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"Wenn's dich nicht umbringt, dann macht's dich stark" - von Aabatyron, 11.04.2008
Autor: Aabatyron

Auszug Seite 97 bis 117 aus:

„Wenn's dich nicht umbringt, dann macht's dich stark“


Früher, das war während der Kriegszeiten. Da gab’s nichts mehr zu essen in der Familie. Hunger und Armut lagen dicht beieinander. Die Mutter erinnert sich an ein markantes Erlebnis, als ihre eigene Mutter verzweifelt noch nach etwas Essbarem gesucht hatte und dann doch feststand, dass es absolut nichts mehr gab.

Selbst mit 75 Jahren war es noch in ihrer Erinnerung wie gestern, als sie mit einer Schüssel zu ihrer Großmutter geschickt wurde um dort um ein paar Kartoffeln zu bitten. Die Großmutter hatte einen Vorrat dieser Kartoffeln in ihrem Keller, den sie zuvor auf einem eigenen Ackergrundstück geerntet hatte. Fünf Jahre war meine Mutter damals alt, als sie bittend vor der Tür ihrer Oma stand und sich erhoffte nur ein wenig Essen für die Familie zu bekommen. Ihr Wunsch wurde abgewiesen und sie kam mit leeren Händen und traurig gesenktem Kopf wieder zurück.

So eine Erfahrung prägte fürs ganze Leben. Das letzte Hemd würde sie hergeben, bevor sie so hartherzig sein würde, eine ihrer Enkel im Alter von fünf Jahren mit knurrendem Magen wieder nach hause zu schicken. Das ist auch der Grund dafür, dass sie heute fast jeden Wunsch erfüllt, wenn eine ihrer Enkelinnen vor der Tür steht und um etwas bittet.


Dann, Jahre später, immer noch die gleiche Situation – wieder gab es in der Familie nichts Essbares mehr.

Der Vater war damals in Gefangenschaft vermisst und die Mutter nach einer schweren Operation wieder daheim. Die Großmutter um Hilfe bitten, da wußte das Mädchen inzwischen, dass keine Hilfe zu erwarten war.

Aus Verzweiflung war sie dann auf das kleine Grundstück ihres Vaters gelaufen, vielleicht konnte man dort etwas von dem angepflanzten Kohl mit nach hause bringen. Aber der Kohl stand noch der Blüte, noch lange für eine Ernte ungeeignet.

Was sollte sie jetzt machen? Auf dem Nachhauseweg gab’s noch ein Grundstück einer guten Nachbarin auf dem viele Krautköpfe eine fürsorgliche Pflege und Düngung verrieten. Es dauerte lange, bis der innere Kampf des Hungers mit dem Gewissen, etwas unrechtmäßig zu nehmen, entschieden war. Einen der kleinsten Krautköpfe würde Gott vielleicht verzeihen.

Gerade als die Wurzel abgetrennt war, kam es wie es kommen mußte. Eine Dorfbewohnerin mahnte die Fünfzehnjährige, dass dies nicht der Acker ihrer Eltern sei und Diebstahl hart bestraft werden würde. Allerdings kannte sie die Armut der Familie und lies der Kleinen den Krautkopf mit dem Versprechen so etwas nie mehr zu tun.

Mit mehr als schlechtem Gewissen gings dann nach hause. Mit dem Krautkopf unter dem Arm am Nachbarhaus vorbei ließ das kleine Herz bis zum Zerbersten in schnellem Rhythmus schlagen. Schon war’s passiert - die Nachbarsfrau hatte die kleine Diebin entdeckt. Freilich wusste sie sofort, wo der unter dem Arm getragene Krautkopf herkam, schließlich war sie die einzigste im Dorf, die diese Sorte auf dem Feldacker anpflanzte und damit den Lebensunterhalt für ihre Familie verdiente.

Diese Frau war seelengut und verkaufte neben ihrem Gemüse auch noch Öl. Nie wird meine Mutter vergessen, als dann kurz nach ihrer Heimkehr die Nachbarin mit schwerem Schritt die lange Treppe zu der Wohnung heraufkam.

Diebstahl mit Hunger zu entschuldigen war kein Argument für diese Tat - so etwas tat man nicht, egal in welcher Situation. Dass sie ausgerechnet diese gute Frau geschädigt hatte tat ihr sehr leid.

Das Pochen an der Tür vermischte sich mit dem Pochen des eigenen Pulses, gleich für den dreisten Diebstahl bestraft zu werden. Die Mutter öffnet zaghaft die Tür, krampfhaft mit der Formulierung für eine Entschuldigung für das Treiben ihrer Tochter beschäftigt. Dabei konnte sie ihrer Tochter nicht einmal sonderlich böse sein – auch sie hatte mächtigen Hunger.

