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Pets - Kapitel 1: Der Menschenrechtler - von MangaEngel, 24.12.2007
„Du hast was!?“
Unüberhörbar schrie Steve über den Campus und bekam damit die voll Aufmerksamkeit aller Studenten, die da gerade in der Nähe waren. „Shh, muss doch nicht jeder wissen!“ ermahnte ihn Luis eindeutig peinlich berührt, ehe er allerdings wieder so angeberisch grinste wie vorher. „Naja, mir ist klar, dass es ein Schock für euch ist, aber so ist nunmal die Welt.“ Steve, Frank und Markus sahen ihn mit einem Blick aus Erfurcht und Neid an, mir dagegen ging es so ziemlich am Allerwertesten vorbei. „Aber...Wie konntest du...Ich mein...“ brachte Frank raus und das er wegen sowas stotterte, kam mir doch recht lächerlich vor. „Naja, mein Onkel hat mir zur Volljährigkeit ein wenig Extrataschengeld gegeben und da ich schon ne Weile dafür sparte... Tja, so kam alles zusammen.“ „Wahnsinn...“ sagten die drei Idioten im Chor und Luis genoß diese Aufmerksamkeit eindeutig. Ich dagegen dürfte ausgesehen haben, als wenn ich saure Milch getrunken hätte. Das fiel auch Luis auf, der sich mir zuwendete, meinen Blick allerdings falsch interpretierte. „Ach herrje, so sauer? Komm, du kriegst bestimmt auch irgendwann ein Pet ab. Vielleicht erfinden sie ja irgendwann den Goldfisch für Langweiler.“ Er lachte daraufhin laut los und kurz darauf auch die anderen Drei. Und ich wurde das Gefühl nicht los, mindestens doppelt so alt zu sein wie diese Hirnis. „Naja, ich wette, in fünf Jahren haben sie etwas noch selteneres wie zum Beispiel einen weißen Tiger, was machst du denn dann? Dann ist dein Schneewolf nämlich nur noch die Hälfte wert.“ sagte ich gelassen und sofort verstummten alle, sahen mich an, als hätte ich gerade alle Todsünden beim Namen genannt. „Du bist doch nur neidisch!“ meinte Markus, der offensichtlich Angst hatte, seine hübschen Illusionen zu verlieren oder sowas.
„Neidisch? Ich? Auf käufliche Prostituierte in der Dose, die hypersüße Ohren haben? Sorry, aber da kann ich auch ne Gummipuppe kaufen, die ist billiger und leichter zu halten. Ich werde sicher nicht unterstützen, dass Menschen durch schmerzhafte Vorgänge in etwas minderwertiges verwandelt werden, wo sogar ein normales Tier drüber steht. Ich habe lieber Abwechslung, indem ich mir eine richtige Freundin suche, die mich mal überrascht und so nie langweilig werden kann. Aber ein Pet? Ich? Pff...“
Alle Vier starrten mich jetzt noch sprachloser an, allerdings schienen sie eher zu überlegen, was sie kontern sollten. Doch ich war mir sicher, dass sie im Grunde zustimmten. Ich hatte bisher alle überzeugen können, dass Pets etwas abscheuliches waren. Viele hatten ihre Pets deshalb zurückgegeben, ich hatte sogar schon an Demonstrationen teilgenommen. Dennoch waren die Petbefürworter entgegen aller Vermutungen vor acht Jahren zu einer überwältigenden Mehrheit geworden. Und das absurdeste war, dass sie von Tier- wie auch Menschenschützern unterstützt wurden. Aber ich würde alles daran setzen, dagegen anzukämpfen. Ich habe in vielen alten Büchern meines Großvaters gelesen, dass jahrzehntelang Menschenexperimente absolut verboten waren, heute war es allerdings wohl das Normalste überhaupt geworden.
„Bitte WAS?!“
Ich konnte es nicht fassen. Mehr als einmal hatte ich meine Verwandten eindringlichst darauf hingewiesen, dass ich absolut gegen Pets bin und was für eine Schnapsidee hatte mein Onkel, was er mir zur Volljährigkeit schenken könnte?!
„Sie können ihn innerhalb von 14 Tagen gegen ein neues Pet umtauschen lassen, wenn er nicht ihren Wünschen entspricht. Sollten diese 14 Tage abgelaufen sein, können Sie ihn auch an der nächstgelegenen 'Pet GmbH'-Stelle abgeben, dort wird allerdings weder der Preis erstattet, noch erhalten Sie ein Neues.“ brabbelte mir der Lieferant vor, während er eines dieser Petdinger an einer Leine neben sich hielt. „Ich will das Ding aber nicht, nehmen Sie es jetzt mit!“ schrie ich ausser mir, der Lieferant sah auch kurz verwirrt aus, ehe er wieder sein Geschäftslächeln aufsetzte. „Tut mir leid, dass ist nicht möglich. Ich muss noch weitere Aufträge ausführen. Bei Missfallen bringen Sie ihn bitte zu unserem Shop, die Adresse ist beigelegt.“ Ich starrte ihn kurz entgeistert an, ehe mir auffiel, dass das Pet eine kleine Tasche umhatte, wo wohl jene Formulare drin waren. „Nun, ich wünsche viel Vergnügen und denken Sie nochmal drüber nach, ob Sie ihn nicht doch behalten möchten.“ sagte der Lieferant noch gut gelaunt und ehe ich antworten konnte, war er auch schon durch die Tür raus.
