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Poesie => Hoffnung


D.M.d.B. Kapitel 05 "Geldmangel" - von Aabatyron, 07.08.2008
a potência de caridoso
(Die Macht der Barmherzigkeit)


Geldmangel


Die ausschweifenden Feste auf der Farm von Djego und seiner Sippschaft hatten an Umfang sogar noch zugenommen. Allerdings bemerkte er sehr bald, dass es ein Riesenfehler gewesen war, die einzigste Person, die etwas von Buchführung und Wirtschaftswesen verstand, von der Farm vertrieben zu haben. Er hatte inzwischen viele Anleihen aufnehmen müssen und wenn es so weiterging, gehörte bald der Bank das gesamte Anwesen – dann war es vorbei mit dem Luxusleben.

Um sich die Löhne für die Arbeiter zu sparen, hatte er die alten Farmarbeiter alle entlassen und durch neu angeworbene, meist sehr junge Arbeiter, ersetzt. Wenn sie einmal auf seinem Farmgelände waren, mußten sie unter Aufsicht der Bewacher arbeiten und bekamen als Lohn nur ein karges Essen und eine dürftige Unterkunft. Die Hütten waren teilweise schon sehr dem Zerfall ausgesetzt und dringende Renovierungsarbeiten wurden aus Kostengründen nicht durchgeführt. Die Wächter hinderten jeden daran, die Farm wieder zu verlassen – so konnte nichts von den Zuständen, die momentan hier herrschten, nach aussen dringen.

Manche der Arbeiter starben aufgrund von Verletzungen, die sie sich während der Arbeit zugezogen hatten und die unbehandelt in der sengenden Hitze schnell zu großflächigen Entzündungen führten. Selbst Minderjährige mußten wie die Erwachsenen voll bei der täglichen Arbeit mitarbeiten. Wer nicht den Befehlen der Bewacher gehorchte, wurde gnadenlos geschlagen. Carlos da Silva war Djego nach wie vor immer noch ein lästiges Übel auf seinem Landbesitz. Jetzt, da Djego durch die Arbeit von der Tochter von Carlos keinen Nutzen mehr hatte, brauchte er auch keine Rücksicht mehr auf deren Familie zu nehmen. Dieses Pack mußte unbedingt von seinem Land vertrieben werden. Für seine Schlägertruppe würde es eine freudige Abwechslung sein, die Vertreibung der Familie da Silva von dem Stück Land das sie Don Juan Antonio abgeschwatzt hatten zu vertreiben. Es wäre auch überhaupt nicht tragisch, wenn ein paar dieser widerspenstigen Möchtegernfarmer bei der Aktion draufgingen.

Gesagt, getan. Mitten in der Nacht fuhren sie mit ihren Jeeps bis fast an das Haus der Familie und platzierten ihre mitgebrachten Dynamitladungen in ihren zuvor ausgewählten Zielen. Als die erste Dynamitstange durchs Fenster flog und im Innenraum des Hauses detonierte, legten die anderen schnell nach, um so eine Flucht der Bewohner zu verhindern. Der erste, der aus dem Haus gestürmt kam, war der älteste Sohn dieser Familie. Ohne zu wissen wie ihm geschah, wurde er von der völlig außer Rand und Band geratenen Meute gepackt und zu einem der Jeeps geschleppt. Während drei kräftige Männer ihn festhielten und seinen Kopf in Richtung Blick auf das Haus drehten, meinte einer abfällig: „Jetzt darfst du dabei zuschauen, was mit dem Pack passiert, das unser Gebiet nicht freiwillig verlassen will“. Jose sah mit Entsetzen, wie sie weitere Dynamitstangen in die Wohnung seiner Eltern und Geschwister warfen. Als die nächste Explosion erfolgte, stürmten seine drei Brüder aus dem Haus. Er hörte seinen Vater im Haus verzweifelt den Namen der Mutter rufen. Die dritte Detonation riß die komplette Außenwand vom Haus weg. Jose sah, dass seine Mutter schwerverletzt eingeklemmt unter den Trümmern lag während sein Vater verzweifelt versuchte, seine Frau aus dem brennenden Bretterhaufen zu ziehen.