Die Nachbarin hatte eine Kanne mit Öl dabei. Anstatt der Standpauke übergab sie der Familie diese Kanne und empfahl der Mutter, das Kraut mit reichlich Öl zu kochen - das gab den Kindern die ausgezehrten Kräfte wieder zurück. Den dreisten Diebstahl erwähnte sie mit keinem Wort - sie wußte warum das junge fünfzehnjährige Mädchen den Diebstahl begangen hatte und auch, dass dies nie mehr vorkommen würde.

Bei solchen Erzählungen konnte man schon begreifen, dass den alten Leuten diese Zeiten der Nachbarschaftshilfe und Zusammengehörigkeit manchmal fehlten. Heutzutage besuchten manche Töchter und Söhne oder Enkel nicht einmal ihre Eltern oder Großeltern wenn sie krank waren oder im Sterben lagen. Die Not hatte damals alle irgendwie doch zusammengeschweißt. Eine Kindheit mit all dem unnötigen Luxus, das kannten die Alten gar nicht. Da mußte man schon früh Verantwortung übernehmen, Langeweile war ein Wort, das kannte niemand.

"Die schwere Operation, was war da gewesen?", will ich jetzt doch wissen. Die Schilddrüse sei der Grund gewesen. Diese Operation konnte nur im städtischen Klinikum durchgeführt werden. Es war mitten in der Kriegszeit und gar nicht so einfach, die Mutter jeden Tag in der Stadt zu besuchen.

Mit fünfzehn Jahren das älteste Kind in der Familie, mußte meine Mutter auf ihre beiden Brüder aufpassen und schon fast vollkommen die Stelle der Mutter vertreten.

Die Oma, die auch im Haus wohnte, nahm`s mit der Aufsicht nicht so genau.

Die Operation bei der Mutter war Gottseidank gut verlaufen und die Entlassung stand kurz bevor. Ausgerechnet am Entlassungstag war ein Angriff der Kriegsgegner auf Pforzheim geplant, obwohl zu diesem Zeitpunkt schon fast so gut wie feststand, dass die Deutschen den Krieg verloren hatten und dieser Angriff eigentlich völlig sinnlos war.

Man mußte sich einmal vorstellen, dass ein fünfzehnjähriges Mädchen ohne Geld sich zur Aufgabe gemacht hatte, ihre Mutter von dem Krankenhaus zu holen um ins Heimatdorf zurück in die Familie zu bringen während man jeden Moment mit einem weiteren Angriff der Bomber rechnen musste.

Einer der Unternehmer am Ort hatte als einzigster ein Auto. Wenn man Benzin besorgen würde, konnte er die Mutter vom Krankenhaus abholen. Benzin besorgen - aber wie ohne Geld. Irgendwo im Haus gab’s in einem alten Schrank noch ein paar Flaschen Schnaps als Tauschobjekt für Notzeiten. Tatsächlich gelang es der Fünfzehnjährigen, vom Tankstellenbesitzer gegen diese Ware ein paar Liter Benzin zu bekommen.

Als man gerade losfahren will, bricht die Hölle über Pforzheim aus. Die Bomber öffneten ihre Luken und ein flüssiges Feuer ergießt sich nach unten. Panisch rennt jetzt jeder in Deckung in der Angst, dass gleich auch ihr Dorf angegriffen wird.

Der Gedanke, die Mutter abzuholen, weicht der sofort der Sorge, die beiden jüngeren Brüder in Sicherheit zu bringen. Am Waldrand gibt’s Schützengräben - jeder rennt so schnell wie er kann dorthin.

Eine junge Frau liegt entkräftet am Wegrand. Vom Hunger gezeichnet hat sie nicht mehr die Kraft, mit dem Kind auf dem Arm, mit den anderen mitzuhalten. Einer schnappt sich das Kind ohne zu fragen, ein anderer hilft der jungen Frau auf, und schon geht’s weiter bis zu den sicher erscheinenden Gräben.

Entsetzt sehen alle den Angriff auf die Stadt. Viele haben ihre Arbeitsstellen in den dort ansässigen Firmen und kennen sich deshalb gut in der Stadt aus. Die Aufzählung, welche Firma gerade im Moment getroffen wurde, geht weiter und weiter.

Hoffentlich wird das Krankenhaus nicht getroffen. "Jetzt hat’s das städtische Klinikum erwischt" ruf einer der am weitesten vorn stehenden. Der Feuerschein in der Stadt wird immer grösser. Da wo vormals die vielen bunten Lichter wie in einem Märchen die Fantasie der Kinder anregte, fegt jetzt ein Höllenfeuer durch die Luft. Wie gelähmt steht die Fünfzehnjährige neben ihren jüngeren Brüdern - mein Gott, der Vater vermisst, und jetzt auch keine Mutter mehr - wie soll’s jetzt weitergehen.

Wie lange der Angriff noch dauert, kann keiner sagen. Als das dumpfe Krachen der explodierenden Bomben endlich verstummt, ist die Stadt taghell vom Feuerschein beleuchtet. Einige beherzte Dorfbewohner machen sich auf - vielleicht kann man in der Stadt den Menschen irgendwie helfen. Nein, Kinder können nicht mitgehen - das ist viel zu gefährlich. "Aber ich muß doch meine Mutter suchen!", wendet die Fünfzehnjährige ein. Die Nachbarin verspricht, nach ihr zu suchen.

