führerhaus und begann mit der Lok mögliche Hintergründe zu diskutieren, nachdem er ihr von der blutverschmierten Beule und dem Taschentuch erzählt hatte.

„Mach es so, wie ich es dir vorgeschlagen habe, gehe hin und beobachte alle, aber tu wirklich ein bisschen cool, ok“ sagt die Lok.
Uwe fasste allen Mut zusammen, öffnete die Fahrertür und sprang auf den Schotter.
Er suchte seinen Stock, den er vor Schreck fallen lies, als ihn die Lok nass ansprach.

Mit gelangweilten Schritten, den Stock in der Hand und einem klopfenden Herzen ging er auf die Biegung zu.

Ein Haufen verbogener Schien, aufgewühlter Schotter und ein Kranwagen mit aufgeregten Bauarbeitern, die hin und her liefen und nach dem Kommando des Oberaufsehehers versuchten etwas Ordnung ins Chaos zu bringen. Etwas weiter ab saßen die 2 Männer mit einer Decke umhüllt im Gras. Vor ihnen standen die beiden Polizisten und sprachen etwas aufgeregt auf die Männer ein.
Uwe verstand noch kein Wort, deshalb ging er etwas dichter an die Gesprächsgruppe ran, setze sich aber in gebührendem Abstand ins Gras und stocherte wie gelangweilt mit seinem Stock im angrenzenden Schotter.

Bevor der ältere Polizist sein Buch, wo er alles notiert hatte, zuklappt, konnte er gerade noch folgenden Satz mitbekommen: „Ok. Dann sehen wir uns heute Abend in der Halle“. Die Polizisten verabschiedeten sich von den Beiden, stiegen in ihr Polizeiauto und fuhren davon.
Uwe schaute etwas verwundert nach allen Seiten. Er merkte sehr schnell, dass sich die vier gut kannten, auch war ihm sofort klar, welche Halle sie meinten.
Er konnte sich aber keinen Reim darauf machen, was das alles zu bedeuten hatte.

Die beiden Männer standen auf und warfen die Decke und wollte gerade den Unfallort verlassen, als sie Uwe im Gras sitzend sahen.
Sie gingen auf ihm zu und fragten ihn: “was machst du hier, wie lange bist du schon hier, was hast du mitbekommen?“
Der mann mit den glatten nach hinten gekämmten Haaren fasst uwe an die Schulter und schüttelte ihn so kräftig, dass Uwe anfing zu schreien.
„Komm, erzähl uns alles, sonst kommst du ins Gefängnis: Uwe fing trotz Tränen in den Augen an zu lachen. „Ins Gefängnis, warum sollte ich ins Gefängnis, ich habe nichts gemacht, außerdem ist mein Vater bei der Polizei“

Es war zu spät, als er merkte, was er gesagt hatte. Es war im so raus gerutscht, doch nun war es gesagt und er musste das Beste daraus machen.
„Also los, bringt mich zur Polizei, mein Vater wird die Sache schon aufklären“ sagte er sehr selbstbewusst. Es war deutlich zu spüren, dass die beiden Männer in eine Art Schocksteife verfielen. Nach einigen Sekunden, hatten sie sich aber wieder gefangen.
„nun mal langsam kleiner, das war doch so nicht so gemeint“ sagt der Mann mit den weißen Handschuhen.
Nun redeten Beide sehr höflich auf Uwe ein, sie wollten nun wissen wie denn sein Vater heißt, wo er arbeitet und auch wo Uwe wohnt und was seine Mutter macht.
Uwe erkannte sehr schnell, was die Beiden wollten.
Uwe blieb hartnäckig, bis einer ihn an seine Arm fasste und sagte: “Du kommst jetzt mit uns, dann sehen wir weiter“

Uwe bekam feuchte Hände, seine Knie fingen an zu zittern, denn er wusste, wo sie mit ihm hinwollten. Er musste zur Lok, die würde ihm schon helfen, ging es durch seinen Kopf, aber wie konnte er dort hingelangen, schnell laufen konnte er er wegen seines Beines ja nicht, selbst wenn er sich losreißen würde. Tausend Gedanken rasten durch sein Gehirn, viel Zeit hatte er nicht zum Überlegen.
„Ok, ich komme mit, aber ich habe ein schlimmes Bein und brauche meinen Gehstock, oder ihr müsst mich tragen. Ich brauche auch meine Medikamente gegen meine täglichen Anfälle. Das mit den Anfällen war natürlich geschwindelt, aber es wirkte.
„wo hast du deinen Gehstock und deine Medikamente“ wollten die Männer wissen.
Uwe zeigte in Richtung der Lok und sagt: „drüben in der alten Lok, da spiele ich immer und habe dort meine persönlichen Sachen versteckt, so wie was zu essen und zu trinken und meinen Gehstock und die Medikamente“