Vollkommen überrumpelt sah ich ihm hinterher, ehe ich das Pet neben mir ansah. Es war anscheinend eine Katze, wenn man nach den Ohren und dem Schwanz ging, der Gesichtsausdruck des Pets war neutral, wenn ich das erraten müsste. Ich seufzte, ich bezweifelte, dass ich selbst bei sofortigem Losfahren noch irgendein Geschäft offen erwischen würde. Somit müsste dieses Wesen wohl zumindest eine Nacht hierbleiben. „Bin ich ein Geschenk oder haben Sie eine andere Tierart bestellt?“ fragte der Kater seelenruhig und ich sagte nur deprimiert „Ersteres“. Als die Ohren des Katers kurz zuckten, zuckte ich kurz zusammen, ich hatte für einen Moment vergessen, dass es keine Attrappen waren. Doch ich müsste ihn zumindest für diese Nacht behalten. Was hatte sich mein Onkel bloß dabei gedacht, erwartete er, dass ich es mir anders überlege, wenn er mir ein Pet aufdrängt? Trottel...
„Wo kann ich für heute schlafen? Ich denke wegen ihrer Reaktion von gerade, dass Sie mich vermutlich nicht behalten werden und ich hoffe doch, dass ich nicht einfach auf die Straße gesetzt werde.“ hatte das Pet wieder vollkommen ruhig gesagt, als wenn er das Ganze schon mehrmals miterlebt hätte. Ich zuckte kurz die Schultern, meine Wohnung war recht klein und ich hatte auch nicht sowas wie ein Gästebett. „Kannst auf dem Sofa schlafen.“ meinte ich dann nur, wartete kurz, ob das Wesen widersprach, ehe ich dann in die Küche ging und mir erstmal einen starken Kaffee machte. Solche Schocks waren wirklich nicht witzig, zumal ich momentan wegen den Klausuren sowieso schon völlig ausgelastet war. „Wenn du frische Bohnen nimmst, schmeckt der Kaffee besser als wenn du dieses Instantzeug nimmst.“ hörte ich plötzlich neben mir und sprang fast vor Schreck. Der Kater stand knapp hinter mir und hatte mir anscheinend über die Schulter geschaut. Das ich mich erschreckt hatte, schien ihn nicht zu stören, er sah mich mit unverändertem Gesichtsausdruck an, als warte er darauf, dass ich was dazu sagte. „Kaffebohnen sind aber teuer und ich habe als Student im Moment noch nicht sehr viel Geld.“ meinte ich nur und fragte mich, wieso ich überhaupt mit ihm redete. „Darf ich was fragen?“ hörte ich ihn hinter mir, während ich meine Tasse in die Mikrowelle stellte. „Ja, von mir aus.“ meinte ich bloß, stellte noch schnell die Zeit ein, ehe ich mich mit verschränkten Armen umdrehte und gegen die Theke lehnte. „Bist du einer von denen, der Pets als minderwertig, als Tier oder als Mensch ansieht?“
Ich konnte nicht anders, als überrascht zu schauen. Wieder kam mir in den Sinn, dass er offenbar öfters den Besitzer gewechselt hatte und ich bekam spontan ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn auch weggab. Als ich mich dabei jedoch ertappte, schlug ich mir einmal gegen den Kopf, um den Gedanken wieder loszuwerden. Der Kater legte bei meinem seltsamen Verhalten den Kopf schief und das erinnerte mich an die Fotos, die meine Mutter mir mal lachend gezeigt hatte. Sie hatte als kleines Kind eine normale Katze gehabt und auf jedem Foto hatte diese den Kopf so angewinkelt und sah mit großen Augen aus dem Foto heraus. Irgendwie verband ich dieses Bild mit jenem Kater, schlug mir aber direkt wieder gegen die Schläfe. Ich wollte und würde ihn nicht als Tier ansehen, er war ein misshandelter Mensch, den man in dieses Leben hineinzwang und ihn dann auch noch als Lustknabe oder sonst was arbeiten ließ.