Es ist lange nach Mitternacht - die "Rettungstruppe" ist noch immer nicht zurück. Doch, plötzlich entsteht Hektik - die ersten kommen mit den wenigen Überlebenden des Angriffs im Dorf an. Ausser ihrem Leben konnten die meisten nichts mehr aus der Flammenhölle retten. Aufgeregt rennt die Fünfzehnjährige zwischen den Reihen der ankommenden Personen herum und sucht nach ihrer eigenen Mutter. Viele sind verletzt und haben Verbrennungen erlitten.

Da ist eine Person, das Gesicht nicht erkennbar vom vielen Blut, das aus einer Wunde am Kopf läuft. Diese Person hat die Statur der Mutter - mein Gott, ja, das ist die Mutter. Sie kann ihre Tochter nicht erkennen weil ihr das Blut aus einer Wunde in die Augen gelaufen ist. Erst als die Kleine ihre Hand ergreift, und ihr mitteilt, dass auch die beiden Geschwister in Sicherheit sind, weis die Verletzte, dass jetzt das schlimmste überstanden ist.

Spät in der Nacht vernäht der Arzt die große Platzwunde am Kopf der Mutter. Das Blut war am Körper heruntergelaufen bis in die Schuhe. Dass diese Frau den langen Weg noch laufen konnte, ist fast schon ein Wunder.

Es war der letzte Angriff auf die Stadt. Ein paar Tage später steht fest, dass der Krieg vorbei ist.

Notdürftig werden die wenigen Firmen, die das Massaker teilweise überstanden haben, wieder von den Arbeitern aufgebaut.

Eine Tante, die mit ihrer Familie in der Stadt gewohnt hatte, ist mitsamt ihren beiden Töchtern in einem Luftschutzkeller umgekommen. Die Druckwelle einer detonierenden Bombe hatte ihnen die Lungen zerrissen.

Einige können schon wieder über den „Angriff“ sprechen. Das Krankenhaus hatte auch einen Luftschutzraum, in den sich alle zurückgezogen haben. Die Mutter erzählt ihrer Fünfzehnjährigen Tochter, was genau bei dem Angriff auf die Stadt geschehen ist.

Die Flugzeuge haben nicht nur Sprengbomben abgeworfen, sondern auch Bomben mit brennendem Phosphor. Sie weis noch genau, welche Ängste sie gehabt hatte, zusammen mit den vielen anderen in die unterirdischen Schutzräume des Krankenhauses zu gehen. Überall gab es die Leitungen der Zentralheizung und einer wußte zu sagen, dass man sich bei deren Beschädigung richtiggehend abkochen konnte. Die Angst davor war fast größer, als die Angst von einer der Bomben getroffen zu werden, die der Feind in den Nachbarhäusern platzierte.

Sie erzählte von dem schwirrenden Geräusch das man hören konnte wenn eines der Sprengkörper durch die Luft sauste um im nächsten Moment irgendwo einzuschlagen.

Nach einem besonders lauten Geräusch und der anschließenden Detonation ganz in der Nähe, sah sie plötzlich, wie an den Fenstern sich kleine glühende Schlangen bildeten und an der Wand herunter in den Raum liefen. Es war das brennende Phosphor einer Bombe, die ganz in der Nähe explodiert war. Durch das Fenster rieselten Steine und Schutt von den zerstörten Gebäuden ausserhalb des Schutzraumes. Sie zog sich unter einen umgestürzten Tisch zurück um nicht von den hereinprasselnden Steinen getroffen zu werden.

Eine ohrenbetäubende Detonation erschütterte das gesamte Gebäude. Etwas hatte sie am Kopf getroffen und sie spürte, dass die klebrige warme Flüssigkeit ihr eigenes Blut war. In der Tischplatte gähnte ein großes Loch, verursacht von einem Splitter der zerberstenden Bombe. Sie spürte den stechenden Schmerz an ihrem Kopf – aber sie mußte überleben. Was sollte aus ihren drei kleinen Kindern daheim werden – ohne Vater und ohne Mutter?

Endlich nach einer Ewigkeit dauernden Zeit war der Angriff anscheinend vorbei. Das prasselnde Geräusch draussen war das Geräusch des sich gierig durch alles hindurchfressenden Feuers. Das brennende Phosphor konnte man mit nichts löschen. Viele hatten sich vor den Feuer in ein nahe fließendes Gewässer geflüchtet – mache wurden sogar von den kühlenden Fluten noch ihres Lebend beraubt. Sie hatten keine Kraft mehr, sich gegen den reissenden Strom des Wassers zu stellen.