Uwe ging voran, die beiden Männer hinterher. „Beeil dich“ schnauzte einer der Männer von hinten. Uwe ging so schnell er konnte und hoffte, das die Lok sie beobachten würde und die Situation erkennen würde.
Natürlich, er konnte sich auf sie verlassen, denn die Tür zum Fahrerhaus stand bereits offen.
Uwe kratzte all seine Energie zusammen, sprang mit dem einen Bein auf das Trittbrett und schwang sich rollend, wie ein Stuntman, in das Führerhaus.
Klapp machte es und die Tür schlug. Uwe machte noch eine halbe rolle und dann macht es auch noch Klick. Die Lok hatte nicht nur die Tür zuschlagen lassen, sondern auch noch gleich die Verrieglung ausgelöst. Die Tür war zu.
Schimpfend versuchten die Beiden, die Tür zu öffnen. Es ging nicht, merkten sie bald und wollten nun mit Steinen die Scheiben einzuschmeißen. Vergebens.

„Wir warten hier draußen, bist du rauskommst, denn irgendwann musst du ja raus. Dein Vater wird dich suchen und du musst ja auch zur Schule. Wir haben Zeit“: , schrie der Mann mit den glatten Haaren mit aufgeregter Stimme.

Uwe hatte sie reingelegt, das konnten sie nicht überwinden. Das hatte noch keiner gemacht.

Aufgeregt erzählte er in schnellen Zügen was er erlebt hatte, den die Lok konnte es kaum abwarten, alles zu erfahren.

Es war mittlerweile Nachmittag geworden und die sonne stand nicht mehr so hoch. Das Fahrerhaus des Lokführers kühlte ein wenig ab und das tat beiden sichtlich gut. Uwe saß wieder auf dem Fahrersessel und diskutierte mit der Lok über die weitere Vorgehensweise.
„Ich glaube die Zeit spielt für uns“ murmelte die Lok. „es wird langsam Abend und da kommen die anderen Loks nach Hause und werden hier abgestellt. Dann ist hier etwas Bewegung. Ich glaube nicht, dass sich die beiden Schurken da draußen hier dann aufhalten können“ fügte sie hinzu.

Uwe nickte: „aber wie komme ich hier dann raus um Hilfe zu holen“ fragte Uwe.
„Das ist einfach, wenn die Lokführer ihre Loks abgestellt haben, gehen sie in den Aufenthaltsraum, dort geben sie ihre Fahraufträge ab, ziehen sich um und gehen dann nach Hause, bevor sie noch auf den Einsatz- und Fahrplan für den nächsten Tag geschaut haben.

Sprich einen der Lokführer an, sag das du deinen Vater, der hier auch Lokführer ist abholen möchtest und er soll dich bitte mit zum Lokführergebäude mitnehmen“ schlug die Lok vor.
„Was soll ich sagen, wenn er mich nach meinem Namen fragt, denn er kennt bestimmt alle seine Kollegen“ wollte Uwe wissen“.

„Denk dir einen aus und füge hinzu, dass er erst seit heute hier arbeitet. Ein Risiko ist immer dabei, aber dir kann nicht viel passieren, Hauptsache du gehst geschützt hier weg“, sagte die Lok.

Uwe war nicht ganz wohl bei dem Gedanken und fragt nach einer anderen Möglichkeit von hier zu verschwinden.

„Wir Loks haben ja zwei Gesichter“ sagte sie lachend. „Ich meine wir sehen vorne genauso aus wie hinten. Wir haben hinten auch einen Einstieg und ein Führerhaus. Während ich hier vorne die Beiden beobachte, schleichst du dich hinten heraus, aber ruhig und nicht mit den Türen knallen. Lass sie offen, nachdem du ausgestiegen bist. Ich mach sie dann automatisch zu“, sagte die Lok.