Da sie Jose festhielten, konnte er seinen Eltern nicht helfen. Als die Schergen von Djego mit den Jeeps losfuhren, sah er gerade noch, wie seine drei Brüder halfen und gemeinsam die Mutter aus dem brennenden Haus zogen. Jose schwor sich in diesem Moment, dass wenn er irgend wann einmal die Chance bekam, würde er sich für diese Tat Djegos rächen. Sein Vater hatte ihn immer dazu erzogen Nächstenliebe zu praktizieren und nach den Gesetzen der Menschlichkeit zu leben, aber irgendwo hat alles seine Grenze. Dieser Djego mit seinem Verbrecherclan hatte heute diese Grenze bei weitem überschritten. Nicht nur, dass seine Schwester von dieser Sippschaft vergewaltigt worden war, jetzt hatten sie auch noch seine Mutter schwer verletzt und das gesamte Lebenswerk der Familie vernichtet.


Es war unmöglich, von der Farm zu fliehen. Jeder der versuchte, den Sklaventreibern zu entkommen, wurde wieder eingefangen und anschließend durch Schläge bestraft. Einmal hatte es ein junger Arbeiter geschafft, den Farmbezirk zu verlassen. Nach zwei Tagen wurde er von der Polizei wieder auf die Farm zurückgebracht. Angeblich hatte er einige Wertsachen von dem Herrenhaus entwendet und war deshalb von der Polizei gefangengenommen und zurückgebracht worden. Dass die Polizisten auch im Dienst von Djego standen war offensichtlich. Die Bewacher hatten den jungen Mann durch Schläge anschließend so mißhandelt, dass er in der Nacht darauf aufgrund seiner schweren Verletzungen verstarb. Ab diesem Tag versuchte niemand mehr, seinem Schicksal zu entfliehen.


Nach Wochen Ungewissheit erfuhr Jose, dass seine Familienmitglieder den Anschlag alle überlebt hatten, aber seine Mutter seither im Rollstuhl saß weil ihre Beine gelähmt waren. Jose mußte jeden Tag auf den riesigen Feldern arbeiten und als Unterkunft teilte er sich mit noch zwei anderen eine der halbverfallenen Hütten. Da sich alle in ihr Schicksal ergeben hatten, wurde die Aufmerksamkeit der Bewacher von Tag zu Tag weniger gefordert und ab und zu drückten sie auch mal aus Bequemlichkeit ein Auge zu, wenn einer der Arbeiter sich zum Beispiel etwas zusätzliches Essen von den Feldern besorgte.

Als Jose anfing, Holz zu sammeln, um den Verfall seiner Hütte in der er wohnte, notdürftig zu reparieren, liesen sie auch ihn gewähren. Irgend wie hatte sich eine stille Vereinbarung eingestellt. Wenn die Arbeit auf den Feldern in gefordertem Umfang getan worden war, und es keine Unruhen gab, konnten die Arbeiter auch schon mal sich eine Bequemlichkeit verschaffen indem sie sich Beispielsweise Dinge für den Alltag selbst anfertigten. Als Jose spät abends dabei war, noch einige zusätzliche Äste für die letzten Reparaturarbeiten an der Hütte zu sammeln, machte er eine grausige Entdeckung.

Es gab auf der Farm, nicht unweit von den Hütten eine steile Klippe, in deren Senke sehr viele Bäume und Sträucher wuchsen. Jose versprach sich, dort bei der Suche nach passendem Holz fündig zu werden. Als er auf einem sehr schmalen Tierpfad in das Tal hinabgestiegen war, stellte er mit Freude fest, dass er hier alles Holz was er benötigte finden würde. Er wußte, dass dieses Gebiet zu dem Farmgelände des Anwesens von der verstorbenen Frau Djegos gehörte.