Die gesamte Stadt brannte lichterloh. Überall waren die Schmerzensschreie der Menschen zu hören, die irgendwo von den Trümmern eingeschlossen langsam von dem Feuer einer immer größer werdenden Hitze ausgesetzt wurden. Mütter suchten ihre Kinder, oder die Kinder schrien panisch nach der Mutter, die begraben unter den Trümmern lag. Die Ärzte, die überlebt hatten, versuchten die vielen Verletzten einigermaßen notdürftig zu versorgen. Es gab nicht mehr viel, was man zur Versorgung benutzen konnte. Manche der Ärzte waren selbst verletzt – trotzdem halfen sie mit, wo es nur ging. Jemand wußte, dass das Heimatdorf verschont geblieben war.


Spät in der Nacht traf plötzlich eine kleine Gruppe von Dörflern an dem Sammelplatz des Krankenhauses ein. Sie suchten nach ihren Angehörigen um sie mit nach hause zu nehmen. Auch die Mutter hörte ihren Namen rufen. Es war ihre langjährige Nachbarin, sie erkannte sie an der Stimme. Noch ein paar weitere „Birkenfelder“ konnten eingesammelt werden.

Ein Arzt mahnte die Nachbarin, dass der Dorfarzt die Wunde der Patientin gleich versorgen müsse – es konnte sonst Probleme geben. Mit einem Fahrzeug war man nur bis an die Stadtgrenze gekommen. Sämtliche Straßen waren von Trümmern übersät und nur mit viel Geschick begehbar. Die kleine Gruppe wurde immer größer, je weiter sie sich wieder zurück an den Stadtrand kämpfte. Viele hatten alles verloren und wußten nicht, wohin sie gegen sollten. Jeder, der noch eine intakte Wohnung hatte, war bereit, einige der Opfer aufzunehmen bis man wieder Ordnung schaffen konnte.

Der Krieg hatte allen viel Armut und Entbehrungen beschert – trotzdem überlegte keiner, das Wenige, das er noch besaß, mit den anderen zu teilen.

Der Wille zu überleben, und die Pflicht, für die Kinder zu sorgen, verleihen einer Mutter Kräfte, die mit keiner Physik zu erklären sind.

Meine Mutter stockt bei dem Punkt in ihrer Erzählung – nachdenklich geworden und sehr ernst, weiss sie, dass es doch eine höhere Macht gibt, die das Schicksal der Menschen lenkt. Wenn man bedenkt, dass sie selbst mit einem Herzfehler geboren wurde, eine Nottaufe erhalten hatte weil die Ärzte es sehr unwahrscheinlich hielten, dass sie überleben würde, und dann sich mit sechzehn Jahren dieser Herzfehler wie durch ein Wunder von selbst geheilt hatte – da wußte man einfach, dass es diese höhere Macht gab.

Damals in den Vierziger Jahren gab’s noch keine so moderne Medizin wie heute. Ein Loch in einer der Herzklappen wird heutzutage in einer wenig spektakulären Operation geschlossen. Damals war jemand, der so einen Fehler von Geburt aus hatte meist zum Tode verurteilt oder hatte erhebliche gesundheitliche Probleme. Schnelle Ermüdung, Ohnmacht, Kurzatmigkeit waren noch die harmlosesten Erscheinungen. Trotz dieser Beeinträchtigungen auch noch für die Familie sorgen zu müssen, war eine fast nicht leistbare Aufgabe.

Aber es ging nicht anders. Die Mutter mußte zur Arbeit um das notwendige Geld für die Familie zu erarbeiten. Der Vater war immer noch vermisst – er fiel als Ernährer aus. Die kleinen Geschwister konnten auch nicht viel helfen – da war man meist froh, wenn sie nicht allzuviel den Tag über anstellten.

In der großen Stadt hatten fleißige Arbeiter, meist Frauen und ältere Männer, die Fabriken wieder aufgebaut und die Unternehmer stellten wieder Facharbeiter und Hilfskräfte ein. Es gab ein Hilfsprogramm der Siegermächte.

In vier Zonen hatte man das Land eingeteilt. Amerikanisch, Englisch, Französisch und Russisch – am besten waren die Amerikaner – sie brachte sogar für die Kinder Schokolade mit. Es gab den Marshallplan – ein zinsloser Kredit für Unternehmer. Die Franzosen waren zwar sehr höflich, aber dort wurde hart gearbeitet – meist bei der Holzfällerei. Die englische und russische Zone lag zu weit weg um viel darüber zu wissen. Jeder bekam einen Pass, der auswies, zu welcher Zone er gehörte.

Neu waren auch die Essensmarken, die sicherstellten, dass die Kinder richtig versorgt waren. Das ganze war schon eine verrückte Sache – plötzlich gings den Leuten besser als zuvor, wo man alles für die Kriegsführung einfach konfiszierte und mit Gewalt wegnahm.

Die „Hamsterzeit“ hatte begonnen. Keiner hatte richtiges Geld mehr. Wichtig war, immer etwas zum Tauschen zu haben. Lebensmittel konnte man von den Landwirten gegen Schmuck oder Gebrauchsgegenstände bekommen. Schnaps war ein mehr als beliebtes Zahlungsmittel. Die größeren Kinder gingen weit über Land, um von den Bauern Lebensmittel für die Familie einzutauschen.

