Ich saß gelangweilt an der Bar und fragte mich, welcher Teufel mich geritten hat, mit meiner Bekannten ausgerechnet hier zu landen. Zwei Mädchen unterhielten sich neben mir ziemlich ungeniert über das Intimleben irgendwelcher Bekannten.
„Die geht doch mit jedem in die Kiste! Ich find’ die Idee bei den Amis gut – kein Sex vor der Ehe. Dieses Rumgemache wird sowieso überbewertet.“
„Ja, genau. Meine Mutter sagt auch immer, ich soll ihr bloß kein Kind anschleppen. Und der Papst meint auch, dass das die beste Verhütung ist.“
Der Theker grinst breit, während er die Gläser poliert.
Ich kann mal wieder mein Schandmaul nicht halten: „Wenn Mutter Natur oder der der liebe Herrgott oder wer immer die Menschen konstruiert hat, der Meinung gewesen wäre, dass Sex ausschließlich zur ehelichen Fortpflanzung dienen soll, dann würden wir den Orgasmus bei der Entbindung kriegen und nicht bei der Sache selbst.“
Der Theker verschüttet vor Lachen etwas Bier. Die Mädels starren mich entsetzt an.
„Du kommst auch mal in die Hölle!“ schmettert mir die eine noch entgegen, bevor beide empört davon rauschen.
Schon wieder gelangweilt starre ich in meinen Rotwein und sinniere vor mich hin. Ich komme also in die Hölle. Was entgeht mir da so? Ein Spaziergang auf Wolken. Fühlt sich bestimmt kuschelweich an den Füßen an, aber so hoch oben ist es vermutlich ziemlich kalt. Und dass, wenn man nur ein weißes Nachthemd als Bekleidung hat. Kriegt man im Himmel auch eine Erkältung? Und außerdem steht mir weiß sowieso nicht.
Was treibt man im Himmel eigentlich den ganzen Tag? Vielleicht könnte mir die himmlische Jobvermittlung eine Beschäftigung als Schutzengel zuweisen? Aber bitte nicht für Betrunkene, Suchtförderung ist nicht mein Ding. Ich würde gern auf kleine Katzen aufpassen, die sind so herrlich neugierig.
Mit dem Musizieren wäre es schon schwierig. Ich bin da nicht sonderlich begabt. Aber ein paar hundert Jahre sollten ausreichen, um selbst mir das Harfespielen beizubringen. Und dann lass ich mich von einigen irdischen Musikern inspirieren und spiele Metal auf einer Harfe. Zeit genug hätte ich ja zum Ausprobieren.
Aber so richtig abwechslungsreich finde ich das nicht. Wäre die Hölle eine coole Alternative?
Soll `ne ziemlich ungemütliche Gegend sein. Reichlich überheizt, hab ich gehört. Aber ich schätze, nach ein paar hundert Jahren setzt der Gewöhnungseffekt ein. Aber mir fallen da auf Anhieb ein paar Fragen ein, auf die ich hier keine Antwort kriege.
Mich würde zum Beispiel brennend interessieren, wie das mit dem Fegefeuer funktioniert. Wenn da so über einige Jahrhunderte immer wieder neue Delinquenten dazukommen, wird so ein kleines Lagerfeuer nicht reichen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Unterwelt fossile Brennstoffe nutzt. Es würde ja der Menschheit auffallen, wenn Kohle und Öl so rapide abnehmen. Mal davon abgesehen, dass unsere Erde ja dann löchrig wie ein Schweizer Käse werden müsste. Wie also halten die da unten das Feuer am flackern? Oder ist die Bezeichnung „Feuer“ irreführend und die Hölle nutzt Lava für eine Fegeglut? Fragen über Fragen.
Vielleicht kann man da unten auch ein bisschen rumlaufen. Da könnte ich mal nachsehen, ob es eine VIP-Lounge gibt. So für Priester, die Kinder missbrauchen. Oder für christliche Politiker, die ihre Wähler belügen. Die wird man ja kaum unter das gemeine Fußvolk kleiner Sünder sperren. Von Inquisitoren und sonstigen Gotteskriegern ganz zu schweigen.
Interessant wäre es auch, rauszukriegen, ob die vorchristliche Unterwelt mit integriert wurde oder ob für die Hölle einfach ein neues Dienstgebäude aufgemacht wurde. Wenn der Laden einfach zusammengelegt worden ist, müsste Sokrates als Selbstmörder im christlichen Sinn doch auch in der Hölle schmoren. Vielleicht könnte ich mit dem mal das eine oder andere Stündchen quatschen – über Gott und die Welt und etwas neuere Philosophie zum Beispiel. Da könnte ich es glatt eine Ewigkeit aushalten. Bestimmt finden sich da auch noch eine ganze Menge andere interessante Denker.
Falls man dann noch ein paar Dichter findet und den einen oder anderen unter mysteriösen Umständen verstorbenen Künstler respektive Künstlerinnen, könnte man ja auch eine Theatergruppe gründen. Dantes „Göttliche Komödie“ in höllischer Aufführung unter Regie von Belzebub wäre garantiert ein Renner.
Allerdings habe ich auch große Chancen, dort jede Menge Leute wieder zu treffen, die ich bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag nicht mehr sehen wollte. Alles Gute ist eben nie beieinander. Ich lass mich überraschen.