Den Erzählungen nach, war hier die junge Frau Djegos vor vielen Jahren nachts mit ihrem Auto von der Klippe hinuntergestürzt und dadurch ums Leben gekommen. Tatsächlich konnte man sogar noch einige von Gras überwucherte Reste des völlig zerstörten Autos sehen. Neugierig geworden wollte sich Jose diese Wrackteile doch einmal genauer ansehen. Aber das konnte doch nicht war sein. Sie hatten die getötete junge Frau doch damals aus dem zerstörten Auto geborgen und in allen Ehren beerdigt. Wie konnte es also möglich sein, dass ca. 15 Meter neben dem Autowrack ihre ausgebleichten Knochen lagen? Hatten sie damals einen leeren Sarg vergraben? Obwohl ihn beim Anblick der Knochen richtig gruselte, siegte doch die Neugier und er sah sich das ganze doch etwas näher an.
Mein Gott, da lagen nicht nur die menschlichen Knochen einer Person – deutlich konnte man sehen, dass in den Überresten, was vermutlich einmal ein Gürtel mit einer Ledertasche gewesen war, ein völlig verrosteter Colt steckte. Dort wo die Rippenknochen halb vom dürren Gras überwachsen sich abzeichneten, schimmerte eine ausgebleichte Polizeimarke zwischen den Grashalmen hervor. Jose wußte auf Anhieb, welch grausigen Fund er gemacht hatte: es war der gesuchte Ermittlungsbeamte, dessen Bruder immer noch nach dem Mörder suchte. Jose nahm vorsichtig die Polizeimarke aus dem Gras und steckte sie in seine Tasche.
Fast hätte er vor lauter Aufregung sein Holz vergessen – wenn er ohne Holz nach hause kam, würden die Wachen bestimmt Fragen stellen, was er so lange gemacht hatte. Er konnte mit niemand über seinen Fund reden, er mußte aber unbedingt den Bruder des Toten über den Fund und den Ort informieren.


Es brauchte manchmal viel Geduld, wenn man etwas erreichen wollte, aber endlich war es soweit. Die Bohnenernte nahte und Jose meldete sich zur Überraschung der Wächter jedesmal freiwillig, wenn ein paar kräftige Männer für die besonders anstrengenden Verlade- und Transportarbeiten gesucht wurden. Nach dem beladen der Lastwagen mußte er mit in die Stadt fahren und dort auf dem Großmarkt die Säcke wieder vom Lastwagen nehmen und für den Verkauf bereitstellen. Die ersten drei vier Fahrten wurden die mitfahrenden Arbeiter von den Bewachern sehr aufmerksam beaufsichtigt. Als sie allerdings bemerkten, dass niemand Anstalten machte, auf dem Marktgelände zu entfliehen, sondern alle treu und brav wieder mit zurückfuhren, ließ ihre Aufmerksamkeit sichtlich nach und sie widmeten sich während der Verladearbeiten ihren schon gewohnten Vergnügungen mit den jungen Damen aus der Stadt, die sich gerne etwas Geld von den reichen Farmern verdienen wollten.


Carmelita hatte erfahren, dass diese Woche die Ernte von der Farm des Clans Esteban de Vargas auf den Großmarkt gefahren wurde. In der Hoffnung, vielleicht von einem der Arbeiter etwas über das Schicksal ihres ältesten Bruders zu erfahren ging sie in die große Markthalle. Völlig überrascht sah sie, dass Jose sogar bei den Arbeitern dabei war. Als sie sich ihm vorsichtig nähern wollte, deutete er ihr an, noch ein wenig zu warten. Als nach einer kurzen Zeit die vier Bewacher gemeinsam aus der Halle gingen und in einem Nebengebäude verschwanden winkte er ihr zu, dass sie jetzt Kontakt aufnehmen konnten.