Meine Mutter erzählt richtig leidenschaftlich, wie sie mit einem Rucksack voll Waschmittel von Birkenfeld bis nach Hohenhasslach gelaufen war, um dort in der anderen Zone, Mehl, Eier oder Milch für die Familie zu bekommen.

Als einer der Großbauern den Inhalt ihres Rucksackes sieht, bricht er in helle Begeisterung aus. „Kind, woher hast du um alles in der Welt diese Waschmittel bekommen“, will er erstaunt wissen. Er verrät, dass in seinem Dorf schon jahrelang nur noch mit Asche gewaschen wird weil es keinerlei Waschmittelprodukte mehr gab.

In der Hoffnung ein wenig Mehl für ein Päckchen Waschmittel zu bekommen, überlässt die inzwischen fast Sechzehnjährige den Inhalt des Rucksacks der Familie des Großbauern. „Wieviel Mehl willst du denn für das Waschmittel haben?“, fragt dieser anschließend. Verständnislos blickt sie den Mann an – hat sie tatsächlich die Wahl.? „So viel ich tragen kann“, platzt es ihr mutig heraus. Der Bauer füllt den Rucksack bis zum platzen. Ausserdem gibt er noch einen Korb mit Eiern und einige Flaschen Milch. Das ganze erscheint dem Mädchen wie im Paradies – die Familie daheim wird vor Freude an die Decke springen.

Leider kann man mit dem Zug nicht nach hause fahren. Wie Trauben hängen die Leute aussen an den Waggons um sich befördern zu lassen. Mit so einem schweren Rucksack und den beiden Körben ist so eine Art Fahrt unmöglich.

Schon nach wenigen Kilometern schmerzen die Füße von den viel zu kleinen Schuhen und die Arme versagen fast ihren Dienst. Die Schuhe ausgezogen geht’s etwas besser. Der Asphalt scheint in der Mittagshitze zu glühen.

Wie sie die vielen Lebensmittel doch noch nach hause getragen hat, weis sie selbst heute nicht mehr so richtig zu sagen. Das Milchauto hat sie ein kleines Stück mitgenommen – der Rest wurde zu Fuß zurückgelegt. Die Familie daheim ist mehr als glücklich. Da kann man bestimmt noch öfters einen guten Tausch machen – bei diesen großzügigen Großbauern.

Beim nächstenmal nimmt sie ihre beiden Brüder und ihre Freundin gleich mit in diese kleine Ortschaft bei Hohenhasslach.

Die Freundin bekommt das erstemal als Tauschobjekt mehrere Pakete mit Butter – so etwas gab’s daheim seit Jahren nicht mehr. Natürlich will sie probieren, wie die Butter schmeckt. Wieder und wieder graben sich ihre Finger in den weisgelblichen Würfel – das schmeckt so gut, da konnte man dafür sterben. Das halbe Paket ist leergenascht, als sich plötzlich ihr Magen meldet. Jahrelange Enthaltsamkeit beim Genuß solcher Köstlichkeiten rächt sich jetzt auf grausame Weise – der Mageninhalt sucht sich einen Weg ins Freie. Das dürfen sie daheim der Mutter nicht erzählen – die Tauschobjekte sind einfach zu wertvoll, um auf so eine Art verschwendet zu werden.

Der Großbauer fragt, ob die Mädchen auch bei der Ernte mithelfen könnten – sie würden dafür Lebensmittel bekommen. Daheim muß die Mutter um Erlaubnis gefragt werden – sie willigt ein. Ausserdem hat der Bauer gefragt, ob es im Heimatort der Mädchen vielleicht noch andere gibt, die mithelfen könnten. Gleich eine ganze Truppe steht am nächsten Tag vor der Tür des Hofgutes um gegen Lebensmittel zu helfen. Die mitgebrachten Frauen, Männer und Kinder sind es gewohnt hart anzupacken wenn es etwas zu arbeiten gibt.

Der Großbauer ist sehr zufrieden über die schnell organisierte Hilfstruppe. Zuvor hat er alles alleine mit einem Kriegsgefangenen russischen Soldaten bewerkstelligen müssen. Die gesamte Traubenernte ist nach ein paar Tagen vollbracht – es war eine besonders gute Ernte. Die Helfer bekommen ihren Lohn – es gibt mehr als reichlich Lebensmittel und sogar Wein, den man in dem eigenen Heimatdorf oder in der Stadt wieder als Tauschobjekt verwenden kann.

Eigentlich könnte der Bauer ein paar dauerhafte Helfer gebrauchen. Die Familie des Mädchens willigt ein - vielmehr die Mutter, der Vater ist immer noch vermisst. Der ältere Bruder darf auch als Erntehelfer längere Zeit bleiben. Jetzt ist die Familie daheim sicher mit Lebensmitteln versorgt.