„Hast du Migräne oder sowas?“ fragte mich der Kater, mehr als offensichtlich irritiert durch mein Verhalten, ich schüttelte nur den Kopf. Ich musste ihn fern halten, dass er in mir solche Gedanken weckte, war gefährlich, denn ich verabscheute jene Möchtegernforscher, die ihre Genexperimente an Menschen ausprobierten. Und wenn ich aus irgendeinem Grund dieses Pet akzeptieren würde, dann würde ich alle akzeptieren. Plötzlich bemerkte ich einen unangenehmen Geruch, ich drehte mich rum und sah verwirrt, dass mein Kaffee pechschwarz aus der Tasse rausblubberte. „Was zum...?!“ bekam ich nur heraus, ehe ich die Tür öffnete und mit einem nassen Lappen die Tasse rettete. „Du hattest die Mikrowelle au 700V, da darfst du eine Tasse mit Flüssigkeiten doch nicht vier Minuten reinstellen, wenn, dann zwei Minuten.“ sagte der Kater seelenruhig, nahm sich eines der Spültücher und begann, die Mikrowelle zu säubern, während ich dasselbe mit der Tasse tat, allerdings putterrot vor Scham, dass er das bemerkt hatte. „Um wieviel Uhr öffnet morgen das Geschäft, zu dem ich dich bringen soll?“ versuchte ich abzulenken und der Kater sagte einfach nur acht Uhr, immer noch ohne eine Regung im Gesicht. »Wenn man immer weggegeben wird, gewöhnt man sich anscheinend daran...« ging es mir durch den Kopf, ich wollte mir wieder gegen die Schläfe hauen, doch da stieß ich aus Versehen die Tasse um und heißer Kaffee lief mir über die Hand. Ich schrie sofort vor Schmerz und Schreck auf, doch ehe ich handeln konnte, hatte der Kater meine Hand plötzlich unter dem kalten Strahl des Wasserhahns. Verdutzt sah ich zu dem Pet hoch, welches mich mit erstaunlicher Kraft gegen die Spüle drückte und meine Hand fest unter dem Wasserstrahl fixierte. „Tut es sehr weh?“ fragte er sachlich und ich senkte sofort den Blick. „Nein, es geht...“
Ich fühlte mich mies und alles war die Schuld dieses Dinges. Er verwirrte mich, vermutlich hatte mein Onkel das von Anfang an geplant, doch es war unfair. „Deine Hand ist noch immer rot. Halt die Hand noch etwas länger unter dem Wasser, ich mach das sauber.“ sagte er und ich stand einfach nur verwirrt da. Er wusste, dass ich ihn weggeben würde. Ihm war sicher auch klar, dass dieses Verhalten von ihm nichts an meiner Meinung ändern würde, aber dennoch war er fast schon fürsorglich. Erst jetzt fiel mir auf, dass er scheinbar in meinem Alter war, er war vermutlich ein Stückchen größer als ich, aber sein Gesicht war noch zu jung, um 20 Jahre alt zu sein. Allerdings wäre es auch möglich, dass diese Mutationen das Altern verlangsamen oder sowas, daher konnte ich mir nicht zu sicher sein. „Du hast meine Frage immer noch nicht beantwortet.“, meinte der Kater nach einer Weile, während er mit einer Nagelbürste versuchte, die bereits erhärteten Kaffeereste zu entfernen. Ich brauchte kurz etwas, ehe mir einfiel, welche Frage er gemeint hatte. „Ich...Ich halte Pets für Menschen.“ sagte ich leise und der Kater sah mich kurz an, ehe er wieder zur Microwelle sah mit einem „Aha.“. Irgendwie war mir die Atmosphäre sehr unangenehm. „Naja, es ist einfach abscheulich, Menschen sowas anzutun, sie so drastisch zu verändern, nur, damit irgendwelche Leute mit mehr Geld sich legale Haushaltshilfen oder Prostituierte kaufen können!“ fuhr ich fort, immer noch war die Miene des Pets unbeweget, doch seine Ohren zuckten manchmal. Ich sah es spontan als Zeichen dafür, dass er mir dennoch durchaus zuhörte. „Nicht nur Menschenhandel, auch Menschenexperimente und legalisierte Misshandlung. Ich verabscheue es, dass dies alles von der Regierung, überhaupt von so vielen geduldet wird. Es ist vor allem eine Schande, dass auch Tier- und Menschenschützer das Ganze unterstützen!“ sprach ich weiter, merkte aber, wie ich mich reinsteigerte, lauter wurde und mich aufregte.