Man konnte sich die Freude gar nicht vorstellen, als er nach so langer Zeit seine Schwester in die Arme schließen konnte. Seine erste Frage galt natürlich dem Schicksal von seinen Eltern und seinen Brüdern. Carmelita konnte ihn beruhigen, alle drei Brüder hatten inzwischen in der Stadt Arbeit gefunden. Sie hatten eine günstige Wohnung mieten können und auch ihre Eltern lebten dort. Die Mutter fertigte inzwischen Stickereien und Näharbeiten an, ihr Vater sei auf einem Gemüsemarkt beschäftigt. Ja und sie selbst verdiene inzwischen sehr gut und wohne mit ihrem Freund zusammen in einer kleinen Wohnung mitten in der Stadt. Ihr Freund war Rolando, den er ja damals bei den Ermittlungen kennengelernt habe.

Jose sah seine Schwester fragend an, an ihrem glücklichen Gesichtsausdruck sah er, dass sie ihm noch eine freudige Nachricht verschwiegen hatte. Das stimmte tatsächlich, das war der kleine Nachwuchs – sie hatte eine kleine Tochter, inzwischen 14 Monate alt. „von Rolando?“ , wollte Jose wissen. „Nein, von diesem Nichtsnutz Ramin“, war ihre nachdenkliche Antwort. „Aber die Kleine ist ein richtiger Sonnenschein und hat bestimmt nichts von ihrem Vater geerbt“, fügte sie schnell hinzu. „Rolando liebt die Kleine sehr und behandelt sie wie sein eigenes Kind“, kam sie weiteren Fragen ihres Bruders zuvor.

Jose griff in seine Tasche und zog die in Papier eingewickelte Polizeimarke hervor. Während er sie seiner Schwester in die Hand drückte, erklärte er ihr, dass sie den genauen Fundort Rolando mitteilen sollte. Aber er solle um alles in der Welt ja nicht alleine zu dem Ort gehen, das wäre für ihn lebensgefährlich. Carmelita wollte den Gegenstand auspacken um zu sehen, welches Geheimnis sich in dem Papier verbarg. „Nein, du darfst das ja nicht öffnen damit es jemand sehen kann – das wäre unser beider Todesurteil. Bringe es gleich deinem Freund Rolando, er kann dir erklären, welche Bedeutung es hat.“ Carmelita steckte das „gefährliche“ und geheimnisvolle Päckchen schnell in ihre Tasche und verabschiedete sich von ihrem Bruder. Kaum als sie aus der Lagerhalle gegangen war, kamen auch schon die vier Aufseher von ihrem Vergnügungsgang zurück um mit ihrem Fahrzeug die Rückfahrt zur Farm anzutreten.


Man konnte sich die Freude vorstellen, als Carmelita ihrer Familie von dem Treffen mit ihrem Bruder berichtete. Ihr Freund kam um viertel nach sechs Uhr von seiner Arbeit nach hause und freute sich natürlich genauso wie die anderen Familienmitglieder, als er hörte, dass Carmelitas ältester Bruder den Anschlag überlebt hatte und gesund und munter war. „Ach so, er hat mir ein Päckchen für dich mitgegeben“, teilte sie Rolando mit, während sie in ihre Tasche fasste und das geheimnisvolle kleine in Papier eingewickelte Metallteil herausfischte. So schwer wie das Päckchen war, mußte ein Stück Metall darin eingewickelt sein – vermutete sie. Rolando wickelte das mehrfach gefaltete Papier von dem Gegenstand – und hielt eine von Wind und Sonne gealterte Polizeimarke in der Hand. Sein Gesicht wurde aschfahl und er setzte sich schnell auf einen Stuhl. „Das ist die Dienstmarke meines Bruders“, sagte er mit zitternder Stimme, „genau diese Nummer, 567, hatte er gehabt“. So aufgeregt wie jetzt hatte ihn Carmelita noch nie erlebt als er hastig fragte: „Hat dein Bruder gesagt, wo er sie gefunden hat? Wo ist der Platz? Hat er dort noch mehr entdeckt?“. Carmelita nannte Rolando genau den Fundort, warnte ihn aber eindringlich davor, alleine dort hinzugehen. Endlich hatte Rolando die Beweise – jetzt würde er die Verbrecherbande für immer hinter Schloß und Riegel bringen.