Der zuvor kriegsgefangene russische Soldat ist trotz seiner „Freiheit“ nach Kriegsende freiwillig bei dem Bauern geblieben. Daheim muß er noch mehr als hier in Deutschland arbeiten und hat praktisch nichts davon.

Er ist noch sehr jung und versucht mit den weiblichen Erntehelferinnen anzubändeln. Die haben allerdings ganz andere Dinge im Kopf, als sich in dieser wirren Zeit auf so ein Abenteuer einzulassen. Dass der „Russe“ freiwillig wie ein Pferd arbeitet, erspart dem Bauern fast drei Arbeitskräfte. Nur muß er immer ein wenig auf den jungen Burschen aufpassen, dass es hernach keine Beschwerden von den Eltern der jugendlichen Erntehelferinnen gibt.

Irgendwann findet er eine junge Frau, die seine Annäherungsversuche erwidert und zieht natürlich zu ihr auf den elterlichen Hof. Erst jetzt wird bewußt, was er zuvor alles gearbeitet hat – es gibt jetzt bis spät in die Nacht für alle viel zu tun.

Mitten in der nächsten Traubenernte kommt die Nachricht von zuhause, dass der Vater überraschend von der Gefangenschaft heimgekehrt ist. Bis spät in die Nacht muß die restliche Ernte eingebracht werden – ein Bad in einer Zinkwanne am frühen Morgen wäscht den Schweiß und den Schmutz der langen Arbeit von der Haut. Ohne Schlaf geht’s zum Bahnhof – daheim wartet der Vater bestimmt schon auf seine Tochter. Der Bauer schnürt ein großes Paket für die Erntehelferin damit sie es im Zug mit nach hause nehmen kann.

Man kann sich die Freude gar nicht vorstellen, als der Vater daheim dann seine Tochter begrüßen kann. Mager ist er geworden – und sehr ernst. Was der Krieg aus ihm gemacht hat, erfährt die Tochter erst später im Laufe der Zeit. Er erzählt nicht sehr viel von dem Erlebten – es war vermutlich zu grausam.

In den Gefangenenlagern gab’s fast nichts zu essen. Die Soldaten mußten bei irgend welchen Familien arbeiten - so wie zuvor die Gefangenen, die von den deutschen Soldaten gemacht worden waren. Allerdings hatte die russische Bevölkerung selbst meist nichts zu essen. Dann auch noch einen gefangenen Soldaten von dem Wenigen durchzufüttern - das war für die meisten Familien eher eine Strafe als eine Hilfe.

Viele deutsche Soldaten starben nicht am direkten Kriegsgeschehen, sondern in der Gefangenschaft aufgrund der Folgen von Hunger und der ewig währenden Kälte.

Die Menschen in den Ländern, wohin man die Kriegsgefangenen verschleppt hatte, waren einfache Leute und wollten von niemand etwas. Wer es verstand, ein wenig von ihrer Sprache zu lernen, stellte sehr schnell fest, dass sie das Kriegsgeschehen genauso verachteten wie die "Normalbürger" in Deutschland.

Krieg war im Grunde genommen die sich aufblähende Idee einiger wahnsinniger machtgierigen Politiker, die sich meist geschützt vor allem Geschehen im Hintergrund hielten und zu keiner Zeit auf ihren standesmäßigen Luxus verzichteten. Schnell stellte sich heraus, dass sowohl daheim wie auch im Land der Gefangenschaft jeder bestraft wurde, dem es in den Sinn kam, die von ihm gemachte Erkenntnis dieses Wahnsinns öffentlich zu äussern. Manche waren von dem Kriegsgeschehen so geblendet, dass sie anders denkende an die selbst ernannten "Ordnungshüter" verrieten und damit ihrer "gerechten Strafe" zuführten. In Deutschland gab es eine sogenannte Schutzstaffel die von jedermann mit klarem Kopf und nennenswerter Intelligenz mehr als gefürchtet war. Diese besonders ausgesuchten Wächter des Systems fackelten nicht lange, wenn sie eine Meldung bekamen, dass jemand Zweifel an den Handlungen der Regierung hatte.

So berichtet meine Mutter, dass ein Sohn des Nachbarn sich aufgrund von einer fingierten körperlichen Behinderung vor dem Kriegsdienst gedrückt hatte. Ein anderer zeigte ihn fast vor Ende des Krieges an weil er in seiner Familie schon zwei Söhne verloren hatte, die getreu für Deutschland gekämpft hatten. Sie wird nie vergessen, als die "Kettenhunde" - so wurden die Männer der Schutzstaffel unter der Bevölkerung wegen ihrer umhängenden Dienstmarken genannt - in den Hof der Familie einfuhren und nach dem jungen Mann suchten. Monatelang versorgte den hernach seine Mutter mit Lebensmitteln in seinem Versteck auf einem Heubarn - Heuschober - bei einem anderen gutmütigen Nachbarn, der dem jungen Mann helfen wollte.