„Wäre es denn besser, die Armen verhungern zu lassen?“ Ich erstarrte sofort. Der Kater sah weiterhin in die Mikrowelle, schien den Satz nur willkürlich gesagt zu haben, doch eben jener Satz war wie ein Schlag in die Magengegend. „Nein, aber das könnte man doch auch anders lösen!“ „Und wie?“ fragte er, sein Blick immer noch in die dunkle Metalldose gerichtet. Ich überlegte zwanghaft nach einer guten Antwort, dass es dieses Pet nichtmal störte, ein Mutant zu sein, regte mich auf, ich wollte auch ihm beweisen, dass Pets falsch waren, auch, wenn er selbst eines ist. „Na, man kann doch Spenden sammeln!“ „So viel Geld kann man nicht sammeln.“ gab er ruhig zurück und ich sah ihn wieder kurz fassungslos an. „Dann gibt man ihnen halt Arbeit!“ „Noch mehr Schwarzarbeiter, Zwangsarbeiter und Menschen, die für 2 Penny Arbeit für fünf machen.“ Ich sah ihn ungläubig an, er sagte alles mit der wohl gelassensten Miene, doch jedes Wort war wie ein Schlag mit purer Realität, die ich bisher nicht wirklich miteinbezogen hatte. „Aber als Pet bekommen sie auch kein Geld!“ „Dafür ein Dach über den Kopf, Nahrung, medizinische Versorgung und Trinkwasser.“ Ich starrte ihn an, als würde der Kater vollkommenen Blödsinn reden, obwohl mir klar war, dass er sich nichts aus den Fingern saugte. „Kein Pet ist in den ganzen acht Jahren, die es Pets gibt, verhungert, verdurstet, an einer heilbaren Krankheit verstorben oder wegen dem Wetter umgekommen. Selbst Pets, die schlechte Herrchen hatten, konnten vor dem Tod gerettet werden, da man sie früh genug fand und zu einem neuen Besitzer brachte. Wenn du ältere Zeitungen oder Bücher gelesen hast, dann dürftest du wissen, dass es mit den armen Menschen vorher eher das Gegenteil war, da starben pro Sekunde drei Menschen wegen fehlendem Trinkwasser, acht Menschen, darunter zwei Kinder, an vermeidbaren Krankheiten wie Aids, zehn Menschen verhungerten einfach und allein in Europa starben pro Land und Nacht im Winter mindestens acht Obdachlose daran, dass sie auf einer Bank erfroren sind. Ein Pet darf nicht getötet werden, sie stehen unter sämtlichen Gesetzen, die für Menschen gelten und sind dazu noch viel besser versorgt als zuvor als Mensch.“
Langsam begann es mich wahnsinnig zu machen, wie sich seine Mimik überhaupt nicht regte, während er mich zuargumentierte. Doch ich konnte nichts erwiedern, zu der Zeit, als es anscheinend so extrem gewesen war, war ich vielleicht gerade mal 5 Jahre alt gewesen. Offenbar hatte ich nur die Zeit mitbekommen, indem die Spenden auch was brachten, weil weniger Arme da waren. Wo man ihnen problemlos Arbeit geben konnte, weil sie durch die Spenden eine bessere Versorgung und Bildung hatten und so auch einem Leben als Pets entkamen. Doch mein Starrsinn verhinderte, dass ich klein beigab.
„Trotzdem, muss man dennoch zu so drastischen Maßnahmen wie einer Mutation gehen?! Muss man den Menschen des einzigem berauben lassen, was ihm ganz persönlich gehört, seiner Erinnerung?!“ Der Kater wendete sich von der Mikrowelle ab und sah zu mir, musterte mich als hätte ich ihn beleidigt, allerdings immer noch mit unbewegter Miene. „Was denkst du, wer ich vorher war? Glaubst du, mir hat ein Leben gefallen, in dem man so erbärmlich lebte, dass Kinder verkauft werden mussten wie Waren? Gehst du davon aus, dass es die Schmerzen, die man wegen dem Koma nichtmal mitbekommt, vergleichbar sind mit Jahren des Leides? Ist es so schrecklich, dass man Kinder lieber verhungern lässt, anstatt sie nach der Mutation und der Löschung des Gedächtnisses erst mit viel Nahrung und Präparaten aufzupäppeln? Ich bin schon ein Pet, seit ich drei Jahre alt war. Und allein ein Jahr war ich nur in einem großem, weichen Käfig, wo sie mich erst kräftigen mussten, ehe überhaupt die Ausbildung begann. Das ich oft den Besitzer gewechselt hatte, hatte nebensächliche Gründe, auch, dass nicht alle gut zu mir waren. Aber ich denke, wenn ich allein wegen meiner Vergangenheit als Mensch ein Jahr in einem Käfig sitzen musste, weil ich unterernährt war, dann bin ich dankbar, ein Pet geworden zu sein.“
Während der Kater sprach, bemerkte ich zum ersten Mal eine Veränderung in seinem Gesicht. Seine Augenbrauen hatten sich etwas zusammengezogen und seine Augen glänzten etwas wässerig. Es schien, als wenn er sich zurückhalten musste, nicht zu weinen wegen einer Sache, an die er sich nicht mehr erinnerte. »Sie erfahren, was ihnen wohl zugestoßen ist, doch sie erinnern sich dabei an nichts« hatte es in einer Kampagne für Pets gehießen und ich überlegte, ob dieses Wesen wohl auch so ausdruckslos und standhaft geblieben wäre, wenn er wüsste, was in seinem ganzen Leben vorgefallen war. Meine Meinung über Pets geriet stark ins Schwanken, ich fand es nach wie vor unmenschlich, doch zeitgleich konnte ich nicht leugnen, dass alle Argumente des Katers standfest und ausdrucksstark waren.