Jose hoffte, dass nun bald dem Treiben von Djego und seiner Bande ein Ende gesetzt werden würde. Hoffentlich war Rolando vorsichtig genug und seine Mitarbeiter waren nicht auch schon bestochen worden. Er hatte nicht viel Zeit um über sein Schicksal nachzudenken. Er hatte sich freiwillig für die Verladearbeiten gemeldet damit er mit in die Stadt fahren konnte um dort Kontakt mit der Polizeibehörde aufnehmen zu können. Dies war ihm nun gelungen, aber um nicht aufzufallen, mußte er jetzt weiter die schweren und anstrengenden Verladearbeiten durchführen.

Es war heute wieder besonders sengend heiß. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel und entzog der Erde auch das letzte bisschen Feuchtigkeit, das von den Arbeitern am Morgen mühsam vom Brunnen zu den Pflanzen getragen worden war. Hatte Jose am Anfang seiner Tätigkeit am Abend vor Schmerz nicht gewußt, auf welche Seite er sich zur Ruhe niederlegen sollte, so stellte er jetzt verblüfft fest, dass sein Körper am Abend immer weniger von diesen Begleiteigenschaften befallen war. Die Arbeiter, welche bei der Verlade- und Transportgruppe arbeiteten, bekamen ausnahmsweise gutes Essen und eine "Getränkefrau" sorgte immer dafür, dass auch jeder immer frisches Wasser bekam.

Chonzuela war als 15-jähriges Mädchen mit ihren Eltern auf die Farm gekommen weil ihre Eltern damals Arbeit gesucht hatten. Kurz darauf war Don Alfonso gestorben und sein Bruder Djego hatte die Farm übernommen. Jetzt war sie 23 Jahre alt und dachte manchmal wehmütig an die kurze schöne Zeit zurück, als der alte gutmütige Vorbesitzer der Farm noch gelebt hatte. Ihre Eltern mussten bei dem neuen Besitzer jeden Tag hart auf den Feldern arbeiten und bekamen als Lohn nur Essen und eine mehr als unzureichende Unterkunft.

Es fehlte den Arbeitern überall an den notwendigsten Dingen des Lebens. Die meisten liefen in zerlumpten oder nur notdürftig geflickten Kleidern herum, während die jetzigen Herren der Farm verschwenderische und ausschweifende Feste feierten. Aber sie wollte sich über ihr Schicksal nicht beklagen, Gottseidank wurde sie von den Bewachern in Ruhe gelassen und hatte eine gute Arbeit. Ihr war aufgefallen, dass schon seit geraumer Zeit einer der Verladearbeiter besonderes Interesse an ihr zeigte. Es war Jose, dessen Familie mit Gewalt vor ein paar Jahren von ihrem kleinen Landbesitz vertrieben worden war. Es beeindruckte sie schon sehr, dass sich dieser Jose sogar freiwillig für diese schwere Arbeit gemeldet hatte, nur um sie zu sehen und in ihrer Nähe sein zu können.


Jose war es nicht entgangen, dass das "Wassermädchen" gerade ihn ungewöhnlich oft fragte, ob er Durst habe und etwas zu trinken brauche. Obgleich die anderen Arbeiter genauso hart wie er selbst arbeiten mussten, witzelten sie in letzter Zeit immer öfters darüber, dass sich dieses Mädchen augenscheinlich in Jose verliebt hatte. Jose gestand sich ein, dass auch er Gefallen an diesem Mädchen gefunden hatte. Sie war jung, kräftig und packte herzhaft mit an, wenn es etwas zu arbeiten gab. Ausserdem war sie sehr hübsch - wenn sie anstelle ihrer zerfledderten Arbeitskleidung richtige Kleider tragen würde - man könnte sie von einer Dame des Herrenhauses nicht mehr unterscheiden.