Dass der treue Anhänger des Systems es doch herausbekam, wo der junge Mann sich versteckt hielt, war eigentlich nur eine Frage der Zeit. Ein weiterer Besuch führte dann zu der Verhaftung des jungen Mannes. Das letzte was die Dorfbewohner von ihm sehen konnten, war, dass er von gleich vier Bewachern auf äusserst brutale Art und Weise zum Mitkommen gezwungen wurde. Ob er nun durch das weitere Kriegsgeschehen umgekommen war, oder durch die "Bestrafungsmaßnahmen" der Ordnungshüter wußte keiner zu sagen - auf jeden Fall blieb er bis heute vermisst.

Wer so etwas erlebt hatte, lebte fortan immer in Angst, ebenfalls denunziert zu werden und in die Mühlen der selbsternannten Justiz zu geraten.

Die Jugend allerdings sei nicht so wie heute ohne Beschäftigung gewesen. Schon im frühsten Alter wurden die Jungen in dem neuen System geschult und jeder gehörte einer streng organisierten Gruppe an. Die Teilnahme an den vielfältigen Aktivitäten war Pflicht. Hitlerjugend nannte sich das ganze und hatte einen hohen Stellenwert. Wer auch nur versuchte, sich diesen Aktivitäten zu entziehen, bekam Schwierigkeiten oder hatte entscheidende Nachteile. Die Lehrer in den Schulen waren sehr streng - wer nicht parierte, bekam ein paar hinter die Löffel. Manchmal gab’s recht makabre Bestrafungen die wenig angemessen erschienen. Der Schuldirektor war ein vernünftiger Mann und mußte oft die manchmal brutalen Handlungen einiger seiner bediensteten Lehrer bei den Eltern wieder ausbügeln. Es gab Lehrer, die durch Systemtreue glänzen wollten - eine strenge Erziehung der Jugend war ihr oberstes Ziel. Manchmal übertrieben sie diese Erziehungsaufgabe schon ein wenig. Man konnte aus einem Esel einfach kein Rennpferd machen - auch nicht mit Gewalt.

Dass es Jugendliche gab, die nicht mit einer überragenden Intelligenz ausgerüstet waren, passte nicht in das damals herrschende Weltbild der deutschen "Eliterasse". Diese jungen Menschen hatten es in dem System besonders schwer und wurden geradezu zum Vorzeigebeispiel, dass man Dummheit so oft wie möglich und so hart wie man konnte bestrafen mußte. Körperlich und geistig fit mußte jeder sein. Dass dies in einer vierzehnköpfigen Familie nicht funktionieren konnte, war jedem verständlich wenn er sah, wie die Brüder und Schwestern nur um ein kleines Stück Brot miteinander kämpften.

Dass unter solchen Bedingungen in der Schule keine Leistung gebracht werden konnte, hätte jeder vernünftige Lehrer eigentlich wissen müssen. Eine Beeinträchtigung der körperlichen Fitness war auch ein Grund, die Strenge manchmal über Maß walten zu lassen. Wenn dann der Mutter berichtet wurde, dass durch die Unvernunft des strengen Lehrers die Tochter beim erzwungenen Sportunterricht ohnmächtig geworden war, platzte der schon manchmal der Kragen. Dass sie ihn dann auch noch während des Unterrichts aufsuchte, um ihn zur Rede zu stellen, war seiner Meinung nach schon eine Frechheit. Allerdings kennt die Wut einer fürsorglichen Mutter keine Grenze mehr, wenn all ihre Bemühungen durch die Unvernunft so eines Tyrannen zunichtegemacht wurden, die Tochter vielleicht doch noch einer gesundheitlichen Besserung zuzuführen. Da merkte selbst der über allem stehende Lehrer, dass er keine seiner hilflosen Schülerrinnen vor sich stehen hatte sondern eine Frau, die zu allem entschlossen war.

Nur der Direktor, aufgeschreckt durch das laute Streitgespräch, konnte verhindern, dass der Lehrer diesesmal nicht austeilte, sondern eine gescheuert bekam. Dass er seine Wut dann Wochenlang an der Tochter abreagierte könnte man nicht unbedingt als Erfolg bezeichnen. "Da haben es die Jungen Gottseidank heute viel besser", sinniert die Mutter nachdenklich nach einer kleinen Pause. Mehr als die Schläge hatte es allerdings geschmerzt, bei jeder Gelegenheit vor der Klasse ungerechtfertigt vorgeführt zu werden. Es gab aber auch gute und verständnisvolle Lehrer. Einer ließ sie sogar einmal einen ihrer eigenen Aufsätze als besonders gut gelungen vorlesen. Dieser Mann hatte es schwer unter seinen Kollegen - allerdings war er bei den Schülern beliebt und jeder ging gern zu ihm in die Klasse. Dass die Leistungen ausgerechnet bei seiner Klasse besonders gut waren, schien doch der Beweis dafür zu sein, dass man nur mit Strenge doch nicht alles erreichen konnte.