„Überlege es dir aber was du machen willst, wenn du die Polizei verständigen willst, sei vorsichtig, denn wenn das alles so ist, wie du es mir erzählt hast, könnte die Polizei mit den beiden Schurken zusammenarbeiten und dann läufst du in eine Falle. Wenn du deiner Stiefmutter trauen kannst, sprich dann zuerst mit ihr“ ergänzte die Lok.

Uwe ging in den hinteren Teil der Lok und stieg vorsichtig aus und verschwand im angrenzenden Gebüsch.

E2530 war nun wieder alleine, sie merkte nicht, das die ungewollte Stille wieder in ihr eingezogen war. Sie war zu sehr damit beschäftigt, die zwei Schurken zu beobachten.
Das ging auch eine Ganze weile ganz gut, solange die Beiden im Sichtfeld ihrer Scheinwerfer waren. Nach und nach kamen jedoch andere Loks von ihrer Tagesarbeit nach Hause und wurden rechts und links von ihr abgestellt, sodass sie schon nach kurzer Zeit die Beiden aus den Augen verlor.

„Hey Looser, was hast du den ganzen Tag hier gemacht“ schrie eine ihr wohl sehr bekannte Stimme vom Nachbargleis. Natürlich, es war der schöne Siegesmund, so nannten ihn hier alle. Eigentlich war es die ganz stink normale Lok E1616.
Siggi oder auch Siegesmund genant war immer in Hochform. Wenn er von der Arbeit kam, waren alle gespannt auf seine Geschichten, die meistens erfunden und sehr weit von der Realität waren, doch dass interessierte hier niemanden, alle wollten nach getaner Arbeit unterhalten werden.

„Lass mich noch einen Augenblick in ruhe, ich muss nachdenken“ rief sie zurück.
Siggi wurde neugierig, denn das kannte er nicht von seine Schwester, der E2530.
Normalerweise, war gerade seine Schwester, die, die ihn aufforderte seine Geschichten zu erzählen.
Siggi befürchtet, dass sie krank ist, ja sie war nicht ganz in Ordnung, so von der Fahrtüchtigkeit her, aber sonst müsste sie doch gesund und neugierig sein, wie alle Frauen hier im Lok-Pool.

Lautstark, aber doch in einem brüderlichen Ton wollte er wissen, was hier heute passiert ist und was sie bedrückt.

„Komm ein bisschen näher, ich will nicht, dass alle mithören“ flüsterte E2530 ihrem Bruder zu. Ein leises Summen der Elektromotoren ertönte und Siggi rollte ein Stück vor.
E2530 erzählte vom Unfall hinter der Biegung, von Uwe, der seinen Vater suchte und der geheimnisvollen Klappe im Basaltwerk.
Siggi konnte sein Lachen nicht verbergen und lies es seiner Schwester unvermittelt wissen, dass er dieses als eine erfundene Geschichte ansah.

Die aufgeregte Unterhaltung der abgestellten Loks untereinander liessen das Lachen von Siggi verstummen. Er hörte Wortfetzen von einem Unfall, von Polizei und einem geheimen Versteck im Basaltwerk. Also genau dass,was ihm seine Schwester gerade erzählte.

„Komm erzähl mir mehr“, wollte er auf einmal wissen.
„ich hab dir alles erzählt“ antwortet seine Schwester.
„Was ist mit Uwe, was hat er gemacht“ fragte er.
E2530 konnte die Frage natürlich nicht beantworten, Uwe war gegangen und sie hatte nicht mehr von im gehört. Es war ja auch nicht verwunderlich, den es waren ja geracde einmal 2 Stunden her.
Sie bat ihrem Bruder doch etwas geduldig zu sein, Uwe würde schon kommen und ihr alles erzählen.

Die Sonne war noch gar nicht richtig aufgegangen, da waren schon 3 Techniker im Führerhaus der E2530 und schraubten alles auseinander. Nach einer Stunde verließen sie die Lok und ein nach Knoblauch stinkender dicker Lokführer machte es sich auf dem Lokführersessel bequem.

Nach kurzer Zeit, E2530 konnte kaum Luft holen, da war sie schon auf Gleis 25a in Richtung Güterbahnhof unterwegs.