Jose war abends sehr gerne mit ihr zusammen und es tat gut, sich mit jemand vertraut unterhalten zu können. Jose war nicht abgeneigt, mit ihr zusammen eine kleine Familie zu gründen. Vielleicht konnten sie gemeinsam das abgebrannte Haus seiner Eltern wieder aufbauen um dort zu wohnen. Die größte Schwierigkeit dabei würde sein, die Erlaubnis dazu von dem herrschsüchtigen Gutsbesitzer zu bekommen.

Nachdem Jose es endlich fertiggebracht hatte, bei Djego vorsprechen zu können, überlegte der sehr lange, bevor er eine Antwort gab. Überraschenderweise gab ihm Djego sowohl die Erlaubnis für die Heirat, als auch das Versprechen, dass er das Elternhaus unbehelligt wieder errichten durfte. Mit den Bedingungen konnte Jose leben. Er mußte die Hälfte seiner Ernte quasi als Wegegeld bei dem Farmbesitzer abgeben. Besser die Hälfte der Ernte abgeben, als ganz umsonst wie bisher zu arbeiten - dachte sich Jose.


Ein paar Monate später: Es wurde nur eine kleine Hochzeitsfeier, aber am Abend hielt Jose seine Frau glücklich in seinen Armen. Die anstrengende Arbeit, das Haus wieder aufzubauen, hatte deutliche Spuren hinterlassen aber Jose hatte unermüdlich daran gearbeitet, sich jetzt seine eigene Zukunft aufzubauen. Er kannte sich mit den Anpflanzungen sehr gut aus und blickte stolz auf die vielen kleinen zarten Pflanzen, die auf dem Feld hinter dem Haus wuchsen. Es würde die erste gemeinsame Nacht mit seiner jungen hübschen Frau in ihrem eigenen Haus sein. Was konnte es noch für ein größeres Glück geben?

Das Unheil kündigte sich in Form des Motorengeräusches eines der Jeeps von den Besitzern der großen Farm an. Tatsächlich, Jose konnte deutlich erkennen, dass Djego auf direktem Weg zu ihrem Haus angebraust kam. Was wollte der zu der späten Stunde hier draussen? Jose und Chonzuela ahnten nichts Gutes. Inzwischen war Djego bei dem Haus von Jose und seiner jungen Frau angekommen und forderte lautstark sein Recht, als Gutsherr in der Hochzeitsnacht die junge Frau besitzen zu dürfen. Panisch drängte Jose seine Frau dazu, schnell hinter das Haus zu fliehen und sich dort in den Büschen zu verstecken. "Pass aber ja auf die Giftschlangen auf", rief er ihr noch schnell nach. So schnell er konnte griff er sich das schärfste Messer aus der Werkzeugkiste und lief vor das Haus. Nein, dieser Djego würde seine Frau nicht vergewaltigen, das mußte er verhindern, selbst wenn es ihn sein Leben kostete.