Die Schule war allerdings recht schnell mit vierzehn Jahren beendet, als alle zum Arbeitsdienst mußten. Eine Großwäscherei war das Einsatzgebiet in dem die Arbeit abgeleistet werden mußte. Jugendarbeitsschutzgesetze war in der damaligen Zeit ein völliges Fremdwort. Da fragte in den Wirren des Krieges und in der Nachkriegszeit kein Mensch danach. Jeder, der anpacken konnte wurde zu solchen Arbeiten eingeteilt. Gestorben war an dem Dienst keiner - meist lernte man sogar sehr viel fürs Leben und vor allem wie man überleben konnte. Ein besonderen Schock bedeutete die Nachricht für das vierzehnjährige Mädchen die Nachricht der zuständigen Chefin, dass eine Nachricht vom Tod des Vaters gekommen sei. So schnell wie sie nur konnte lief sie nach hause, um Trost bei der Mutter zu suchen. Die Chefin hatte aber die angekommene Nachricht an die Familie völlig falsch interpretiert. Es war nur eine Nachricht gekommen, dass man jetzt wußte, wo der Vater gefangengehalten wurde. Da die Chefin der Abteilung von der Wäscherei bisher in den Nachrichten in Form solcher Briefe immer nur die Todesnachrichten von Vermissten erhalten hatte, nahm sie fälschlicherweise an, dass auch der Brief an die Familie des Mädchens solch eine Nachricht enthielt. Endlich konnte man mit dem Vater Kontakt herstellen. Sie war allerdings durch strenge Auflagen nur auf ein paar Worte beschränkt. Moderne Kommunikationsmittel so wie heute gab’s noch keine.

Das waren gewiss sehr entbehrungsreiche Zeiten gewesen - sinniert die Mutter nach ihrer Erzählung - aber es gab trotz allem einen Zusammenhalt den man sich heute gar nicht mehr vorstellen kann. Trotz der vielen Arbeit hatte man noch Zeit für die Sorgen der anderen und half mit, wenn es irgendwo etwas anzupacken gab. Was man da alles zu Fuß ausbosseln mußte, da hatte manch einer heutzutage sogar mit dem Auto so seine Probleme dies alles zu schaffen.

Ausbosseln? - ich frage nach dem Sinn dieses Wortes. Zur Arbeit laufen und wieder zurück, einkaufen, auf das Feld gehen um die Pflanzen zu harken und so weiter - meist in dieser Reihenfolge alles an einem Tag, kommt die prompte Erklärung. Autos gab’s noch keine - nur ein paar Unternehmer hatten so einen Luxus. Der Rest der Bevölkerung packte seine Sachen auf ein kleines Leiterwägelchen wenn sie auf Feld gingen um dort zu nach Feierabend zu arbeiten oder die Früchte heimzuholen. Nur die Landwirte oder Bauern, die besaßen Ochsen, die sie vor einen Wagen spannen konnten. Die reichen Bauern konnten schon manchmal ein Pferd ihr Eigen nennen. Allerdings hatte man für das Kriegsgeschehen fast alle Pferd konfisziert und viele erhielten nur noch die Nachricht, dass ihr Pferd beim Kampfeinsatz getötet worden war.

Ja, das war schon eine ärmliche Zeit gewesen, da lernte man Sparen - ob man wollte oder nicht. Von wegen ein eigenes Zimmer besitzen, weit gefehlt. Bis sechzehn Jahr kampierte man mit den Brüdern und Schwestern manchmal in einem Raum und mußte sich deren hämisches Gelästere anhören, wenn man sich tagsüber wieder einmal Schwielen an die Füße gelaufen hatte nur weil die Schuhe inzwischen nicht mehr passten und kein Geld für neue da war. Die Mutter lies höchstens die Schuhe ein wenig beim Schuhmacher ausspannen damit’s nicht mehr so drückte - und es kostete nur ein paar Pfennige. Lange hielt’s meistens nicht - schließlich war fast jeder junge Mensch in diesem Alter noch im Wachstumsstadium begriffen. Da könnte man sich heute noch über die dummem Sprüche der Alten ärgern, die allen Ernstes vorschlugen, wenn drückt, dann drück halt zurück. Die holten sich keine Schwielen, die schickten einfach die Jungen zum Einkaufen. Na ja, auch die Alten mußten hart arbeiten - die machten halt einfach so Sprüche - was sollten sie auch ohne Geld viele andere Vorschläge machen.

Also was wir damals so alles erlebt haben, da könnte man ein Buch darüber schreiben. Ich antworte, aber nur so zum Spaß, dass wenn sie so weitererzählen würde, könnte man dies tatsächlich tun. Manche besonders prägnanten Erinnerungen wurden schon des öfteren erzählt - die konnte ich bald selbst weitererzählen.

Die heutige Zeit, im Jahr 2007, hatte auch so ihre Schwierigkeiten. Vielleicht war es gar nicht so verkehrt einmal aufzuschreiben, wie die Menschen der Nachkriegszeit ihre schwierige Zeit gemeistert hatten. So ein paar Notizen konnten kaum schaden.



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