„Was?“ fragte er leise und sah mich mit schief gelegtem Kopf an. Sein angestrengter Ausdruck war innerhalb weniger Sekunden wieder dem verwirrtem Blick gewichen. „Wieso weinst du plötzlich?“ fragte er vorsichtig und erst jetzt wurde mir klar, dass mir Tränen über die Wange liefen. Ich kam nicht dagegen an, mir Erwachsene vorzustellen, die Pets wurden und damit weitaus länger und vielleicht sogar mehr Leid in ihrem Leben durchgemacht hatten, als der Kater, der vor ihm stand. Doch das wagte ich nicht zu sagen. „Ich...ich weiß es nicht...“ sagte ich und merkte, dass ich einen Kloß im Hals hatte, der mich recht gequetscht klingen ließ. Der Kater sah mich eine Weile an, ehe er vorsichtig begann, mit seiner Hand die Tränen von meiner Wange wegzustreichen. „Wieso weinst du, wenn du nicht weißt warum?“ fragte er, offenbar noch irritierter, doch ich schüttelte nur leicht den Kopf. Ich versuchte, mich zu beruhigen, was auch recht schnell ging. Doch der Tag war wirklich zuviel für mich gewesen. Ich war mental erledigt, ging einfach an ihm vorbei und legte mich auf die Couch. Das ich einen Kaffee hatte haben wollen, hatte ich einfach verdrängt, ich musste mich erstmal sammeln. Meine Meinung für und gegen Pets war stark ins Schwanken geraten, zum einen dachte ich nach wie vor, dass es etwas schreckliches war, vor allem, da Menschen wie Luis Pets bekommen konnten, nur, um diese wegzugeben, wenn sie ihnen zu langweilig geworden sind. Allerdings gab es sicher auch viele, die sich gut um Pets kümmern und bei denen sich die Umwandlung wirklich voll gelohnt hatte.
„Schläfst du jetzt hier?“ hörte ich plötzlich eine Stimme genau neben mir. Ich öffnete die Augen und sah neben mich, der Kater hockte neben der Couch und sah mich mit großen braunen Augen an. Mir war erst jetzt klar geworden, dass er wirklich schöne, dunkelbraune Augen hatte, auch seine Haare und die ganzen Katzenanhängsel hatten diese Farbe. Ich seufzte kurz, ehe ich ein „Ich weiß nicht.“ rausbrachte und mich wieder wegdrehte, um die Decke anzustarren. „Wirst du mich morgen wirklich weggeben?“ hörte ich es wieder und es kam mir vor, als wenn es ein wenig wehmütig geklungen hätte. Doch ich drehte mich nicht zu ihm hin, sondern sah mir erst nur die Deckenlampe an. Sie war nur eine milchig weiße Schale, die über eine Glühbirne geschraubt war, aber dennoch sah ich sie recht lange an. „Ich weiß nicht.“ sagte ich wieder nach einer Weile und nun seufzte der Kater. Ich merkte, wie er seinen Kopf neben mich auf das Sofa legte und ich überlegte, ob das nicht unbequem wäre. Plötzlich hörte ich ein seltsames Geräusch, dass ich nur aus früher Kindheit kannte.
„Du duftest gut...“ sagte das Pet neben mir und schnurrte weiter leise vor sich hin. Ich starrte die Decke weiter an, doch das Geräusch hielt mich gefangen und weckte Erinnerungen. Erinnerungen von einem Tier, dass den Kopf schief legte, wenn es etwas nicht verstand, dass schnurrte, wenn ihm was gefiel und einen dennoch manchmal aus unerklärlichem Grund ewig lange anstarren konnte. Und ich merkte ein Lächeln auf den Lippen. „Naja, morgen habe ich eh keine Zeit, irgendwo hin zu fahren, muss lernen. Vielleicht bring ich dich ein anderes Mal zurück, übermorgen oder so.“ murmelte ich vor mich hin. Der Kater hebte den Kopf und sah mich vermutlich eine Weile an, ehe ich plötzlich merkte, wie er seinen Kopf in das Stück zwischen meinem Kopf und meiner Schulter drückte und so schnurrend liegen blieb.
„Kauf normale Kaffebohnen. Ich versprech dir, sie schmecken wirklich besser.“ sagte der Kater leise schnurrend, ich lachte kurz über diesen zusammenhanglosen Satz und überlegte, wie ich ihn wohl am Besten nach seinem Namen fragen sollte.