Djego, dessen Sinne offensichtlich durch den reichlichen Genuß von Alkohol stark beeinflußt waren, hatte bereits mit dem Jeep die Verfolgung der jungen Frau aufgenommen. Rücksichtslos wälzte er dabei die zarten Pflanzen hinter dem Haus mit den breiten Reifen seines Fahrzeugs nieder. Als er Chonzuela mit dem Kotflügel seines Jeeps streifte wurde sie durch die Luft geschleudert und fiel unsanft in das nahe stehende verdorrte Gestrüpp. Sicher, jetzt sein Ziel erreicht zu haben, sprang er aus dem Auto um sein unheilvolles Werk zu vollenden. Chonzuela hatte sich allerdings bei dem Sturz nicht verletzt, sprang sofort auf und versuchte dem Griff Djegos zu entkommen. Mit dem vom Alkohol und dem bequemen Leben geschwächten Körper war Djego nicht in der Lage diese junge Frau zu Fuß einzuholen. Wütend lief er wieder zu seinem Fahrzeug zurück, um mit ihm die weitere Verfolgung aufzunehmen. Aber Jose hatte inzwischen auch den Standort des Fahrzeugs erreicht und machte Djego unmissverständlich klar, dass er nun seinem Treiben ein Ende bereiten würde. Verdammt, dachte sich Djego - das Gewehr lag im Jeep, und gegen die Körperkräfte von diesem Jose hatte er keine Chance. Hoffentlich kamen seine Leibwächter bald - warum war er auch so blöd gewesen ihnen zu sagen, dass er sich zuerst mit der jungen Frau befassen wollte und sie danach alle ihren Spass haben konnten? Zeit, er mußte Jose nur ein paar Minuten aufhalten, dann war er wieder auf der Siegerseite.

Gottseidank, das ferne Geräusch mehrerer Fahrzeuge signalisierte ihm, dass jetzt seine gewohnte Hilfe nahte. Jose wußte, dass wenn er jetzt diesem Djego nicht ein für allemal das Handwerk legte, würde es seine Frau und ihn das Leben kosten. Djego spürte instinktiv, dass es sein Gegenüber ernst meinte, und als er die blanke Klinge des großen Messers in der Hand von Jose, und die Entschlossenheit in dessen Augen sah, überkam ihn zum erstenmal in seinem Leben eine alles überdeckende Panik. Schlagartig war die Wirkung des Alkohols wie weggewischt. So schnell er konnte ergriff er die Flucht in die Büsche. Als die scharfen Dornen sich mit tiefen Schnitten in seine Beine bohrten, überkam ihn seltsamerweise der ungewohnte Gedanke, wie sich bisher seine Opfer gefühlt hatten, wenn sie durch ihn und seine Schergen gequält worden waren. An einem der Büsche blieb er mit dem Fuß hängen und stürzte kopfüber in den trockenen Staub der Erde. Sogleich hatte er den unangenehmen Geruch der Erde im Mund und ein stechender Schmerz in seinem Arm und die Unfähigkeit ihn bewegen zu können signalisierte ihm, dass er sich bei dem Sturz vermutlich einige Knochen gebrochen hatte. Jose hatte ihn fast eingeholt, als Djego am Oberschenkel plötzlich einen Schmerz verspürte, als ob jemand langsam ein glühendes Eisen in seine Muskeln bohren würde. Als er zu der vermeintlichen Verwundung blickte, sah er gerade noch, wie sich eine dieser gefährlichen Giftschlangen langsam in das nahestehende Gebüsch verzog.


Jose hatte den Vorfall gleichfalls beobachtet und sah das panische Entsetzen in den Augen des am Boden liegenden Tyrannen. Einfach sterben lassen, war sein erster Gedanke, niemand würde so einem Verbrecher nachweinen. Aber egal was er auch verbrochen hatte, der hilflos auf dem Boden liegende war trotzdem ein Mensch, der im Moment stumm auf Hilfe flehte. Wenn er ihn jetzt sterben lassen würde, war er auch nicht besser als diese herrschsüchtigen Verbrecher. Wenn er ihm half, würde für alle das Martyrium nachher weitergehen. Es war für Jose die schwerste Entscheidung in seinem Leben, aber er mußte es einfach tun. Wieder und wieder stieß er mit dem Messer zu. Erst als er blutverschmiert das Messer in seinen Händen hielt, war er sicher, dass es jetzt genügen würde. Jose wollte sich gerade erheben, als ein Schuß die Stille zerriß und er am Bein von dem Geschoss getroffen wurde. Er hatte nicht bemerkt, dass die Wächter des Gutsbesitzers inzwischen hier draussen angekommen waren. Hastig sprangen sie aus ihren Fahrzeugen und unter der Wucht ihrer Schläge mit den schweren Schlagstöcken ging Jose sofort zu Boden. Sie legten den über und über mit Blut verschmierten Djego in eines der Fahrzeuge und beorderten per Funk sofort einen Arzt zu der Farm. Jose kam einmal während der Fahrt kurz zu Bewußtsein und gewahrte, dass sie ihn auf dem Transportgestell des Jeeps, das normalerweise nach der Jagd für die Einbringung der erlegten Tiere benutzt wurde, festgebunden hatten. Durch den Blutverlust seines völlig zerschmetterten Beins wurde er aber kurz danach wieder ohnmächtig.