Halt halt, dachte sie noch, Uwe wird heute kommen und was wird er machen, wenn ich nicht da bin. Sie versuchte, ihren Motor zu beeinflussen und eine erneute Krankheit vorzutäuschen. Es klappt nicht. Sie war kerngesund und voll einsatzfähig.
Den ganzen Tag schleppte sie Güterwaggons von einem Gleis zum anderen, sie war noch nicht einmal bis außerhalb der Verschiebeanlage hinausgekommen, sie hatte auch nicht realisiert, warum sie die Waggons verschoben hatte, was ihr sonst so wichtig war, war ihr heute total unwichtig, bzw., sie hatte gar nicht darüber nach gedacht. Ihre Gedanken waren nur bei Uwe und seinem Schicksal.

So ging es jeden Tag, morgens kam der stinkende Lokführer und Abends verschwand die Hoffnung, dass Uwe auf Sie wartete. Die tägliche Spannung war unerträglich, sie musste oft weinen und dieses vor ihrem Bruder verstecken.
Er bekam alles natürlich mit, denn er liebte sein Schwester und hatte immer ein Auge auf sie. Er wusste aber auch, dass er nicht helfen konnte, er konnte sich nicht wie ein Mensch frei bewegen, er war auf seine Gleise angewiesen.

Dennoch fand er ab und zu tröstende Worte für sie.

Von der immer vorlauten Lok E7777 erfuhren sie, dass das Basaltwerk gesprengt werden sollte, da es immer als Schlupfloch für kriminellem Handlungen genutzt wurde.
E2530 konnte diese Nachricht nicht wirklich aufheitern, im Gegenteil, alles indirekt mit Uwe zu tun hatte, machte sie eher traurig.
Tag für Tag musste sie zur Arbeit, mit dem immer nach Knoblauch stinkenden Lokführer, und schwere Waggons schleppen. Ihre Gedanken waren nicht bei der Sache und so passierte es, dass ihre Bremsen nicht funktionierten und sie mit voller Geschwindigkeit auf einen vor ihr stehenden Waggon prallte.
Alles war kaputt, keine eigener Antrieb kam aus ihr heraus. Vielleicht auch so gewollt, aber niemand merkte es.

Von einer Bergungslok wurde sie zum Lokpool geschleppt und dort auf ihrem bekannten Gleis abgestellt.

„Nun kommt Uwe“ dachte sie.
Aber Uwe kam nicht. Nicht heute und auch nicht in denn folgenden Tagen. E2530 war
unendlich traurig, dass hätte sie nie von Uwe erwartet.
Zwei weitere Tage vergingen und jeden Tag waren Techniker damit beschäftigt die Lok fahrtüchtig zu machen aber es gelang ihnen nicht, sie konnten nicht ihren Herzschmerz reparieren.

Die Techniker entschieden, dass sie nächste Woche zum Verschrottungsplatz geschoben werden sollte. Sie war nicht mehr zu reparieren,

Es soll so sein, es ist besser so dachte sie und ergab sich ihrem Schicksal.

Am Mittag des nächsten Tag sollte die Bergungslok kommen und sie zur Verschrottung ziehen. Sie konnte es nicht glauben und versuchte mit aller gewallt die letzten Reserven ihrer Batterie zu mobilisieren um doch noch ein Lebenszeichen von sich zu geben. In diesem Augenblick hörte sie ein Klopfen.

Es klopfte an ihre Fahrertür, eine jugendliche Stimme war zu hören. „Uwe“ war ihr einziger Gedanke. „Uwe“, versuchte sie zu schreien. Aber das brauchte sie nicht mehr. Uwe stand bereits im Führerhaus und schwang sich auf den Lokführersessel.

Uwe war aber nicht alleine, stolz rief er „dies ist mein Vater, mein Vater, endlich habe ich meinen Vater gefunden.

E2530 wusste nicht, was sie sagen sollte, doch vor Schreck fingen ihre Motoren an zu surren, als wären sie immer schon an volle Leistung gewohnt.

Uwe kam jeden Abend zum Lokpool. um mit E2530 die neuesten Geschichten auszutauschen.
Uwe erzählte von seinem Vater und E2530 von ihren täglichen Abenteuern auf großer Fahrt, denn sie war wieder kerngesund und stark und war von nun an immer im Einsatz.



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Kommentare


Von Andrea
Am 23.11.2018 um 09:59 Uhr

Eine schöne Kinder Geschichte. Passt irgendwie jetzt zur Vor- Weihnachtszeit

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Es gibt 1 Kommentar


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