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Kommentare


Von sunshishi
Am 03.01.2009 um 18:34 Uhr

Toll,

du hast mich mit deinem Protagonisten ins Wanken gebracht. Ist es wirklich so toll, ein Pet zu haben bzw. eines "herzustellen"? Laut dem Kater ist es wohl doch nicht so schlecht...
Sehr schöner Schreibstil und spannende Handlung. Mal sehen, wie es weitergeht^^

Greez
SuShi





I laugh in the face of danger - then I hide till it goes away.


Von Jason-Potter
Am 28.12.2007 um 21:10 Uhr

Super Schreibstil (Ich erzähler ist nicht leicht), einfallsreiche Story, sehr tiefgründig und eigentlich gar nicht so fern der Realität, wenn man die Entwicklung in der Gentechnologie beobachtet und weiß, wie konfus der Mensch in seinem Denken ist.

Ein guten Rutsch ins neue Jahr wünsche ich.

PS: Meine Stimme hast du, Ich bin gespannt wie es weitergeht


Von Engelchen
Am 28.12.2007 um 10:24 Uhr

Sehr zu Herzen gehend ... was anderes fällt mir nicht ein.

Sehr gut wird das Argument 'Spenden' eingebracht, welches so gerne in den Medien benutzt.
Langsam wird im Kapitel ein Umdenken aufgebaut, allerdings hier aus andren Gründen an dem Pet.

Irgendwie hat man den Eindruck, dass das Pet doch ganz zufrieden mit seiner Situation ist, aber diesem im Innern etwas zu fehlen scheint.


" Liebe wohnt im Herzen, nicht im Mund. Sie bedarf der lauten Worte nicht, doch der Kraft der Stille. "

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