Manche meinten, dass Djego schon tot sei. Als allerdings der Arzt eintraf, stellte er fest, dass Djego noch einmal Glück gehabt hatte, und überleben würde. Sofort wollte er wissen, wer dies getan hatte. Der Arzt hatte schon sehr viele Verletzungen in seinem Leben gesehen, aber so etwas wie bei Djego kannte er bisher nicht. Ihm wurde gesagt, dies habe ein Farmarbeiter, Jose da Silva, getan. Ein angeforderter Helikopter sollte Djego in eine Spezialklinik bringen. Als der Patient in den Helikopter verladen war, wollte der Arzt unbedingt den Mann sehen, der Djego diese Verletzungen zugefügt hatte. Stolz führten die Wächter den Arzt zu dem Jeep, wo Jose noch immer angebunden an den Transportgestängen kopfüber in der sengenden Sonne hing. "Seid ihr denn verrückt geworden? Bindet sofort den Mann los und bringt ihn zum Helikopter", befahl er bestimmt. Die Wächter schauten sich ratlos an. "Der wollte unseren Herrn ermorden - der kommt in kein Krankenhaus", wehrten sie seine Bitte ab, den Schwerverletzten loszubinden. "Da seid ihr gewaltig im Irrtum", versuchte der Arzt ihnen zu erklären, "mit Sicherheit hat er mit seiner Aktion eurem Herrn das Leben gerettet. Normalerweise überlebt kein Mensch den Biss einer dieser gefährlichen Giftschlangen“, argumentierte er, als er die noch immer ungläubigen Gesichter sah. Wollte er nur das Leben dieses Mannes retten, oder hatte er tatsächlich recht mit seiner Behauptung? Sie waren jetzt richtig in einer Zwickmühle. Ließen sie ihn jetzt frei, und es stellte sich heraus, dass der Arzt geschwindelt hatte, nur um das Leben des Mannes zu retten, dann würde sie der Gutsbesitzer nach seiner Genesung mit Sicherheit bestrafen. Hatte der Arzt aber Recht, und sie ließen den Lebensretter ihres Herrn hier hilflos angebunden verbluten, dann gabs mit Sicherheit auch Ärger. Letztendlich entschied man sich dazu, der Aufforderung des Arztes zu folgen und Jose wurde von seinen Fesseln befreit. Wenn er nicht der Lebensretter von Djego war, konnte man ihn ja nachher immer noch irgendwann erwischen. Vor allen Dingen mußten sie seine junge Frau suchen damit sie ein Erpressungsmittel in den Händen hatten um Jose am Reden zu hindern. Egal was auch passiert war, wenn er den Behörden von dem Vorfall auf der Farm erzählte, würde es mit Sicherheit gewaltigen Ärger geben. Dies war momentan ein äußerst ungünstiger Zeitpunkt für solche Aktionen, denn man sprach schon fast ganz offen darüber, dass ein Sonderkommando einer als unbestechlich geltenden Behörde, die Ermittlungen gegen die Familie Esteban de Vargas aufgenommen hatte um das Verschwinden von einigen Farmarbeitern und die Mißhandlungen junger Mädchen auf der Farm zu klären.


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